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Türkei: Wie Erdoğan seine Waffenindustrie stärkt


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Wie Erdoğan seine Waffenindustrie stärkt – und massiv ausbaut

dpa, Von Anne Pollmann

Aktualisiert am 03.01.2021Lesedauer: 3 Min.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan: Er will der Verteidigungsindustrie "weiterhin jegliche Unterstützung zukommen lassen".Vergrößern des BildesDer türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan: Er will der Verteidigungsindustrie "weiterhin jegliche Unterstützung zukommen lassen". (Quelle: Depo Photos/imago-images-bilder)
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Die Türkei ist einer der weltweit aufstrebenden Waffenexporteure und will ihren Status als Regionalmacht ausbauen – mit einer immer offensiveren Außenpolitik und trotz der Wirtschaftskrise.

Reden vor Vertretern der heimischen Rüstungsindustrie dürften dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Freude bereiten. Die türkische Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise – aber in dieser Branche können noch Versprechen gemacht werden. "Wir werden der Verteidigungsindustrie weiterhin jegliche Unterstützung zukommen lassen", sagte Erdoğan im November auf einer Veranstaltung eines türkischen Rüstungskonzerns. Die Türkei ist nach einer Einschätzung des Friedensforschungsinstituts Sipri einer der weltweit aufstrebenden Waffenexporteure. Der massive Ausbau der Rüstungsindustrie ist Teil einer größeren Strategie – und Teil einer immer offensiveren Außenpolitik.

Ein Aspekt dabei: Die immens gestiegenen Ausgaben für das eigene Militär. Zwischen 2015 und 2019 stiegen die Ausgaben nach Zahlen der Stiftung Wissenschaft und Politik um 69 Prozent. Der Umsatz der Rüstungsindustrie sei von einer Milliarde im Jahr 2002 auf 11 Milliarden im Jahr 2020 angewachsen.

Türkische Waffen werden auf quasi jeden Kontinent exportiert

Die türkische Industrie stellt dabei eine breite Palette an Produkten her – und die Verbindungen zur Regierung sind offensichtlich. Die beliebteste Kampfdrohne Bayraktar TB2 produziert ein Unternehmen, das einem Schwiegersohn Erdoğan gehört. Ein weiterer wichtiger Akteur ist nach Angaben von Hürcan Asli Aksoy, stellvertretende Leiterin des Centrums für angewandte Türkeistudien (CATS) an der Stiftung Wissenschaft und Politik, die Firma Sadat. Ihr Chef ist ein ehemaliger Berater des Präsidenten.

Türkische Waffen und türkisches Know-How werden laut Hüseyin Bagci, Professor am Institut für Internationale Beziehungen der Universität Odtü in Ankara, auf quasi jeden Kontinent exportiert. Die Küstenwache in Nigeria etwa patrouilliere mit türkischer Ausstattung, auch jene von Somalia bekomme Training und Equipment vom türkischen Militär.

Doch was macht die Waren aus der Türkei so beliebt? "Preis und Qualität", sagt Bagci. Türkische Drohnen etwa seien deutlich billiger als die aus den USA – und im Gegensatz zu Israel etwa habe die Türkei Testfelder für ihre Waffen. Der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Südkaukasusregion Berg-Karabach sowie der Krieg in Libyen habe den Akteuren der türkischen Militärindustrie Erfahrungen von unschätzbarem Wert eingebracht, sagt Can Kasapoglu vom Zentrum für Wirtschaft und Außenpolitik Edam in Istanbul.

Seit 2016 hat die Türkei mit mehreren Militäroffensiven in Nordsyrien aktiv in den dortigen Bürgerkrieg eingegriffen. Am 2. Januar 2020 stimmte das türkische Parlament dann für einen Militäreinsatz in Libyen – acht Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges. Ankara unterstützt dort die international anerkannte Regierung von Fajis al-Sarradsch – mit militärischer Ausstattung und Personal. Der Türkei geht es um Einfluss in der Region, aber auch um Erdgasvorkommen im Mittelmeer.

Noch ist die Türkei auch auf deutsche Waffen angewiesen

Erfolge in den Konflikten sind gleichzeitig Eigenwerbung: Das türkische Eingreifen in Libyen hat das Kräfteverhältnis maßgeblich zugunsten Al-Sarradschs beeinflusst, in Syrien haben türkische Kampfdrohnen Regierungstruppen zurückgedrängt, im jüngsten Krieg um Berg-Karabach wird davon ausgegangen, dass besonders türkische Drohnen dem "Bruderstaat Aserbaidschan" zum Sieg verholfen haben. Zunehmend aggressiv" nennt Aksoy die türkische Außenpolitik. Als eine natürliche Reaktion auf die regionalen Verhältnisse bewertet hingegen Bagci die türkische Strategie.

Selbstversorger ist das Land in Sachen Waffen noch nicht. Besonders auf Deutschland sei man angewiesen, sagt Bagci. Mit Blick auf die Marine sei Berlin wichtiger Partner. Die Türkei hat im vergangenen Jahr Kriegswaffen für 344,6 Millionen Euro aus Deutschland erhalten – das ist mehr als ein Drittel der deutschen Kriegswaffenexporte.

"Auf lange Sicht ist das ökonomisch nicht haltbar"

Die Bedeutung einer starken türkischen Marine wird besonders im Konflikt um Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer deutlich. Hier liegt die Türkei unter anderem mit Griechenland und Zypern über Grenzfragen im Streit. Ihre Forschungsschiffe lässt sie symbolträchtig von Kriegsschiffen eskortieren.

Doch wie geht dieser Ausbau mit einer tiefen Wirtschaftskrise zusammen? "Die Überdehnung ist da", urteilt Bagci. "Auf lange Sicht ist das ökonomisch nicht haltbar", meint Aksoy. "In Libyen zum Beispiel verkauft das Militär Waffen, da verdient die Türkei. Aber im Nordirak oder in Nordsyrien ist es kostspielig, weil hier türkische Truppen im Einsatz sind." Trotzdem glaubt Aksoy, die Türkei werde "ein gefährlicherer Akteur".

Erdoğan jedenfalls machte zuletzt erneut seine Prioritäten deutlich: "Die Verteidigungsindustrie ist kein Sektor, der Stagnation verträgt. Wir müssen weitermachen, um noch bessere Produkte zu entwickeln."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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