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Nahost: Was für eine Zwei-Staaten-Lösung für Palästina und Israel spricht


Mehrere Länder wollen Palästina anerkennen
Was ist die Zweistaatenlösung?

Von dpa, t-online, JAF

Aktualisiert am 28.05.2024Lesedauer: 7 Min.
imago images 0366345807Vergrößern des BildesFahnen von Israel und Palästina auf einer Mauer (Symbolfoto): Es wird über eine Zweistaatenlösung diskutiert. (Quelle: IMAGO/Christian Ohde/imago)
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Auch wenn in Israel wenig Offenheit für die Option besteht, sprechen sich mehrere Länder für eine Zweistaatenlösung aus. Doch was würde das bedeuten?

Nach Norwegen werden auch Irland und Spanien Palästina offiziell als eigenen Staat anerkennen. Die drei Länder erhoffen sich dadurch einen Impuls für die sogenannte Zweistaatenlösung, wonach Israelis und Palästinenser in Zukunft friedlich nebeneinander leben sollen.

Auch Deutschland und die USA sprechen sich grundsätzlich für zwei Staaten aus, wollen aber vorher Verhandlungen zwischen Israel und Palästina. Doch wie würde eine Zweistaatenlösung aussehen und wie stehen die Beteiligten dazu? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum erkennen Norwegen, Irland und Spanien Palästina als Staat an?

Seit den Friedensbemühungen mit den Osloer Verträgen vor etwas mehr als 30 Jahren hätten Norwegen und viele andere Länder versucht, eine Strategie zu verfolgen, bei der die Anerkennung einer Friedenslösung folgen würde, sagte Norwegens Regierungschef Støre. "Das hat nicht funktioniert." Mehrere Gründe hätten dazu geführt, dass es richtig sei, Palästina jetzt anzuerkennen. Besonders der anhaltende Krieg in Gaza. Der Krieg sei der Tiefpunkt einer langfristigen negativen Entwicklung zwischen beiden Gebieten.

"Die Zeit zum Handeln ist gekommen", sagte Spaniens Ministerpräsident Sánchez in Madrid. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe trotz aller Aufrufe die "Zerstörung des Gazastreifens fortgesetzt" und bestrafe die Palästinenser weiter "mit Hunger und Terror", so der sozialistische Politiker.

"Man kann keine Zweistaatenlösung haben, wenn man nicht die Existenz beider Staaten anerkennt", sagte Irlands Regierungschef Simon Harris der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge. Sie wollten diese Hoffnung und dieses Ziel aufrechterhalten, während andere versuchten, es in die Vergessenheit zu bomben.

Die Arabische Liga und mehrere arabische Staaten begrüßten die Ankündigung zur Anerkennung Palästinas. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, postete auf der Plattform X: "Ich gratuliere Palästina zu dieser positiven Entwicklung." Andere Länder sollten dem Beispiel folgen, forderte Gheit.

Wie reagiert Israel auf die geplante Anerkennung?

Israel lehnt eine Anerkennung Palästinas strikt ab. Der israelische Außenminister Israel Katz warf etwa dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez vor, sich an Aufwiegelung zum Mord am jüdischen Volk und zu Kriegsverbrechen zu beteiligen. Katz schrieb am Dienstag auf X: "(Irans Religionsführer Ajatollah Ali) Chamenei, (Hamas-Chef Jihia) al-Sinwar und (die spanische stellvertretende Ministerpräsidentin) Yolanda Díaz rufen zur Zerstörung des Staates Israel und zur Einrichtung eines palästinensischen islamistischen Terrorstaates vom Fluss bis zum Meer auf."

An Sánchez gerichtet schrieb Katz weiter: "Wenn Sie Ihre Stellvertreterin nicht entlassen und die Anerkennung eines palästinensischen Staates erklären – sind Sie an der Aufwiegelung zum Mord am jüdischen Volk und zu Kriegsverbrechen beteiligt." Die Politikerin Díaz hatte in einem auf X geposteten Video am Ende gesagt: "Palästina wird frei sein vom Fluss bis zum Meer." Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer – dort, wo sich jetzt Israel befindet. Die Formulierung ist umstritten, weil sie den palästinensischen Hoheitsanspruch ausdrückt und Israels Existenzrecht verneint. Aus israelischer Sicht ist es ein Aufruf zur Vertreibung oder Tötung der Juden im Staat Israel.

Die israelische Regierung hatte sich bereits in der vergangenen Wochen über die Ankündigung empört, dass die drei Staaten Palästina anerkennen wollen. Die Regierung hatte daher die Botschafter der drei Länder ins Außenministerium einbestellt, um ihnen eine Rüge zu erteilen.

Was ist die Zweistaatenlösung?

Das Modell, das wieder verstärkt ins Spiel gebracht wird, ist die sogenannte Zweistaatenlösung. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel lebt. Bundeskanzler Olaf Scholz hat in der jüngeren Vergangenheit mehrfach auf diese Regelung hingewiesen und die Hoffnung geäußert, dass nach einem Sieg über die terroristische Hamas die Chancen auf eine friedliche Koexistenz zweier Staaten realistischer sein könnte als in den vergangenen Jahren.

Es gebe keine Klarheit über das Staatsgebiet und andere Fragen, sagte Scholz vergangene Woche. Es sei "noch nicht so weit". Was stattdessen gebraucht werde, sei "eine verhandelte Lösung zwischen Israel und den Palästinensern, die auf eine Zweistaatenlösung hinausläuft".

Auch US-Präsident Joe Biden schrieb in einem Meinungsstück in der "Washington Post": "So viel ist klar: Eine Zweistaatenlösung ist der einzige Weg, um die langfristige Sicherheit sowohl des israelischen als auch des palästinensischen Volkes zu gewährleisten". Obwohl es im Moment den Anschein habe, als sei diese Zukunft nie weiter entfernt gewesen, "ist sie durch die Krise dringender denn je geworden".

Die Anerkennung Palästinas löste dennoch Kritik aus. "Wir glauben, dass eine Zweistaatenlösung, die sowohl den Israelis als auch den Palästinensern gerecht wird, nur über direkte Verhandlungen zwischen den Parteien erzielt werden kann", sagte Jake Sullivan, Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, in Washington.

Warum herrscht in Nahost immer noch kein Frieden?

Es gab immer wieder intensive Bemühungen um eine friedliche Einigung zwischen Israel und den Palästinensern, vor allem vonseiten der USA. US-Präsidenten wie George W. Bush, Bill Clinton und Barack Obama, auch Donald Trump, investierten zwar viel, scheiterten aber letztlich an einer dauerhaften Kompromissfindung. Störmanöver gab es immer wieder von beiden Seiten.

Clinton sagte rückblickend, er habe sich "umgebracht" im Versuch, den Palästinensern zu einem eigenen Staat zu verhelfen. "Ich hatte einen Deal, den sie abgelehnt haben", erzählte er 2016. "Er hätte ihnen den ganzen Gazastreifen, 96 bis 97 Prozent des Westjordanlands mit Landkompensation in Israel gegeben."

Das letzte bekannte Angebot an Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kam 2008 vom damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert. Auch er bot Abbas nach Medienberichten fast das gesamte Westjordanland, die arabischen Viertel Ost-Jerusalems sowie die Altstadt unter internationaler Kontrolle an. Abbas sagte später, Olmert habe ihn gedrängt zu unterzeichnen, ohne ihm die gezeigte Landkarte zum genaueren Studium zu überlassen. Kurz darauf musste Olmert sein Amt wegen Korruptionsvorwürfen abgeben.

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Letztlich scheiterten die Verhandlungen daran, dass beide Seiten sich nicht in den Knackpunkten des Konflikts einigen konnten: der künftige Grenzverlauf, die palästinensische Flüchtlingsfrage, der Status von Jerusalem, die Siedlungen sowie die Verteilung von Ressourcen, besonders Wasser.

Als hoffnungsvollste Zeit der Friedensbemühungen galt die Unterzeichnung der Osloer Friedensabkommen 1993. Die gemeinsame Prinzipienerklärung führte zur Einrichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Sie ist zuständig für die Versorgung der Bevölkerung in den von ihr verwalteten Gebieten. Diese Regelung war allerdings ursprünglich nur auf einen Zeitraum von fünf Jahren angelegt – langfristige Hoffnungen auf einen eigenen Staat für die Palästinenser blieben bis heute unerfüllt. Seit 2014 hat es keine ernsthaften Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern mehr gegeben. Die Unterstützung für eine Zweistaatenlösung sank danach – auf beiden Seiten.

Was ist das größte Hindernis für eine Friedensregelung?

Israel hat seit der Eroberung des Westjordanlands im Sechstagekrieg 1967 seine umstrittenen Siedlungen dort systematisch immer weiter ausgebaut. 1993 lebten rund 110.000 israelische Siedler im Westjordanland. Heute ist die Zahl auf etwa eine halbe Million gestiegen, einschließlich Ost-Jerusalems sind es sogar 700.000 Menschen. Die Siedler leben inmitten von drei Millionen Palästinensern. Die Vereinten Nationen haben diese Siedlungen als großes Hindernis für eine Friedensregelung eingestuft, weil sie kaum noch ein zusammenhängendes Territorium für die Palästinenser zulassen.

Gewalttätige Attacken von Siedlern auf Palästinenser haben sich während des Gaza-Kriegs noch deutlich verschärft. Palästinenser klagen auch immer wieder über massive Einschränkungen ihres täglichen Lebens durch die seit 56 Jahren andauernde israelische Besatzung.

Was wollen die Kriegsparteien?

Die islamistische Terrororganisation Hamas hat seit Beginn des Friedensprozesses immer wieder darauf abgezielt, diesen mit blutigen Anschlägen auf Israelis zu torpedieren. Sie hat kein Interesse an einer friedlichen Koexistenz, sondern will vielmehr den Konflikt anheizen. Ihr Endziel ist die Einrichtung eines islamisch geprägten Staates auf dem Gebiet des gesamten historischen Palästina; den Staat Israel will die Hamas zerstören.

Vor dem Hintergrund einer Welle blutiger Anschläge der Hamas wurde der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu 1996 zum ersten Mal gewählt. Sein Amtsvorgänger Jitzchak Rabin war von einem jüdischen Fanatiker ermordet worden, der weitere Gebietskonzessionen an die Palästinenser verhindern wollte.

Es wird Netanjahu von Kritikern immer wieder vorgeworfen, er habe das Erstarken der Hamas im Gazastreifen geduldet oder sogar gefördert. Als Rivale der gemäßigteren Fatah von Präsident Mahmud Abbas habe sie der Spaltung des palästinensischen Volkes gedient, um so einen Staat Palästina zu verhindern. Viele rechtsorientierte Israelis halten einen palästinensischen Staat für ein untragbares Sicherheitsrisiko für Israel.

Die "Jerusalem Post" berichtete 2019 unter Berufung auf eine Quelle in Netanjahus Likud-Partei, Netanjahu habe die Bewilligung des Transfers katarischer Millionengelder an die Hamas mit dieser Strategie gerechtfertigt. Wer gegen einen palästinensischen Staat sei, sollte für den Geldtransfer sein, sagte er demnach. Diese Gelder halfen der Hamas jedoch letztlich dabei, den Gazastreifen in eine vor Waffen strotzende Festung zu verwandeln.

Kann die Autonomiebehörde nach dem Krieg Gaza regieren?

Biden macht sich nun dafür stark, dass eine "revitalisierte" Palästinensische Autonomiebehörde nach dem Krieg auch im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernimmt. Die Hamas hatte sie 2007 gewaltsam von dort vertrieben. Netanjahu lehnt dies jedoch vehement ab. In ihrer gegenwärtigen Form sei die Autonomiebehörde nicht in der Lage, die Kontrolle im Gazastreifen zu übernehmen, argumentiert er.

Umfragen zeigten noch vor dem Krieg, dass mehr als die Hälfte der Palästinenser für die Rückkehr zu einem bewaffneten Aufstand sind. Attentäter werden von großen Teilen der palästinensischen Gesellschaft als Helden im Kampf gegen die israelischen Unterdrücker gefeiert.

Es sei Aufgabe Israels, "nach einem Sieg sicherzustellen, dass Gaza die Bürger Israels nie wieder bedrohen kann", sagte Netanjahu. Man werde keiner neuen Führung zustimmen, "die Terrorismus unterstützt, Terroristen und ihre Familien bezahlt, und ihre Kinder dazu erzieht, Juden zu ermorden und den Staat Israel auszulöschen."

Ob Netanjahu sich angesichts des kolossalen Versagens am 7. Oktober nach dem Krieg als Regierungschef halten kann, ist allerdings ungewiss. Laut jüngsten Umfragen würde gegenwärtig die Partei von Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, mit Abstand stärkste Fraktion vor Netanjahus Likud. Gantz hatte sich letztes Jahr für eine unabhängige palästinensische "Einheit" ausgesprochen – allerdings keinen vollständigen Staat.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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