Habecks Energiesparpaket im Check "So was dürfen wir uns im Winter nicht mehr leisten"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die vom Bund vorgestellten Maßnahmen zum Energiesparen sorgen für Kritik. Experte Wolfgang Schwarz meint: Vieles ist nicht kurzfristig umsetzbar.
Russland gilt längst nicht mehr als verlässlicher Partner für die Gaslieferungen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will daher, dass mehr Energie gespart wird. Dazu hat er am Donnerstag ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgestellt. Eine Maßnahme davon lautet: "verpflichtender Heizungscheck" für Gasheizungen.
Diese Aufgabe fällt den Wohnungseigentümern zu. Doch die Umsetzung könnte bereits vor dem ersten Handwerkerbesuch scheitern – denn es fehlt an Fachkräften und an Material.
Wolfgang Schwarz ist Geschäftsführer des Fachverbands Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern. Im Interview mit t-online erklärt er, wie viele Haushalte in Deutschland betroffen sind und was er von Habecks Plänen hält.
t-online: Herr Schwarz, gestern hat die Bundesregierung in ihrem Maßnahmenpaket für den Winter einen Gasheizungscheck für Wohnungseigentümer vorgeschrieben. Ist es überhaupt realistisch, dass Fachleute in absehbarer Zeit alle Heizungen prüfen können?
Wolfgang Schwarz: Den bundesweiten Heizungscheck innerhalb weniger Monate zu erledigen, halte ich für absolut unrealistisch. Das ist eine Herkulesaufgabe, die sich bis weit ins nächste Jahr, wenn nicht gar bis in den kommenden Sommer ziehen wird. Wir werden unser Möglichstes tun, um den Ansturm zu bewältigen. Ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Monaten viele Heizungen prüfen können – aber eben nicht alle.
Woran liegt das?
Zum einen fehlt das Fachpersonal. Mit bundesweit 300.000 Monteurinnen und Monteuren sind die Sanitär- und Heizungsbetriebe zwar nicht schlecht aufgestellt, aber die Herausforderung liegt in der Kurzfristigkeit. Das ist in etwa so, als würden morgen alle Autobesitzer in die nächstgelegene Werkstatt fahren und nach einem Ölwechsel fragen. Da müssten Sie auch lange auf einen Termin warten. Zum anderen haben auch wir mit Materialengpässen zu kämpfen.
Was braucht man denn bei einem Check an zusätzlichem Material?
Nun ja, im Idealfall keines. Aber es kommt oft vor, dass wir eben doch Teile ersetzen müssen. Da bekommen wir die Knappheiten an der Metallfront zu spüren. Sicherlich werden vor dem Hintergrund der steigenden Gaspreise viele Menschen zudem erwägen, eine neue, effizientere Heizung anzuschaffen. Und das sind mittlerweile sehr komplexe Anlagen: In den Heizkesseln sind Kabelbäume verbaut und für die Steuerungselemente werden Mikrochips benötigt, die grade überall schwer zu bekommen sind.
Von wie vielen Gasheizungen sprechen wir eigentlich deutschlandweit?
Es gibt rund zehn Millionen Gasheizungen hierzulande, die meisten davon in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Ich schätze: Etwa jede vierte Heizung ist seit mehreren Jahren nicht gewartet worden. Diese sind in der Regel energetisch besonders problematisch. Leider ist das Bewusstsein für das Thema nicht besonders groß. Beim Auto gibt es in regelmäßigen Abständen vorgeschriebene Untersuchungen, wie Ölwechsel oder Motorchecks. Eigentlich bräuchte es auch einen Heizungs-TÜV.
Der Plan des Wirtschaftsministers sieht vor, dass Eigentümer neben dem Heizungscheck auch einen hydraulischen Abgleich vornehmen müssen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Bei dem hydraulischen Abgleich werden die Komponenten der Heizungsanlage, zum Beispiel Heizkörper, Pumpen und Rohre, optimal aufeinander abgestimmt. Normalerweise ist es so: Der Heizkörper, der sich am nächsten an der Therme befindet, ist am wärmsten. Mit jedem Heizkörper, der folgt, kühlt sich das Wasser etwas ab. Das liegt an den unterschiedlichen Widerständen der Heizkörper.
Und wie äußert sich das?
Im Extremfall steht das Thermostat beim ersten Heizkörper auf eins, beim letzten auf fünf – und beide sind gleich warm. Bei einer abgeglichenen Anlage sind die Regler überall gleich eingestellt, die Heizkörper immer mit der richtigen Menge Warmwasser versorgt und die Heizung insgesamt effizienter.
Rechtfertigen die Energieersparnisse der beschlossenen Maßnahmen den ganzen Aufwand?
Davon bin ich überzeugt. Insbesondere mit dem hydraulischen Abgleich haben Eigentümer einen großen Hebel, da lässt sich massenweise Energie sparen. Bei einem Einfamilienhaus hat man die Kosten von rund 1.000 bis 1.500 Euro innerhalb von ein bis zwei Jahren wieder raus.
Und was ist mit dem Heizungscheck?
Auch mit dem Heizungscheck kann der Verbrauch reduziert werden. Was ich darüber hinaus aber besonders wichtig finde: Er regt die Leute dazu an, über ihren Energieverbrauch nachzudenken. Viele haben die Heizung im Winter bislang durchlaufen lassen, auch wenn sie tagsüber im Büro waren. Oder sie haben die Fenster bei voll aufgedrehter Heizung gekippt. So was dürfen wir uns im kommenden Winter nicht mehr leisten.
Wie kann der Bund Sie bei dem drohenden Ansturm unterstützen?
Kurzfristig ist das schwierig. Da fallen mir nur Kleinigkeiten ein: Zum Beispiel würde es schon helfen, wenn wir vor den Gebäuden in Städten mithilfe einer Ausnahmeregelung leichter parken könnten. Aber die großen Probleme, wie beispielsweise die Materialengpässe, lassen sich nicht so schnell beheben. Mehr Geld oder sonstige Prämien helfen aktuell auch nicht: Man kann die Fachkräfte schließlich nicht herbeizaubern. Der Handwerkermangel ist die Folge einer verfehlten Bildungspolitik. Da hat der Bund in den letzten Jahren viel versäumt.
Inwiefern?
Es hat sich die Vorstellung gefestigt, dass heute jeder Abitur machen und am besten noch studieren muss. Das ist schlicht Quatsch. Das Handwerk ist ein Job für die Zukunft – gerade sieht man das im Bereich Sanitär und Heizung besonders deutlich. Mit der Energiewende kommen große Veränderungen auf uns zu, hier gibt es sichere und finanziell lohnende Perspektiven. Der Bund muss intensiver daran mitwirken, das auch zu vermitteln.
Herr Schwarz, ich danke Ihnen für das Gespräch.
- Gespräch mit Wolfgang Schwarz