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AfD-Spitzenkandidat will Hochstapler-Ex Bianca Wolter mit Geld ruhig stellen


Hochstapler-Affäre
AfD-Spitzenkandidat macht unmoralisches Angebot

  • Carsten Janz
Von Carsten Janz

Aktualisiert am 09.09.2023Lesedauer: 6 Min.
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AfD Spitzenkandidat Maximilian Krah lockte Hochstapler-Ex mit EU-GeldernVergrößern des Bildes
AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah (links): Er lockte Bianca Wolter (rechts) mit EU-Geldern. (Quelle: IMAGO / dts Nachrichtenagentur, privat (Montage))

Die Hochstapler-Affäre um unwahre Lebensläufe sorgt für Wirbel in der AfD. t-online-Recherchen zeigen jetzt: Spitzenkandidat Krah griff offenbar selbst ein, wollte für Ruhe sorgen – mit einem fragwürdigen Angebot.

Er ist auf dem Höhepunkt seiner Macht. Maximilian Krah, der mit dem Flügel dem rechten Rand der AfD angehört, wurde auf dem Bundesparteitag auf den Listenplatz 1 seiner AfD gewählt und wird die Partei in Europa anführen. Dafür, dass er der neue starke Mann der AfD wird, hat er im Hintergrund viele Fäden gezogen. Er hat Gespräche geführt und seine Leute ausschwärmen lassen, um andere auf Linie zu bringen. Er kennt sich aus mit solchen Machtspielchen.

Einer seiner Männer ist Arno Bausemer, der Hochstapler-Kandidat, der falsche Angaben in seinem Lebenslauf gemacht hatte. Um ihn zu schützen, ist Krah jetzt möglicherweise zu weit gegangen. Mit einem unmoralischen finanziellen Angebot an eine Ex-Lebensgefährtin von Bausemer. Das könnte neue Diskussionen entfachen, ob und wie sich die Funktionäre die Partei zur Beute machen. Ohne Rücksicht auf die angeblichen politischen Ziele der AfD.

Der Spitzenkandidat und der Hochstapler

Sie haben nicht gegeizt mit gemeinsamen Auftritten im Kampf um die Spitzenplätze der AfD-Liste für die Europawahl. Maximilian Krah und Arno Bausemer zeigten sich auf öffentlichen Veranstaltungen in Magdeburg oder Niederbobritzsch. Die Verbindung ist offenbar eng.

Ob Krah wusste, dass Bausemer mit den Angaben in seinem Lebenslauf geschummelt hatte, ist unklar. Auch, wie er heute zu diesen Falschangaben steht. Er hat auf eine Anfrage von t-online dazu nicht geantwortet. Klar ist nur: Hinter den Kulissen versucht Krah schon wieder Fäden zu ziehen, Bausemer zu schützen. Denn der steht gerade heftig in der Kritik und der Skandal könnte seine eigene Karriere gefährden.

Durch t-online-Recherchen wurde bekannt, dass Bausemer bei der Bewerbung für die Europawahl falsche Angaben über seine berufliche Ausbildung gemacht hatte. Ihm fehlt ein behaupteter Berufsabschluss, und ein angebliches Hochbegabten-Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung gab es ebenso wenig wie eine angebliche Geschäftsführertätigkeit im Betrieb seiner Eltern. Bausemer steht damit für alles, was die AfD an den etablierten Parteien ablehnt, wie Unehrlichkeit und Postenschacherei.

Wahldesaster gefährdet Krah

Doch Krah braucht Bausemer, denn er ist auf seiner Linie, schließlich hat Bausemer es durch interne Absprachen auf den Listenplatz 10 geschafft, der bei derzeitigen Umfragewerten für ein Mandat im Europaparlament reicht. Doch die Unruhe in der Partei ist groß. Die Basis fordert, dass Bausemer den Listenplatz nicht behalten darf. Schließlich habe er die Unwahrheit gesagt. Manche fordern sogar eine Neuaufstellung der Liste. Das wäre ein Super-GAU für Krah und die gesamte Partei.

Und einen Grund für die Unruhe hatte der Spitzenkandidat, der zum rechtsextremen Flügel der Partei gezählt wird, offenbar in Bianca Wolter ausgemacht. Sie ist die Ex-Partnerin von Hochstapler Bausemer. Bianca Wolter verfolgte die Berichterstattung um ihren Ex mit großem Interesse. Sie sind nicht im Guten auseinander gegangen.

Sie ist in der AfD ein bekanntes Gesicht, wurde schon als "AfD-Poster-Girl" bezeichnet. Insgesamt 4.200 Abonnenten hat Wolter mittlerweile bei Facebook, fast 12.000 Follower bei TikTok. Auch Größen aus der AfD folgen ihr bei Facebook, wie der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner oder eben der jetzige Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl Maximilian Krah.

Wolters "Social Power"

Wenn Wolter etwas in den sozialen Netzwerken veröffentlicht, dann lesen es sehr viele Menschen – viele davon sind auch in der AfD. Was lange Zeit hervorragend für die Partei war, wird aktuell aber zum Bumerang.

Mit öffentlicher Kritik hält sich Bianca Wolter seit der Trennung von Bausemer zwar weitestgehend zurück. Was sie auf ihren Social-Media-Kanälen aber geteilt hatte, waren die Artikel von t-online, die Arno Bausemer als Hochstapler entlarvten. Teilweise öffentlich, teilweise nur mit ihren Facebook-Freunden. Und Wolter befeuerte mit dem einfachen Teilen der t-online-Artikel die Diskussion in Teilen der Partei.

Der Spitzenkandidat greift ein

Das rief den Spitzenkandidaten Maximilian Krah, ihren Facebook-Freund und Bausemer-Vertrauten, auf den Plan. Er wollte offenbar verhindern, dass die Situation zwischen Wolter und Bausemer öffentlich eskaliert. Also schrieb Krah Wolter eine Nachricht über Facebook. Er wird dort sehr direkt, lockt Wolter mit finanziellen Vorteilen, wenn sie Arno Bausemer in Ruhe lässt. t-online liegen die Nachrichten vor.

Zunächst zeigt er Verständnis: "In der Sache Bausemer: Ich verstehe Deinen Groll." Aber: "Postings gegen Arno" seien "nicht klug", schreibt Maximilian Krah. Der Grund: finanzielle Absicherung. Sie solle sich wünschen, "dass Arno gewählt wird, zum einen wegen der Unterhaltshöhe, aber auch weil Eure Tochter dann die Absicherung des EP (Europäisches Parlament, Anm. der Redaktion) bekommt."


Quotation Mark

"Auch weil Eure Tochter dann die Absicherung des EP bekommt"


AfD-Spitzenkandidat in einer privaten Nachricht


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"Im Interesse eurer Tochter"

Und er legt in einer zweiten Nachricht sogar noch nach: "Wenn die Tochter jünger ist als drei Jahre zum Antritt des Mandats, bekommst sogar Du als Mutter Geld." Es sei also sicher in ihrem "Interesse und im Interesse Eurer Tochter, dass er (Arno Bausemer, Anm. der Redaktion) ohne Beschädigung durchläuft". Krah schließt mit: "Bitte jeden Rosenkrieg einstellen. Stehe gern als Mediator bereit. Niemand braucht jetzt weiteren Stress."

"Schlägt dem Fass den Boden aus"

Bianca Wolter ist sauer, dass Krah sie so einschätzt. "Ich war so viele Jahre in der AfD, ich habe so viel gegeben für die Partei. Ohne, dass ich dafür Geld oder eine andere Gegenleistung bekommen oder auch nur verlangt habe."

Das Posten der Artikel sei für sie auch kein Rosenkrieg, sagt Wolter, eigentlich geht es ihr um etwas ganz anderes: "Wir haben als AfD immer gesagt, wir machen so etwas nicht. Dieser Slogan 'Mut zur Wahrheit' war uns wichtig." Das aber sei nicht mehr so.

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"Jetzt schieben sich die hohen Parteifunktionäre die Posten zu. Das ist nicht mehr die AfD, in die ich eingetreten bin." Und das Locken mit EU-Geldern schlage dem Fass den Boden aus, so Wolter.

Auf Nachfrage teilte ein Sprecher des EU-Parlaments sogar mit, dass es generell keine Vorteile für Kinder der Abgeordneten oder auch deren Eheleuten gibt. Das Gehalt der EU-Abgeordneten belaufe sich demnach auf gut 10.000 Euro vor Steuern.

Krah und das Geld

Es ist nicht das erste Mal, dass Krahs Umgang mit EU-Geldern infrage steht. Wegen Betrugsvorwürfen wurde er im Februar aus der Fraktion "Identität und Demokratie" (ID) suspendiert, der die AfD im EU-Parlament angehört. Krahs Büro hatte von drei Firmen Angebote für Werbeleistungen einholen lassen, die sich auffällig glichen – inklusive Tippfehlern. Die Papiere liegen t-online vor.

Die Ausschreibung wurde gestoppt. Doch Vorwürfe von Absprachen zwischen den Unternehmen, möglicher Manipulation und Betrug kursierten in der AfD sowie der ID-Fraktion. Nach einem anonymen Schreiben an die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf schaltete sich die Stelle ein.

Wie "Zeit Online" Ende Juli berichtete, blieben die Ermittlungen mit Blick auf eine Beteiligung Krahs ergebnislos, die Anti-Korruptionsbehörde hat den Fall demnach an die europäische Staatsanwaltschaft übergeben. Die aber sei bisher noch nicht aktiv geworden.

Im August lief Krahs Suspendierung aus. Er bestreitet die Vorwürfe seit jeher und sieht sich inzwischen als persönlich entlastet: "Es gibt schlicht nichts, mich betreffend", sagte er "Zeit Online".

Auf die Frage, warum der EU-Skeptiker Krah versucht, andere mit den finanziellen Vorteilen aus Brüssel ruhigzustellen, antwortete der nicht. Auch andere konkrete Fragen von t-online blieben unbeantwortet.

Eine Reaktion ist jedoch bemerkenswert: Nachdem t-online eine Mail zu dem Vorgang an Krah gerichtet und ihn mit den Vorwürfen konfrontiert hatte, löschte der AfD-Spitzenkandidat die Chats mit Wolter nachträglich.

Dann rief er persönlich in der Redaktion an und diktierte t-online seine Stellungnahme: "Ich habe mich in der Tat in einer privaten und persönlichen Nachricht an Frau Wolter gewendet. Und ihr empfohlen, im Interesse ihrer Tochter von einem öffentlichen Rosenkrieg Abstand zu nehmen. Zu Details privater Korrespondenz äußere ich mich nicht. Einige Details der mir von Ihnen gestellten Fragen legen aber nahe, dass der Ihnen vorliegende Screenshot verfälscht wurde."

Verfälschte Screenshots? "Ich wüsste gar nicht, wie"

Belege für angeblich "verfälschte" Screenshots liefert er nicht, sondern schickt t-online lediglich einen Screenshot mit den von ihm gelöschten Nachrichten.

Auf Nachfrage sagt Bianca Wolter, sie habe die Screenshots und Nachrichten nicht manipuliert oder verfälscht: "Ich wüsste gar nicht, wie." Das würde Wolter im Zweifel auch vor Gericht bezeugen. Außerdem legte sie weitere Belege für die Echtheit der Nachrichten vor.

Offensichtlich ist sich Maximilian Krah bewusst, was sein zweifelhafter Einsatz für den Hochstapler Bausemer parteiintern bedeuten könnte. Denn Postenschacherei und Hinterzimmerabsprachen rund um finanzielle Vorteile kommen in der Partei nicht gut an.

Viele sehen dadurch den Status der AfD gefährdet, sich von den etablierten Parteien abzusetzen und zu unterscheiden. Die Hochstapler-Affäre und Krahs Einsatz sind da Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Facebook Accounts: Arno Bausemer, Maximilian Krah und Bianca Wolter
  • TikTok Accounts von Bianca Wolter
  • Nachrichtenverlauf zwischen Maximilian Krah und Bianca Wolter
  • Telefonat mit Maximilian Krah
  • Anfrage Maximilian Krah
  • Anfrage Europäisches Parlament
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