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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Überraschende Nebenwirkung HIV-Medikamente könnten Alzheimer vorbeugen

HIV-Medikamente könnten mehr leisten, als bislang gedacht: Sie senken offenbar das Risiko für Alzheimer. Eine neue Studie zeigt, wie groß der Schutzeffekt sein könnte.
Alzheimer gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Alter. Bisher fehlen allerdings wirksame Medikamente zur Vorbeugung. Jetzt zeigen Forschende der University of Virginia in den USA in einer großangelegten Analyse: Bestimmte Medikamente gegen HIV und Hepatitis B könnten das Alzheimer-Risiko deutlich senken.
Welche Medikamente können helfen und wie wirken sie?
Die Entdeckung betrifft eine weitverbreitete Wirkstoffgruppe, sogenannte NRTIs – nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer. Die Medikamente wurden ursprünglich entwickelt, um die Vermehrung von HI-Viren im Körper zu stoppen. Doch ein Forschungsteam um Dr. Jayakrishna Ambati von der University of Virginia hatte einen Mechanismus gefunden, mit dem diese Klasse von Medikamenten auch Alzheimer verhindern könnte.
Sie fanden heraus, dass die antiviralen Wirkstoffe sogenannte Inflammasomen im Körper blockieren. Das sind Bestandteile des Immunsystems, die bei Alzheimer überreagieren. Sie schlagen im Gehirn fälschlich Alarm und lösen chronische Entzündungen aus – ein Vorgang, der das Fortschreiten der Krankheit fördert. Genau hier setzen NRTIs an: Sie verhindern diese überaktive Immunreaktion.
Medikamente können Risiko jährlich reduzieren
Nach dieser Entdeckung wollten die Forschenden herausfinden, ob Menschen, die solche Medikamente einnehmen, tatsächlich seltener an Alzheimer erkrankten. Dafür analysierten sie zwei große US-Datenbanken mit Gesundheitsdaten von über 270.000 Patientinnen und Patienten. In die Analyse einbezogen wurden Menschen ab 50 Jahren, die wegen HIV oder Hepatitis B NRTIs regelmäßig einnahmen – aber bislang keine Alzheimer-Diagnose hatten.
Das Ergebnis: Je länger die Betroffenen die Medikamente einnahmen, desto geringer war ihr Risiko, an Alzheimer zu erkranken. In einer Datenbank sank das Risiko jährlich um sechs Prozent, in der anderen sogar um 13 Prozent.
Wichtig: Um Verzerrungen zu vermeiden, berücksichtigte das Team zahlreiche Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, chronische Krankheiten, Depressionen und frühere Hirnverletzungen.
Potenzial für Millionen – aber nicht ohne Risiken
Die Forschenden betonen: Andere HIV-Medikamente zeigten diesen Zusammenhang nicht. Nur NRTIs wirkten schützend. Würde man diese Medikamente gezielt einsetzen, ließen sich ihrer Schätzung nach weltweit jedes Jahr bis zu eine Million Alzheimer-Fälle verhindern.
Noch ist es aber zu früh, um die Medikamente in der ärztlichen Praxis zur Vorbeugung von Alzheimer einzusetzen. Denn die Auswertung zeigt lediglich einen Zusammenhang – keinen eindeutigen Beweis für die Wirkung. Doch eine erste kleine Studie mit Alzheimer-Patientinnen und Patienten ist laut den Forschenden bereits im Gange. Erste klinische Ergebnisse werden daher zeitnah erwartet.
Zudem arbeiten die Wissenschaftler der University of Virginia bereits an einem verbesserten Wirkstoff namens "K9", der gezielt Inflammasomen blockieren soll – mit weniger Nebenwirkungen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen dieser Arzneiklasse gehören etwa: Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen, Blutarmut und allergische Reaktionen.
- news.med.virginia.edu: "HIV Drugs Offer Substantial Alzheimer’s Protection, Research Indicates" (Stand: Mai 2025; Englisch)
- dzne.de: "Alzheimer-Staffellauf entfacht Nervenfeuer im Kopf"
- flexikon.doccheck.com: "Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren"
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.