Wer seinen Job behalten will, sollte sich an die Regeln halten
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Die Demo vom Wochenende zeigt: Nicht wenige Menschen sind die Corona-Regeln leid. Trotzdem sollten wir uns alle an die MaΓnahmen halten β schon aus wirtschaftlichem Eigeninteresse.
Die Zahlen sind deprimierend genug, um sehr nachdenklich zu werden: minus 10 Prozent. So dramatisch ist das Bruttoinlandsprodukt zwischen April und Juni geschrumpft, so viel Wohlstand wurde in wenigen Wochen vernichtet.
Nur wenn es jetzt gelingt, einen Aufschwung zu entfachen, der in das kommende Jahr trΓ€gt, werden die Folgen dieser dramatischen Verarmung begrenzbar bleiben. DafΓΌr gibt es eine Bedingung: Die Wirtschaft muss offen bleiben, die Unternehmen mΓΌssen arbeiten, die Konsumenten kaufen, die Kunden bestellen kΓΆnnen.
Damit es stabil aufwΓ€rts gehen kann, mΓΌssen leider auch diejenigen mitziehen, die fΓΌr sich selbst eine Ansteckung in Kauf nehmen wΓΌrden, oder die die BeschrΓ€nkungen insgesamt fΓΌr ΓΌbertrieben halten. Also auch jene, die am Wochenende gegen die Corona-MaΓnahmen in Berlin auf die StraΓe gingen.
Nur ohne Lockdown geht es mit der Wirtschaft bergauf
Denn die Wirtschaft kann ausschlieΓlich dann wieder in Schwung kommen, wenn der Warenaustausch und die Lieferketten, Unternehmensfinanzierungen und das Kreditwesen Fahrt aufnehmen. Das aber wird nur passieren, wenn die Unternehmer und BeschΓ€ftigten darauf vertrauen, dass keine neue Phase massiver BeschrΓ€nkungen droht.
Fehlt dieses Vertrauen, werden auch alle staatlichen MilliardenfΓΆrderungen nicht funktionieren. Sie wΓΌrden verpuffen und nur einen gigantischen Schuldenberg hinterlassen, den am Ende alle abtragen mΓΌssen.
Die Mehrheit trΓ€gt die Corona-EinschrΓ€nkungen mit
Demokratische Gesellschaften sind durch das Mehrheitsprinzip bestimmt. Wer bei einer Abstimmung unterliegt, beugt sich der Auffassung der anderen Seite selbstverstΓ€ndlich, auch wenn er sie fΓΌr falsch hΓ€lt. Er kann dagegen auf die StraΓe gehen und demonstrieren, vor Gerichten klagen, und fΓΌr seine Auffassung werben.
Und doch muss der Mehrheitsbeschluss respektiert werden. Das gilt auch fΓΌr die Corona-BekΓ€mpfung.
Auf rund sechs Prozent wird das Erholungspotenzial fΓΌr die Wirtschaft in den Monaten Juli, August und September geschΓ€tzt. Das wΓ€re ein fulminantes Comeback. Dennoch wird es auch im gΓΌnstigsten Fall bis zum Ende des kommenden Jahres dauern, bevor die Wachstumsdelle dieses FrΓΌhjahrs wettgemacht wΓ€re.
Noch kΓΆnnte alles glimpflich ausgehen
Der gΓΌnstigste Fall sieht so aus: Die Menschen und die Unternehmer schΓΆpfen nach und nach Hoffnung, dass die Krise zu Ende geht. Ihre Furcht vor drohender Arbeitslosigkeit oder Insolvenz wird geringer, sie kaufen wieder ein, und ziehen wegen des Konjunkturpakets vielleicht sogar ein paar Anschaffungen oder Investitionen vor.
Embed
Die Angst, dass es wegen steigender Infektionen zu einem erneuten Herunterfahren des ΓΆffentlichen Lebens kommen kΓΆnnte, nimmt nach und nach ab. Der Aufschwung der Binnenwirtschaft speist sich aus einer Mischung von Zuversicht und staatlichen Motivationsprogrammen.
Doch fΓΌr die Konjunktur reicht es nicht aus, wenn das im eigenen Land passiert. Auch bei den Hauptexport- und -importlΓ€ndern Deutschlands mΓΌsste eine solche Entwicklung einsetzen, damit auch der AuΓenhandel wieder anzieht.
Die USA sind ein mahnendes Beispiel
Ein Blick in die USA lehrt, wie trΓΌgerisch die Erwartung einer weltweiten Erholung sein kann. Hier ist die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um deutlich mehr als zehn Prozent eingebrochen, und Besserung ist erst einmal nicht in Sicht. Die ersten Hilfspakete laufen in diesem Land schon aus, obwohl die Infektionswelle ihren HΓΆhepunkt in vielen Gebieten gerade erst erreicht.
Man muss schon ziemlich naiv sein zu glauben, dass die Amerikaner trotz der tiefen Wirtschaftskrise weiterhin so begeistert deutsche Autos einkaufen wie vor der Krise. Oder dass australische oder spanische Unternehmen bei den deutschen Maschinenbauern neue Produktionsanlagen bestellen, wenn ihnen der nΓ€chste Lockdown droht.
Auf die Ausbreitung des Virus in den USA oder Australien haben deutsche BΓΌrger keinen Einfluss.
Aber wenigstens hier kΓΆnnen sie mit dafΓΌr sorgen, dass die wirtschaftliche Erholung nicht durch vermeidbare Risiken gestoppt wird. Wenn schon nicht aus Einsicht oder Γberzeugung β dann doch wenigstens aus eigenem Interesse.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".