Scholz reist in die USA - Rufe nach Waffenlieferungen lauter

Berlin/Washington/Moskau (dpa) - Kurz vor dem Antrittsbesuch von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Washington werden die Rufe nach einer Korrektur der ablehnenden deutschen Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine lauter.
Die Ukraine selbst ΓΌbermittelte der Bundesregierung angesichts des Dauerkonflikts mit Russland eine Liste mit WaffenwΓΌnschen. Der republikanische US-Senator Jim Risch forderte Deutschland auf, seinen Kurs zu ΓΌberprΓΌfen. Im Rahmen der angekΓΌndigten VerstΓ€rkung der Truppen in Europa landeten am Samstag die ersten zusΓ€tzlichen amerikanischen Soldaten in Polen. Russland schickte fΓΌr ein ManΓΆver Kampfflugzeuge ins Nachbarland Belarus.
Die diplomatischen BemΓΌhungen um eine LΓΆsung des Konflikts liefen unterdessen weiter. Parallel zum Scholz-Termin bei US-PrΓ€sident Joe Biden ist Frankreichs PrΓ€sident Emmanuel Macron am Montag bei Kremlchef Wladimir Putin in Moskau. Zusammen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson betonte Macron nach einem Telefonat am Samstag, dass die Nato angesichts der "russischen Aggression" geeint bleiben mΓΌsse. Scholz wird dann in der Woche danach im Kreml erwartet und auch in der Ukraine.
Im Westen wird angesichts von Berichten ΓΌber den Aufmarsch von mehr als 100.000 russischen Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine befΓΌrchtet, dass der Kreml einen Einmarsch ins Nachbarland plant. Moskau bestreitet das. FΓΌr mΓΆglich wird auch gehalten, dass die russische Seite Γngste schΓΌren will, um die Nato zu ZugestΓ€ndnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.
Die erste kleinere Gruppe von weiteren US-Soldaten landete nach polnischen Angaben am Samstag am Flughafen in Jasionka bei Rzeszow. Das Hauptkontingent wird am Sonntag erwartet. Insgesamt sollen aus den Vereinigten Staaten 1700 Soldaten in das Nato-Partnerland entsandt werden, weitere 300 nach Deutschland. Aus Deutschland wiederum sollen 1000 US-Soldaten nach RumΓ€nien verlegt werden. Biden hatte die Aufstockung angekΓΌndigt, um die Ostflanke der Nato zu stΓ€rken.
Russland verlegte wenige Tage vor Beginn eines umstrittenen MilitΓ€rmanΓΆvers Kampfflugzeuge des Typs Suchoi Su-25SM auf MilitΓ€rflugplΓ€tze im Gebiet von Brest nahe der polnischen Grenze. Zur genauen Zahl machte das Ministerium keine Angaben. Belarus und Russland betonen, die Verlegung habe reinen Γbungscharakter. Das ManΓΆver soll am 10. Februar beginnen.
Der Kreml warnte angesichts der Spannungen vor Falschmeldungen und Panikmache in westlichen Medien. Zuvor hatte ein US-Medium bereits den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine gemeldet - nach eigenen Angaben aus Versehen. Dies zeige einmal mehr, wie gespannt und gefΓ€hrlich die Lage sei, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Staatsagentur Tass. Die Spannungen wΓΌrden "provoziert durch tΓ€gliche aggressive Mitteilungen, die wir aus Washington, aus den europΓ€ischen HauptstΓ€dten, aus London hΓΆren".
Die Ukraine bittet die Bundesregierung in ihrem Schreiben ans AuΓen- und Verteidigungsministerium nach Informationen der "SΓΌddeutschen Zeitung" um Flugabwehr-Raketensysteme mittlerer Reichweite, tragbare Flugabwehr-Raketensysteme, Anti-Drohnen-Gewehre, Mikrowellen-ZerstΓΆrungssysteme, elektronische Ortungssysteme, NachtsichtgerΓ€te, Γberwachungskameras und Munition. Es werde betont, dass es sich um "Waffensysteme defensiver Natur" handele. Die Bundesregierung lehnt solche Lieferungen ab.
US-Senator Risch sagte der Deutschen Presse-Agentur in Washington: "Ich bin mir zwar der langjΓ€hrigen deutschen Politik in Bezug auf Waffenlieferungen bewusst, aber die Situation in der Ukraine, und darΓΌber besteht Einstimmigkeit bei den Nato-VerbΓΌndeten, ist so einzigartig, dass Deutschland seine Haltung ΓΌberdenken sollte." Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel SchΓ€fer sagte dazu: "Wir verbitten uns jede Belehrung einer Partei, die den Sturm auf das Kapitol als demokratische Aktion rechtfertigt."
Der CDU-AuΓenpolitiker Norbert RΓΆttgen nannte Rischs Position vertretbar. "Aber es gibt auch gute Argumente fΓΌr die deutsche Position", sagte er der dpa. Deutschland unterstΓΌtze die Ukraine finanziell, wirtschaftlich und im Aufbau des Staats stΓ€rker als jedes andere Land. "Deutsche Waffenlieferungen hΓ€tten den Preis, dass GesprΓ€chsmΓΆglichkeiten mit Moskau, die andere so nicht haben, zerstΓΆrt wΓΌrden. Das wollen manche, aber damit wΓ€re niemand gedient."