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Brexit: Jetzt muss Premier Boris Johnson vor dem Parlament zittern


Jetzt entscheidet das Parlament
Johnsons Zittern vor der Abstimmung

Von Peter Riesbeck, Brüssel

Aktualisiert am 18.10.2019Lesedauer: 4 Min.
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Der britische Premierminister Boris Johnson: Bis Samstag muss er das Parlament überzeugen, seinem Deal zuzustimmen.Vergrößern des Bildes
Der britische Premierminister Boris Johnson: Bis Samstag muss er das Parlament überzeugen, seinem Deal zuzustimmen. (Quelle: Reuters-bilder)

Großbritanniens Premier Boris Johnson feiert seinen Brexit-Deal – doch jetzt entscheidet das britische Unterhaus über das Abkommen. Drei Szenarien könnten Johnson drohen.

Boris Johnson genoss seinen Triumph auf dem Brexit-Gipfel. "Das ist ein großartiges Abkommen, sowohl für das Vereinigte Königreich als auch die EU", sagte der britische Premierminister auf Ebene 20 des EU-Ratsgebäudes. Dort liegt der britische Pressesaal gleich neben denen Frankreichs und der Bundesrepublik. So brechend voll war es auf Johnsons Pressekonferenz auf dem EU-Gipfel, dass sein Vortrag auch nebenan bei den Franzosen übertragen wurde.

Boris Johnson hatte die Bühne übernommen. Und er wirkte bei diesem Auftritt in Brüssel zum ersten Mal wie ein Staatsmann.

Aus Johnson wird niemand so recht schlau

So ganz schlau wird man aus diesem egozentrischen Politiker ja nicht. Seine Vorgängerin im Amt des Premiers, Theresa May, hatte er mit ihrem Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus so lange auflaufen lassen, bis diese entnervt aufgab. Nun hatte Johnson eine Übereinkunft erreicht, in dem das B-Wort Backstop nicht mehr vorkommt, Nordirland verbleibt in der Zolleinheit mit dem britischen Festland. Johnsons Deal unterscheidet sich nicht so sehr von Mays Werk.

Dennoch feierte der Premier sein Abkommen.

Johnson, der Nein-Sager, ist plötzlich ein Dealmaker. Das kostete er staatsmännisch aus, schwärmte von Freihandelsabkommen und lobte in Brüssel selbst seinen "Freund Jean-Claude", den EU-Kommissionspräsidenten. Lob aus London für die EU! Wann hat es das je gegeben?!


Es war eben ein besonderer Gipfel. Schließlich steigt mit Großbritannien erstmals ein Staat aus der EU aus. So ließ Johnson Frage über Frage geduldig über sich ergehen. Selbst auf die eine antwortete er gelassen. Ob er denn im Unterhaus eine Mehrheit für sein Abkommen finde? "Ich bin sehr zuversichtlich, dass – wenn meine Freunde im Parlament dieses Abkommen studieren – sie am Samstag dafür stimmen werden", sagte Johnson. Der Premier weiß, worauf es jetzt ankommt: das britische Unterhaus.

So weit war Theresa May auch schon

Es heißt jetzt London Calling. Johnson hat zwar einen Deal mit der EU erreicht. Aber so weit war Theresa May auch schon. Am Samstag stimmt das britische Unterhaus über Johnsons Einigungswerk ab. Sein nordirischer Koalitionspartner DUP signalisierte bereis Ablehnung. Ebenso der Chef der oppositionellen Labour-Partei Jeremy Corbyn. Zudem haben in den vergangenen Wochen 21 Abgeordnete Johnsons Conservative Party verlassen. Aber einen mächtigen Fürsprecher hat Johnson vor der Abstimmung am Samstag. "Ich bin sehr glücklich über den Deal, den Premierminister Boris Johnson mit der EU erreicht hat", erklärte Jacob Rees-Mogg, der einflussreiche Einflüsterer der harten Brexiteers.

Auch in Brüssel erhielt Johnson Unterstützung. "Klar ist, dass wir dem britischen Parlament diese Entscheidung zutrauen. Das ist ein altes, erfahrenes und weises Parlament", sagte Kanzlerin Angela Merkel in der Nacht zu Freitag. Auch die EU hofft auf einen geordneten Abschied Großbritanniens.

Drei Szenarien machten auf den Gipfelfluren die Runde:

  • Szenario 1 ist einfach: Johnson kriegt seinen Deal durch. Das Vereinigte Königreich verlässt zum 31. Oktober die EU. Vorbehaltlich der Zustimmung des Europaparlaments ist das machbar. So besagt eine Übergangsfrist im Vertrag, dass sich bis Ende 2020 an den bestehenden Regelungen mit der EU ohnehin nichts ändert.
  • Szenario 2 klingt unwegsamer: Johnson scheitert im Unterhaus und bittet – wie vom Unterhaus im "Benn-Act" beschlossen – bei der EU um Aufschub für die Verlängerung. Dem müssten die EU-Staaten zustimmen. Gerüchte kursierten, wonach zu einem Fristaufschub wenig Neigung besteht. Also doch ein harter Brexit? Oder eine Drohkulisse, um die britischen Abgeordneten zu einem "Yes" zu bewegen? "Wir haben uns nicht mit allen Wenn und Aber befasst", hielt sich Merkel bedeckt.
  • Szenario 3 ist am waghalsigsten: Johnson scheitert im Parlament. Übergeht aber den Unterhausbeschluss, wonach er um eine Verlängerung ersuchen muss. Schließlich hat er geliefert. Er hat einen Vertrag mit der EU angeschleppt und die Bedingung der Abgeordneten erreicht. Das ist rechtlich riskant, aber nicht undenkbar. Auch dann drohte ein harter Brexit zum 31. Oktober. "Wir haben uns alle zum Ziel gesetzt, dass Großbritannien geordnet die EU verlässt", beharrte Merkel.

So schaut Europa am Samstag nach London. Dabei ist das Votum noch nicht bindend. Erst Montag steht die gesetzlich verbindliche Abstimmung an. Genug Zeit für Johnson, um für seinen Deal zu werben.

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In Brüssel macht sich die kleiner werdende EU derzeit an ihre Agenda. Am Freitag präsentierte die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Staats- und Regierungschefs ihr Programm. Von der Leyen will in Brüssel in einem kleinen Apartment hinter ihrem Büro im Kommissionsgebäude Quartier beziehen. Europa gibt sich erst einmal bescheiden.

Der Brexit-Fahrplan
Samstag, 19. Oktober: Das britische Unterhaus stimmt über den Brexit-Deal von Boris Johnson ab. Gesetzlich ist das Votum nicht bindend.
Montag, 21. Oktober: (Termin noch nicht bestätigt): Das britische Parlament entscheidet in seiner regulären Sitzung über den Austrittsvertrag. Gesetzlich bindend.
Donnerstag, 24. Oktober: Voraussichtliche Abstimmung des Europäischen Parlaments.
Samstag, 1. November: Großbritannien ist raus aus der EU. Wird der Vertrag angenommen, gelten die EU-Regelungen weiter bis Ende 2020. Fällt er durch, droht ein harter Brexit. Es sei denn, die EU-Staaten billigen auf einem Sondergipfel eine weitere Verlängerung.

Die jüngsten Tage zeigten, wo es klemmt. Das türkische Vorgehen in Syrien verurteilten die Staats- und Regierungschefs der EU einmütig. Den Waffenstillstand aber handelten die USA aus. Außenpolitisch ist die EU zu selten ein wichtiger Player. Durch den Verlust der britischen Schlagkraft wird das nicht besser.


Auch um den neuen Finanzplan für die Jahre bis 2027 wird gerungen. Es ist die Eine-Billion-Euro-Frage. 1,1 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft wünscht EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Staaten wie Deutschland und die Niederlande wollen maximal 1 Prozent zugestehen. Die Forderung ist alt. Beim letzten Haushaltsstreit vor sieben Jahren pochte ein anderer auf der Ein-Prozent-Grenze: der damalige britische Premier David Cameron. Großbritannien geht, die Konflikte bleiben.

Verwendete Quellen
  • eigene Recherche
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