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Russischer Geheimdienst soll hinter Brandsätzen in Luftfracht stecken


"Wegwerf-Agenten" gegen Luftfracht
Neue Details: Russland soll hinter Anschlägen stecken

Von t-online, FIN

Aktualisiert am 23.04.2025Lesedauer: 4 Min.
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Der russische Präsident Wladimir Putin (Archivbild): Die Spuren der Brandanschläge führen zum russischen Geheimdienst. (Quelle: Alexander Kazakov, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)
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Sabotage, Brandanschläge und Propaganda: Bedrohung durch hybride Kriegsführung wird in Europa zunehmend Realität. Spuren führen in die Chefetagen des Kremls.

Mehrere Luftfrachtpakete mit versteckten Brandsätzen sind im Juli 2024 in Europa explodiert oder abgefangen worden – unter anderem in Leipzig. Nun melden die Sicherheitsbehörden einen Durchbruch in den Ermittlungen: Sie gehen davon aus, dass der russische Militärgeheimdienst GRU hinter den länderübergreifenden Anschlägen steckt. Das berichten WDR, NDR und die "Süddeutsche Zeitung" und schreiben von konkreten Tatverdächtigen sowie von einer Durchsuchung in Deutschland. Bisher sind nur wenige Details der Ermittlungen öffentlich.

Am 20. Juli 2024 geriet ein Paket am Flughafen Leipzig in Brand, einen Tag später ein weiteres in der Nähe von Warschau. Auch in Birmingham fing ein Paket Feuer, das zunächst unbeachtet entsorgt worden war. Wenige Tage später entdeckten Ermittler auffällige Parallelen.

Denn zuvor waren die Sendungen vom Flughafen der litauischen Hauptstadt Vilnius aus verschickt worden – stets unter Angabe derselben russischen E-Mail-Adresse an einer DHL-Packstation. Trotz routinemäßiger Kontrollen blieben die Zeitzünder und Brandsätze unentdeckt. Die Pakete enthielten scheinbar harmlose Gegenstände wie Massagekissen, Sexspielzeuge und Kosmetikartikel.

Testlauf für Brandanschläge

Ziel der Pakete waren unter anderem Polen und Großbritannien, zwei weitere Sendungen sollten offenbar in die USA und nach Kanada gehen. Diese waren allerdings noch nicht mit Brandsätzen ausgestattet – die Ermittler vermuten, dass mit ihnen zunächst nur Transportwege getestet werden sollten.

Nach Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" sollen rund zehn Personen an der Aktion beteiligt gewesen sein. Ein Ukrainer, der als Kontaktperson fungiert haben soll, wurde im Osten Deutschlands vernommen, gilt aber nicht als Beschuldigter. Zwei Verdächtige – sie stammen aus der Ukraine und Litauen – wurden in Polen festgenommen. Sie sollen Pakete in Litauen aufgegeben und weitergeleitet haben. Die angegebene Adresse in London war offenbar ausgedacht worden. DHL bestätigte den Versand. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich bei den Verdächtigen um leicht austauschbare Mittelsmänner, nicht aber um Schlüsselfiguren der Sabotage-Operation.

Russland setzt laut den Recherchen zunehmend auf sogenannte "Single Use Agents" – auf Deutsch auch als "Wegwerf-Agenten" bezeichnet –, um seine geheimdienstlichen Aktivitäten zu verschleiern. Dabei handelt es sich keineswegs um ausgebildete Profis, sondern eher um bezahlte Kleinkriminelle und Amateurverbrecher, die in erster Linie auf das Geld aus sind und nicht direkt mit der russischen Kriegsideologie in Verbindung stehen. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs häufen sich Sabotagevorfälle auf europäischem Boden, deren Spuren – wenn auch über Mittelsmänner – immer wieder nach Moskau führen.

Lesen Sie dazu:

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, warnt im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung", dass solche "konkreten Sabotageakte" zunehmend zur Realität werden könnten. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz, kritisiert hingegen, dass es in Deutschland noch immer keinen "Konsens darüber gibt, dass diese Angriffe auf uns zur täglichen Realität gehören".

Krypto-Zahlungen erschweren Ermittlungen

Die angeworbenen "Agenten" erhalten für ihre Einsätze zwischen 100 und 10.000 Euro – je nachdem, ob sie nur ein Paket transportieren, wie in Deutschland während des Bundestagswahlkampfs Bauschaum in Autoauspuffe sprühen oder konkrete Brandanschläge verüben. Die Bezahlung erfolgt zunehmend über Kryptowährungen, was es den Ermittlern erschwert, die Geldflüsse nachzuvollziehen.

Für den Kreml erhöhe dies die Sicherheit solcher Operationen. Im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" erklärt Daniela Richterova, Geheimdienstforscherin am King’s College London: "Die Brotkrumen führen nicht direkt zu den russischen Spionagemeistern." Zudem ermögliche es Russland, in viel größerem Maßstab zu agieren: "Sie können im Grunde jeden auf der ganzen Welt anheuern."

Trotzdem sind sich Sicherheitskreise inzwischen sicher, dass hinter den einzelnen Sabotageakten ein von Profis koordiniertes System steckt, das direkt bis in den Kreml reicht. "Die meisten Aufträge gehen an den GRU", sagt der frühere litauische Geheimdienstchef Darius Jauniškis. Weiter warnt er, in Zukunft bestehe die Gefahr, dass "Menschen durch russische Sabotageaktionen sterben werden", so zitiert ihn die "Süddeutsche Zeitung". Der russische Militärgeheimdienst verfügt über eigene Einheiten für Sabotageaktionen, die in der Vergangenheit unter anderem für Nervengiftanschläge verantwortlich gemacht wurden.

An der Spitze einer dieser Sabotageeinheiten stand seit 2013 Generalmajor Andrej Awerjanow. Laut westlichen Sicherheitskreisen wurde diese Einheit mittlerweile in eine neue Struktur überführt – den sogenannten Dienst für besondere Aktivitäten (russisch: SSD). Dort sollen nun auch Spezialkräfte eingebunden sein. Deutsche Behörden machen diese neue Einheit ebenfalls für Anschläge in Deutschland verantwortlich. Zur genauen Größe der Truppe gibt es keine gesicherten Informationen, doch Experten vermuten, dass Awerjanow weiterhin die Leitung innehat.

Russische Botschaft weist Vorwürfe zurück

Auf eine Anfrage der "Süddeutschen Zeitung" zu den Vorwürfen antwortete die russische Botschaft in Berlin lediglich, man könne "kaum behilflich" sein, da ihre Mitarbeiter "über keine gründlichen beruflichen Kompetenzen in den Bereichen Paranoia, Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien verfügen".

Laut der polnischen Staatsanwaltschaft war es ein Russe namens Aleksandr B., der die konkrete Paketaktion geleitet haben soll. Er wurde Ende 2024 in Bosnien festgenommen und an Polen ausgeliefert. Auch der GRU-Oberst Denis Smolyaninov steht im Verdacht, an der Aktion beteiligt gewesen zu sein. Die EU sanktionierte ihn im Dezember 2024. Ziel der Operation war laut westlichen Sicherheitsdiensten wohl die Schwächung des internationalen Luftverkehrs. Schon 2014 habe der GRU intern diskutiert, wie sich zivile Flugrouten stören ließen – das geht aus Unterlagen des "Dossier Center" hervor, das vom Kremlkritiker Michail Chodorkowski finanziert wird.

Verwendete Quellen
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