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Wetter in Deutschland: "Es hört nicht auf, Frühling zu sein, weil Krieg herrscht"


Psychologin zum Wetter
"Es hört nicht auf, Frühling zu sein, weil Krieg herrscht"

InterviewVon Sandra Simonsen

Aktualisiert am 15.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Frühlingswetter: Nicht bei allen sorgt der Sonnenschein für gute Laune.Vergrößern des Bildes
Frühlingswetter: Nicht bei allen sorgt der Sonnenschein für gute Laune. (Quelle: Pixsell/imago-images-bilder)

Sonnenschein, blauer Himmel, Blumen – und im Kontrast dazu Bilder aus dem Ukraine-Krieg, hohe Corona-Infektionszahlen, Angst. Eine Psychologin erklärt, wie unterschiedlich Menschen darauf reagieren.

Nach ein paar verregneten Tagen kommt die Sonne pünktlich zum Osterfest wieder zurück. Je nach Region werden in dieser Woche teilweise sogar mehr als 20 Grad, Sonnenschein und blauer Himmel erwartet. Gleichzeitig fallen in der Ukraine die Bomben, an Bahnhöfen kommen Tausende Flüchtlinge an und die Corona-Pandemie zeigt sich täglich mit unzähligen Infektionen.

Das widerspricht sich, sorgt beim einen für gute Laune, aber vielleicht ein schlechtes Gewissen, für den anderen ist der Frühling generell die schlimmste Jahreszeit. t-online hat mit der Psychologin Nora Blum darüber gesprochen, wie der Spagat zwischen bedrückender Weltsituation und schönem Wetter gelingen kann.

t-online: Das Wetter widerspricht aktuell der Weltsituation: Was macht das mit den Menschen?

Nora Blum: Der Frühling hat insgesamt eine sehr spaltende Wirkung auf die Menschen. Bei denjenigen, denen es gut geht, verstärkt das schöne Wetter die gute Laune sehr und löst viele Glücksgefühle aus. Dafür sorgen das Licht, die vielen bunten Farben und die Produktion von Serotonin.

Aber das ist nicht bei allen Menschen so?

Leider nein. Für Menschen mit Depressionen ist der Frühling oft die schlimmste Jahreszeit. Das ist auch die Jahreszeit mit der höchsten Suizidrate. Das Problem ist, dass die Außenwelt in einer so starken Diskrepanz zur Innenwelt steht.

Draußen sind alle fröhlich, genießen das Wetter und freuen sich – Betroffene hingegen fühlen dadurch ihre innere Leere und Dunkelheit umso deutlicher. Das verstärkt den Eindruck, isoliert und unverstanden zu sein. Das ist der grundlegende Effekt des Frühlings.

(Quelle: Selfapy)


Nora Blum ist CEO und Gründerin der Online-Therapie-Plattform "Selfapy". Sie hat an der University of Cambridge Psychologie studiert, verschiedene Arbeitsstationen im klinischen Bereich durchlaufen und ist danach schließlich in die Wirtschaft gewechselt. Vor fünf Jahren hat sie "Selfapy" gegründet.

Ist das etwas, was durch den Ukraine-Krieg und die Pandemie noch verstärkt wird?

Ich kann mir vorstellen, dass das ein Effekt ist, der jetzt auch bei Menschen eintreten könnte, die sich durch die aktuelle Weltsituation stark belastet fühlen. Das kennen viele auch selbst: Diese Gegensätzlichkeit zwischen inneren Ängsten und der blühenden Freude draußen. Das löst ganz gemischte Gefühle bei jedem aus. Diese Zwiespaltigkeit müssen wir aushalten und damit leben. Aber das ist gar nicht so einfach.

Was könnte man tun, um die Betroffenen nicht zusätzlich zu belasten?

Sie können auf jeden Fall probieren, Pauschalsätze zu vermeiden. Also so etwas wie "Es ist doch so schönes Wetter, jetzt komm mal mit raus" oder "Das Wetter ist doch so schön, es gibt gar keinen Grund für schlechte Laune".

Diese Sätze verstärken das Gefühl des Unverstandenseins und üben Druck aus. Stattdessen sollten Sie Verständnis entgegenbringen. Zusätzlich können Sie Angebote machen, etwas zu unternehmen – allerdings ohne genervt oder frustriert zu sein, wenn das Gegenüber ablehnt.

Hat das Wetter denn immer diesen Einfluss auf die Menschen oder ist der Effekt durch Krieg oder Pandemie aktuell verstärkt?

Manches, was das Wetter mit sich bringt, berührt einfach unsere Sinne. Die ganzen Farben der Blumen, das Licht der Sonne, das Vögelzwitschern: Das sind alles Effekte, die unabhängig von der Weltsituation da sind. Es hört ja nicht auf, Frühling zu sein, weil Krieg herrscht. Und diejenigen, die sich noch nicht zu belastet fühlen, sollten den Frühling auch ohne schlechtes Gewissen genießen. Aktuell gibt es einfach eine Zeit, in der man viele verschiedene Gefühle haben kann.

Und hat schlechtes Wetter automatisch den umgekehrten Effekt – wird bei Regen und Kälte alles noch schlimmer?

Das hat natürlich den gleichen Effekt in die andere Richtung. Für Depressive ist der Winter oder die dunkle Jahreszeit häufig die beste, weil dann das Außen auch das Innen spiegelt. Hinzu kommt, dass der Druck, etwas zu unternehmen, nicht so hoch ist. Es gibt dann sozusagen einen Grund, sich zu Hause zu verkriechen. Dadurch fühlen sie sich im Winter wohler.

Was bedeutet das für gesunde Menschen?

Für diejenigen, die nicht an Depressionen erkrankt sind, kann das schlechte Wetter das Gefühl von Gefahr, Unwohlsein und Angst noch verstärken.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Blum!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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