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Sicherheitskonferenz in München: Schattenboxen gegen Trump


Sicherheitskonferenz in München
Die Welt kämpft gegen Trumps Schatten

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 14.02.2020Lesedauer: 5 Min.
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US-Präsident Trump: Er muss gar nicht in München sein, um die Sicherheitskonferenz zu dominieren.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Trump: Er muss gar nicht in München sein, um die Sicherheitskonferenz zu dominieren. (Quelle: Jonathan Ernst/Reuters-bilder)

Die Sicherheitskonferenz steht diesmal ganz im Zeichen der Sorge vor dem zunehmenden Nationalismus in der Welt. So bekommt vor allem US-Präsident Trump in München einige verbale Ohrfeigen verpasst.

Es ist der alljährliche Ausnahmezustand in München. Straßen in der Innenstadt rund um die Fußgängerzone und das Hotel Bayerischer Hof sind abgesperrt. Polizisten mit Maschinengewehren stehen vor Straßensperren und halten Passanten auf, die Straßen sind gesäumt von Polizeiautos, schwarzen Panzerlimousinen und Übertragungswagen der TV-Sender. Doch die Menschen in der bayerischen Landeshauptstadt sind den Trubel gewöhnt, es ist das alljährliche Durcheinander der Münchner Sicherheitskonferenz.

In diesem Jahr geht es auf der Konferenz oft um einen Politiker, der gar nicht anwesend ist. Sein Name wird nur ganz selten laut ausgesprochen, fast als würde er andernfalls plötzlich doch auftauchen. Aber in München ist vor allem die Politik in der Kritik, für die US-Präsident Donald Trump steht. Die Konferenz steht in diesem Jahr im Zeichen des zunehmenden Nationalismus und Protektionismus in der Welt. Der Appell für mehr internationale Zusammenarbeit zieht sich durch beinahe alle Reden der politischen Entscheidungsträger. Vor allem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spart nicht mit scharfer Kritik an der aktuellen US-Regierung, ohne Trump beim Namen zu nennen.

In München träumen sie von einer Welt nach Trump

Trotzdem ist der US-Präsident der Geist, der über jedem Plenum, über jeder Rede schwebt. Denn eines ist klar: Ohne die USA kann das Streben nach mehr internationaler Zusammenarbeit kaum umgesetzt werden. Viele in München träumen schon von einer möglichen Welt nach Donald Trump.

Doch eigentlich wollen die Redner in München Trump nicht allzu viel Raum geben. Speziell die Delegation des US-Repräsentantenhauses ist darum bemüht, die Bedeutung Trumps für die internationalen Beziehungen herunterzuspielen.

Nicht nur Trump fordert höhere Verteidigungsausgaben

Nancy Pelosi gelingt das bei ihrem Plenum mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bis zur letzten Frage. Dann wird die Sprecherin des demokratisch dominierten Repräsentantenhauses von einer italienischen Parlamentarierin gefragt, ob das Bekenntnis zu mehr internationaler Zusammenarbeit mit Europa glaubhaft sei, wo doch der aktuelle US-Präsident und auch sein Vorgänger sich politisch mehr und mehr vom europäischen Kontinent abwenden. Trump setzt auf "America First", Barack Obama orientierte sich zunehmend in Richtung Asien. Beide US-Präsidenten forderten höhere Verteidigungsausgaben der europäischen Nato-Partnern.

Pelosi verzichtet auf Kritik an Trumps Politik, verteidigt ihn stellenweise sogar. "Unsere Unterstützung für den Multilaterismus und unsere Wertschätzung des transatlantischen Bündnisses wird auch dadurch deutlich, dass Vertreter des US-Repräsentantenhauses und des Senats nach München gekommen sind", erklärt sie. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben und die Übernahme von mehr Verantwortung durch die europäischen Partner, wie Trump und Obama sie einfordern oder einforderten, hält Pelosi aber für richtig. "Ich sage zu meinen Leuten immer, dass sie nicht nur gegen etwas sein sollen, weil Trump dafür ist."

Trump-Gegnerin in ungewohnter Rolle

Doch wie eine intensivere Zusammenarbeit auf internationaler Ebene mit Trump funktionieren soll, sagt auch die Oppositionspolitikerin nicht. "Die stärkste Kraft ist die Kraft der Phantasie, denn so kann man sich bessere Dinge vorstellen", so Pelosi. Sie spricht von internationalen Lösungen, vor allem beim Klimaschutz und in der Entwicklungshilfe. "Wir müssen weiterhin in Menschen investieren und gegen die Verzweiflung in anderen Ländern kämpfen." Es sei außerdem schlecht, dass internationale Abkommen aufgelöst oder unterwandert werden. Aber auch bei dieser Äußerung stellt sie keinen Bezug zu Trump her.

In München muss Pelosi eine ungewohnte Rolle spielen, besonders im US-Wahlkampf. Sie ist an diesem Wochenende auch Diplomatin, die sogar Trumps Politik ein Stück weit verteidigen muss. Denn wäre sie in den internationalen Kanon der US-Kritik eingestiegen, hätte dies in den USA auch für Verärgerung gesorgt.

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Anders machte es zuvor Bundespräsident Steinmeier in seiner Eröffnungsrede. Im Jahr 2014 sprach er das letzte Mal auf der Sicherheitskonferenz, damals noch als Außenminister. Auch er musste sich damals diplomatisch ausdrücken, doch sechs Jahre später kehrt er in anderer Funktion zurück. "Ich bin kein Stammgast mehr in Ihrer jährlichen Runde, und Diplomatie ist nicht mehr mein Kerngeschäft", sagt Steinmeier. "So werden Sie mir meine deutlichen Worte hoffentlich nicht nur nachsehen, sondern sie womöglich sogar erwarten."

Steinmeiers Rundumschlag

Steinmeiers Bestandsaufnahme fällt ziemlich düster aus: "Wir werden heute Zeugen einer zunehmend destruktiven Dynamik der Weltpolitik. Vom Ziel einer internationalen Zusammenarbeit zur Schaffung einer friedlicheren Welt entfernen wir uns von Jahr zu Jahr weiter."

Dann folgt ein Rundumschlag gegen die nationalistischen und protektionistischen Tendenzen in der Welt, gegen Autoritarismus und gegen Verletzungen der Menschenrechte. Russland wirft er vor, "militärische Gewalt und die gewaltsame Verschiebung von Grenzen auf dem europäischen Kontinent wieder zum Mittel der Politik" gemacht zu haben. China beschuldigt er, das Völkerrecht zu brechen und nennt das Vorgehen Pekings gegen Minderheiten im eigenen Land verstörend.

Schwere Vorwürfe gegen die US-Regierung

Auch den Bündnispartner USA kritisiert er, ohne Trump beim Namen zu nennen. Doch Steinmeier kritisiert seine "Amerika First"-Politik. "In diesem Zeitalter führt uns der Rückzug ins Nationale in eine Sackgasse, in eine finstere Zeit." Es sei brandgefährlich, wenn weltweit gewachsenes Vertrauen durch den "Rückfall in das Denken von vorgestern" aufs Spiel gesetzt werde. "Deshalb müssen wir uns weiter um die Schaffung einer übernationalen Rechtsordnung bemühen."

Der US-Regierung wirft er vor, Gegner der europäischen Integration geworden zu sein, er bezichtigt die USA der "Idee einer internationalen Gemeinschaft" über Bord geworfen zu haben. Mit diesen deutlichen verbalen Ohrfeigen lässt Steinmeier ein Stück wird seine Vergangenheit als Diplomat hinter sich.

Mehr internationale Verantwortung für Deutschland?

Doch die Kritik an den internationalen Partnern ist in seiner Rede nur ein Beiklang, sie richtet sich vor allem an die deutsche Bevölkerung. In München hält der Bundespräsident eine außenpolitische Grundsatzrede, es wird eine Ruckrede, wie sie auch der damalige Bundespräsident Joachim Gauck auf der Sicherheitskonferenz im Jahr 2014 hielt. Damals forderte Gauck, dass auch Deutschland international mehr Verantwortung übernimmt.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Steinmeier. Er kritisiert, dass die Debatte in Deutschland immer nur auf das Militärische beschränkt werde. Doch bei der Frage nach Alternativen und Details einer neuen deutschen Rolle bleibt auch der Bundespräsident unpräzise.

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Konkret wird Steinmeier aber mit Blick auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der die Nato zuletzt für "hirntot" erklärt und mehr europäische Eigenständigkeit gefordert hatte. Steinmeier hält ihm entgegen: "Die Europäische Union allein kann die Sicherheit aller ihrer Mitglieder bei allen Fortschritten noch auf lange Sicht nicht garantieren. Und auf die EU allein zu setzen, hieße Europa in die Spaltung zu treiben." Eine klare Distanzierung von dem Franzosen. Macron hat an diesem Samstag in München die Gelegenheit, Steinmeier zu antworten. Dann tritt er zum ersten Mal bei der Sicherheitskonferenz auf.

"In der EU ist ein Platz frei geworden"

Auf der Sicherheitskonferenz in München gibt es am Freitag zahlreiche Debatten. Viele Politiker stellen auf der Bühne verschiedene Themen heraus: Steinmeier spricht über Deutschlands Verantwortung in der Welt, Kanadas Premier Justin Trudeau über die internationale Zusammenarbeit beim Abschuss einer Passagiermaschine in Iran im Januar und Pelosi kritisiert, dass vor allem Deutschland den chinesischen Staatskonzern Huawei am 5G-Netzausbau beteiligen möchte.

Bei der Sicherheitskonferenz geht es stets darum, ins Gespräch zu kommen. In diesem Jahr soll von München das Zeichen ausgehen, dass diese Dialoge auch einen Effekt haben und dass die Rückbesinnung auf internationale Verantwortung keine Utopie ist. Auch, wenn der Geist des US-Präsidenten über allem schwebt.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen vor Ort
  • Mit Material der dpa
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