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Zinssenkung der EZB: Aufatmen ist nicht, Habeck irrt


Zinssenkung der EZB
Er will es nicht wahrhaben

MeinungVon Mauritius Kloft

06.06.2024Lesedauer: 3 Min.
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Robert Habeck: Der Wirtschaftsminister sieht positive Signale für die Wirtschaft – doch mit dem Aufschwung dauert's noch. (Quelle: IMAGO/imago)

Zum ersten Mal seit fünf Jahren senkt die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen. Doch wer glaubt, jetzt sei die Krise vorbei, irrt. Das gilt nicht zuletzt für Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Nein, eine Überraschung war die Mitteilung von Christine Lagarde nicht. Dass die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte fallen, wie die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag verkündete, hatten Investorinnen und Experten bereits erwartet. Interessant wird vielmehr, wie es jetzt mit der EZB weitergeht.

Doch wer jetzt ans Aufatmen denkt, verkennt den Ernst der Lage.

Denn eine weitere Zinssenkung in den nächsten Monaten ist keineswegs sicher. Im Gegenteil: Die Zeichen mehren sich, dass die EZB den Hauptrefinanzierungssatz – bisweilen "der Leitzins" genannt – die nächsten Monate auf dem hohen Niveau von 4,25 Prozent belassen wird. Maximal um einen weiteren Viertelprozentpunkt könnte es Experten zufolge noch heruntergehen. Auch Lagarde selbst hat angedeutet, vorsichtig zu agieren, stellt darauf ab, erst einmal die Daten zur Teuerung abzuwarten.

Und das mit gutem Grund. Denn die Inflation ist noch nicht komplett unter Kontrolle, wie auch die EZB-Chefin betont. So liegt die Teuerungsrate in der Eurozone bei 2,6 Prozent im Vergleich zum Mai 2023 – und damit noch immer oberhalb des von der Notenbank angestrebten Niveaus von 2 Prozent. Und sie könnte wieder anziehen.

Lohn-Preis-Spirale droht

Die Ursache dafür liegt in den aktuellen oder erst jüngst abgeschlossenen Tarifverhandlungen. Angesichts der gestiegenen Preise fordern Gewerkschaften nun höhere Löhne für die Arbeitnehmer – mit der Industriegewerkschaft BCE verhandelt derzeit die Vertretung der knapp 600.000 Chemiearbeiter um einen höheren Lohn. Die Forderung: satte 7 Prozent mehr Geld. Schon im ersten Quartal stiegen die Nominallöhne in Deutschland laut Bundesbank-Angaben um 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Damit droht ein Phänomen, das in der Volkswirtschaft als Lohn-Preis-Spirale bekannt ist. Es besagt, dass sich Preise und Löhne gegenseitig hochschaukeln. Weil Arbeitnehmer angesichts der Inflation dauerhaft mehr Lohn fordern und erhalten, steigen die Kosten für die Firmen. Diese wälzen sie wiederum in Form höherer Preise ab auf die Verbraucher, man spricht daher von Zweitrundeneffekten.

Das Problem: Es ist sehr schwierig, eine Lohn-Preis-Spirale wieder einzufangen. Dann müsste die EZB die Zinsen wieder anheben – was die insbesondere in Deutschland lahmende Wirtschaft erst recht abwürgen würde.

Signale sprechen nicht für eine Entlastung

Dass es zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt, ist zwar nicht ausgemacht. Doch abgesehen davon stehen die Zeichen anderswo ebenfalls auf Malaise. Allerdings will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das nicht wahrhaben. Für den Grünen-Politiker zeigen viele Indikatoren "nach oben". Grundsätzlich stimmt das zwar.

Erst im Frühjahr dieses Jahres hat Habecks Haus ein Wirtschaftswachstum von (lediglich) 0,3 Prozent prognostiziert, im kommenden Jahr rechnet es immerhin mit einem Plus von 1,0 Prozent. Die Prognosen der führenden Wirtschaftsinstitute deuten ebenfalls in diese Richtung: nach oben – allerdings auf allerniedrigstem Niveau.

Die Konjunktur in Deutschland schwächelt. Grund zur Freude ist das nicht.

Sicher, jede Entlastung auf der Zinsseite ist erst einmal hilfreich, um die Wirtschaft zu beleben. Kredite für Unternehmen und Privatpersonen werden günstiger, das steigert nicht zuletzt die Kauflaune. Und besonders die angeschlagene Immobilienbranche dürfte sich angesichts des Zinsschrittes vorsichtig freuen.

Gerade im Vergleich zu 2022 ist der jetzt erfolgte Zinsschritt aber nur marginal. Dass es alsbald zu weiteren Zinsschritten kommt, wie Habeck erwartet, ist fraglich. Und dass wir auf mittlere Sicht wieder zum Niveau von vor zwei Jahren zurückkehren – einem Leitzins von 0,0 Prozent – gilt absehbar als ausgeschlossen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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