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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Anlagetrend der Woche Donald Trump löst pure Euphorie aus

Zölle, geopolitische Spannungen, schwacher Dollar – und trotzdem steigen die Kurse. Was wie ein Erfolg aussieht, birgt eine gefährliche Kehrseite.
Stellen Sie sich vor: Jemand provoziert mit seiner Politik monatelang Chaos und Unsicherheit – und wird am Ende trotzdem gefeiert. Genau das passiert gerade bei Donald Trump. Trotz vieler umstrittener Entscheidungen ist die Stimmung an den US-Börsen so gut wie seit über einem Jahr nicht mehr. Die Aktienkurse in den USA erreichen neue Rekordstände – und genau darauf achtet Trump besonders, denn für ihn sind steigende Börsen ein Zeichen, dass seine Politik funktioniert.
Die Stimmung der Anleger wird in den USA beispielsweise über den Fear-and-Greed-Index (auf Deutsch: Angst-Gier-Index) gemessen. Dieser markierte passenderweise am Nationalfeiertag, dem 4. Juli, den höchsten Wert seit mehr als einem Jahr, erläutert Thomas Soltau von Smartbroker. Mit anderen Worten: Die Börsianer sind so gut gelaunt wie noch nie seit Donald Trumps Amtsantritt.

Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten. Sie erreichen ihn auf seinem Portal feingoldresearch.de. Alle Gastbeiträge von Daniel Saurenz lesen Sie hier.
Ärger? Welcher Ärger?
Trotz geopolitischer Reibungen, frischer Zölle wie zuletzt der 25-Prozent-Keule aus den USA für Japan und Südkorea, geldpolitischer Zwickmühlen und wachsender Konjunkturskepsis halten sich die großen Aktienindizes erstaunlich gut. "Weltweit notieren nahezu alle Leitindizes oberhalb ihrer 200-Tage-Linie – oft mit steigender Tendenz", so Vanyo Walter von RoboMarkets.
Eine Ausgangslage, die zumindest mittelfristig Chancen auf weitere Kursgewinne eröffnet. Doch wie so oft an der Börse: Gleichlauf sieht anders aus. Schon in den ersten Monaten des Jahres offenbarte sich ein deutliches Ungleichgewicht. Europas Indizes präsentierten sich in Frühform, legten zweistellig zu, während auf der anderen Seite des Atlantiks lange rote Vorzeichen dominierten.
Seit Juni hat sich das Blatt gewendet. "In Europa zeigt sich zum Beispiel beim Dax eine Konsolidierung auf hohem Niveau", so Experte Soltau. Trotz der scharfen Erholung nach dem Zollschock werden Buchgewinne nicht abgezogen – ein Zeichen für Substanz, nicht Spekulation. "In Deutschland glänzt vor allem die zweite und dritte Reihe. Der SDax übertrifft mit seiner Trendstärke aktuell den MDax und ist das beste deutsche Börsenbarometer 2025", so die Experten von Lynx-Broker.
America first – again
Ganz anders das Bild in den USA. Dort schalten der breite US-Index S&P 500 und der technologielastige Nasdaq 100 spürbar einen Gang höher. Getragen von stabilen Kapitalzuflüssen, der Aussicht auf Zinssenkungen und technischer Klarheit beschleunigt sich der Aufwärtstrend.
"Die lange bestehende Performancelücke zwischen US- und Europa-Indizes konnte sich in den letzten Wochen verkleinern und dreht sich zum Sommerstart sogar um", so Vanyo Walter. Auch historische Muster liefern Argumente für Optimisten: US-Aktien tendierten im zweiten Halbjahr traditionell dann stark, wenn sie – wie 2025 – bereits im Mai und Juni zulegen konnten.
In neun von zehn vergleichbaren Jahren fielen die Folgemonate bis zum Jahresende überdurchschnittlich aus. Der Juli sticht zusätzlich heraus: In 16 der letzten 17 Jahre notierte der Nasdaq 100 im Plus, mit einer durchschnittlichen Monatsrendite von über vier Prozent. Rückschläge waren meist moderat. Der maximale Verlust blieb in den meisten Fällen unter zwei Prozent. Dass ausgerechnet 2024 als einziger Ausreißer in der Statistik auftaucht, macht das Muster nicht weniger relevant – im Gegenteil.
Dollar schwach wie ewig nicht
Ein Schönheitsfehler allerdings bleibt – und der liegt nicht im Chart, sondern im Wechselkurs. "Der Euro hat gegenüber dem Dollar seit Februar rund 15 Prozent zugelegt. Er zeigt sich so schlecht wie seit den 70er-Jahren nicht mehr. Ein Faktor, der auf dem Papier stark steigende US-Indizes aus Sicht europäischer Anleger deutlich entwertet", rechnet Thomas Soltau vor.
In Euro gerechnet, notieren viele US-Barometer trotz jüngster Höhenflüge weiter im Minus. Die Währungsabsicherung, die in den vergangenen Jahren eher als akademisches Feintuning galt, ist bei manchen in den Fokus gerückt. Die Schwäche des Dollars war damit dank Trump für europäische Anleger kein Grund zur Freude.
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