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Kritik an Bayern-Stars: Diese Sätze könnten für Tuchel zur Gefahr werden


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Kritik an Bayern-Stars
Der Druck nimmt zu

Von Julian Buhl

Aktualisiert am 14.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Thomas Tuchel: Er steht in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Thomas Tuchel: Er steht in der Kritik. (Quelle: Frank Hoermann/SVEN SIMON/imago images)

Thomas Tuchel kritisiert seine Stars beim FC Bayern nach dem Fehlstart gegen Leipzig scharf. Damit löst er Verwunderung aus und erhöht den Druck – auch für sich selbst.

Vom FC Bayern berichtet Julian Buhl aus München

Thomas Tuchel setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und genoss die Teezeremonie in vollen Zügen. Vor ihm dampfte das heiße Wasser, eine Frau in traditionellem Gewand bereitete den Tee mit einigen besonderen Zutaten und Utensilien in einer speziellen Trinkschüssel für ihn zu. Jeder Handgriff dabei war ganz offensichtlich tausendfach eingeübt und saß perfekt. Im Hintergrund strich eine weitere Dame mit einem Strohbesen sanft über ein Beet aus Kieselsteinen. Der Trainer des FC Bayern verfolgte all das mit großer Bewunderung.

"Ich liebe diese Hingabe, die Perfektion, die Ruhe, die Detailverliebtheit und Genauigkeit, mit der das zubereitet wurde", sagte Tuchel in einem Video auf der Vereins-Homepage. "Dass man nur das tut, was man gerade tut, mit voller Aufmerksamkeit. Jeden kleinsten Schritt perfekt zu machen und nicht mit weniger als Perfektion zufrieden zu sein: Das ist beeindruckend, da gehört eine innere Ruhe dazu." Ganz nach dem Motto: In der Ruhe liegt die Kraft.

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Auch Tuchel schien vor knapp zwei Wochen, als er dieses Ritual im Rahmen der Asienreise seines Klubs in Tokio miterlebte, noch in sich zu ruhen. Dabei vertraute der 49-Jährige auf seine positiven Eindrücke aus der Saisonvorbereitung, für die er in diesem Sommer nun erstmals verantwortlich ist. Die konnte er zumindest als Trainer ganz nach seinen Vorstellungen gestalten und war nicht mehr – wie bei seinem Hauruck-Einstieg bei Bayern Ende März mitten in der entscheidenden Saisonphase – darauf angewiesen, was sein Vorgänger Julian Nagelsmann zuvor mit der Mannschaft ohne ihn erarbeitet hatte.

Tuchel, der Perfektionist: "Eine ziemlich katastrophale Kombination"

Das ist ganz nach dem Geschmack von Tuchel, der am liebsten jedes Detail selbst beeinflussen will und sich nicht umsonst selbst als Fußballlehrer und Perfektionist versteht. "Eine ziemlich katastrophale Kombination. Ich bin immer auf der Suche nach dem perfekten Spiel – obwohl ich weiß, dass es das gar nicht gibt", gab Tuchel erst kürzlich im Interview mit dem Mitgliedermagazin "51" offen zu. "Aber das muss man lernen zu akzeptieren. Jeder von uns macht Fehler. Was ich nur schwer tolerieren kann, ist, wenn sie mit dem Mangel an Konzentration, Bereitschaft oder Aufmerksamkeit zu tun haben."

Genau diese Mängel waren beim Saisonauftakt am Samstagabend und der ernüchternden 0:3-Niederlage im Supercup gegen RB Leipzig allerdings wieder zu beobachten. Das konnte und wollte Tuchel gar nicht erst schönreden und sprach stattdessen Klartext. "Es fühlt sich an, als hätten wir vier Wochen gar nichts gemacht. Als hätten wir uns gerade erst getroffen und so weitergemacht", sagte er bei Sky.

"Diese Diskrepanz ist für mich nicht zu erklären. Die Vorbereitung, die Energie, mit der wir hier angekommen sind – und dann ist der Stecker gezogen", so Tuchel weiter. "So dauerhaft hatte ich das bisher bei keiner Mannschaft. Es ist gar nicht mehr zu erkennen, was wir wollen. Das war die komplette Fortsetzung des 33. Spieltages."

Bitteres Déjà-vu für Tuchel und Bayern

Ein bitteres Déjà-vu für ihn und die Bayern. Denn an besagtem 33. Spieltag hatten sie schon einmal eine ebenso überraschende wie deutliche 1:3-Heimniederlage gegen RB kassiert und damit die Meisterschaft so gut wie verspielt. Nur mit viel Glück und dank des unerwarteten Patzers von Borussia Dortmund (2:2 gegen Mainz) retteten sie die in einem Herzschlagfinale in Köln (2:1) trotzdem über die Ziellinie. Tuchel wurde damit unverhofft immerhin doch noch zum Meistertrainer.

Schon damals hatte Tuchel, nachdem er anfangs noch "schockverliebt" in seine Mannschaft gewesen war, häufig ratlos gewirkt und offen zugegeben, dass er keine Erklärung für die schwachen Leistungen habe. Daran knüpfte er nun gleich wieder nahtlos an. Er sei "konsterniert, fassungslos, ratlos." Es waren alarmierende Sätze, die er sagte, die ihn schon bald wieder einholen könnten und eine Gefahr für ihn sind.

"Der Trainer sollte sehr wohl wissen, woran es liegt und wo die Probleme liegen", sagte t-online-Kolumnist Stefan Effenberg am Sonntag im Sport1-"Doppelpass". "Es ging um einen Titel, wie Bayern sich da präsentiert hat, war katastrophal", so der Ex-Bayern-Kapitän. Die Leistung sei "enttäuschend und macht auch Angst".

Hamann: "Tuchels Bilanz ist desaströs"

Tuchels bisherige Bilanz in München sei "desaströs", sagte Sky-Experte Dietmar Hamann: "Du kannst nicht von 13 Spielen fünf verlieren." Bei zwei Unentschieden und sechs Siegen erzielte Tuchels Team 22 Tore und musste dabei 20 Gegentreffer hinnehmen. "Warum es nicht läuft, kann zwei Gründe haben", mutmaßte Hamann: "Die Mannschaft ist innerhalb zerstritten. Oder die Mannschaft hat ein Problem mit dem Trainer. Dass Tuchel sie an den Pranger gestellt hat, kam dort bestimmt nicht gut an."

Sein Sky-Kollege Lothar Matthäus ging da sogar noch einen Schritt weiter. Nachdem sich Tuchel sogar bei seinem Star-Neuzugang Harry Kane für den schwachen Auftritt seiner Kollegen entschuldigt hatte ("Der denkt wahrscheinlich, dass wir vier Wochen gar nicht trainiert haben. Für ihn tut es mir am meisten leid"), ist sich Matthäus nämlich "sicher, dass das für Unverständnis und Kopfschütteln bei den Profis sorgt".

Der Rekordnationalspieler weiter: "Wenn er nicht aufpasst, wird er die Kabine nicht so hinter sich bringen, wie es nötig wäre. Das kann schnell gefährlich für ihn werden." Die Ratlos-Aussagen des Bayern-Coaches hätten ihn "insgesamt sehr verwundert", sagte Matthäus und beklagte: "Tuchel hat immer noch keine Mannschaft geformt und gefunden."

Der Kader entspricht noch nicht Tuchels Vorstellungen

Der Kader entspricht Tuchels Vorstellungen jedenfalls weiterhin noch nicht. Die von ihm vorangetriebenen Transfers mit Rechtsverteidiger Kyle Walker und Mittelfeldmann Declan Rice sind geplatzt. Immerhin hat er mit Kane nun seinen Wunschstürmer für die Rekordablösesumme von über 100 Millionen Euro von Tottenham Hotspur bekommen.

"Was denkt wohl ein Kimmich über den Trainer, wenn er ihm vor zwei Wochen die Fähigkeit abspricht, auf der Sechs zu spielen?", fragte Hamann. Und was wohl erst Leon Goretzka, den Tuchel konsequent auf die Bank setzt und offenbar nicht mehr für gut genug hält? Als Tuchel vor vier Wochen im Tegernsee-Trainingslager nach Goretzka und dessen Zukunft befragt wurde, wollte er sich nicht darauf festlegen, dass dieser auch am Ende der Transferperiode noch im Kader sein werde und sagte: "Das würde ich für keinen Spieler bestätigen."

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Über Tuchels öffentlichen Wunsch nach einer neuen Nummer eins, die Manuel Neuer bis zu seiner Rückkehr vertreten soll, sagte Torhüter Sven Ulreich nun: "Es gibt natürlich schönere Dinge. Ich bin zu hundert Prozent davon überzeugt, dass ich das machen könnte."

Mit seinen kritischen Aussagen und Ansagen Richtung Mannschaft hat Tuchel den Druck bei Bayern selbst bereits erhöht. Nach dem Fehlstart gegen Leipzig ist der vor dem Bundesligaauftakt am Freitag in Bremen nun noch mal gestiegen – und zwar auch für ihn.

"Es ist umso enttäuschender, wenn man dann auch noch verdient verloren hat. So sollte man auch Thomas Tuchel interpretieren", sagte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen am Rande der Kane-Vorstellung am Sonntag. "Es gibt überhaupt keinen Grund, an unserer Mannschaft und unseren Spielern zu zweifeln. Wir sind in jedem Wettbewerb konkurrenzfähig." Dass Dreesen den Trainer in sein Plädoyer nicht explizit mit einschloss, sollte nicht überinterpretiert werden.

Aber auch Tuchel wird definitiv am Erfolg dieser Saison gemessen werden und muss jetzt liefern. Die notwendige Kraft dafür mag tatsächlich in der Ruhe liegen. Mit Abwarten und Teetrinken ist es allerdings mit Sicherheit nicht getan.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Aussagen von Jan Christian Dreesen bei der Pressekonferenz am 13. August
  • Aussagen von Stefan Effenberg im Doppelpass am 13. August
  • Aussagen von Dietmar Hamann am bei Sky
  • Aussagen von Lothar Matthäus aus seiner Sky-Kolumne
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