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Russische Militärmanöver: Europäer stellen sich auf neuen Kalten Krieg ein


Reaktion auf russische Militärmanöver
Europäer stellen sich auf neuen Kalten Krieg ein

Von reuters, t-online
30.10.2014Lesedauer: 4 Min.
Nato-Kampflugzeuge über Litauen: Das Militärbündnis hat seine Luftraumüberwachung über Osteuropa deutlich verstärkt.Vergrößern des BildesNato-Kampflugzeuge über Litauen: Das Militärbündnis hat seine Luftraumüberwachung über Osteuropa deutlich verstärkt. (Quelle: dpa-bilder)
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Russische Bomber am Rande des europäischen Luftraums, ein russisches Kriegsschiff vor Lettland. Die Meldungen über provokante Militärmanöver des Kreml häufen sich - und sie erinnern an alte Zeiten. Längst sind sowohl Russland als auch die Nato in Muster des Kalten Krieges zurückgefallen. Der Rüstungsindustrie könnte das viel Geld in die Taschen spülen.

Die Beschwerde der Nato kam per Pressemitteilung: Man verzeichne ein "ungewöhnliches Ausmaß" an russischer Aktivität hieß es darin. Binnen zwei Tagen hatte sich gleich ein ganzes russisches Großaufgebot von 26 Langstreckenbombern, Tankern und Kampfjets aus allen Himmelsrichtungen Europa genähert.

Das war dann doch zu viel - und die Europäer ziehen allmählich die Konsequenzen daraus. Polen will langfristig mehr Truppen an seiner Ostgrenze stationieren, in Skandinavien und Osteuropa steigt nach Aussage der Industrie die Nachfrage nach Panzern. Und Deutschland macht sich angesichts maroden Wehrmaterials Gedanken um die Landesverteidigung.

Schweden diskutieren über Nato-Beitritt

In Schweden sorgte eine Umfrage am Dienstag gar für eine kleine Sensation: Erstmals sprachen sich mehr Bürger für einen Beitritt zur Nato aus als dagegen. Die Mitte-Links-Regierung in Stockholm lehnt einen Nato-Beitritt zwar ab. Den Schweden, die seit 200 Jahren neutral sind, bereiten die Machtdemonstrationen der Führung in Moskau zunehmend Kopfzerbrechen.

Erst im September beschwerte sich das Land bei der russischen Führung über das Eindringen zweier Kampfjets in seinen Luftraum. Die Abwehr-Bereitschaft der schwedischen Armee steht bereits seit einem Jahr im Zweifel: Damals überraschten russische Flugzeuge Schwedens Luftwaffe mit einem Schein-Angriff auf Stockholm. Dänische Nato-Jets verfolgten die Gegner schließlich.

Um ähnliche Fälle im Baltikum zu verhindern, hat die Nato zuletzt die Luftraumüberwachung über Osteuropa verstärkt und die Zahl der daran beteiligten Jets verfünffacht. Seit Anfang September sind daran vom estnischen Fliegerhorst Ämari aus auch vier deutsche Eurofighter beteiligt.

Binnen elf Minuten waren zwei von ihnen in der Luft, als am Dienstag gleich sieben russische Kampfjets auf den Radarschirmen der Nato auftauchten, die mit einem Abstand von einigen Minuten in Zweier-Rotten über den Finnischen Meerbusen flogen. "Man musste mit der Lupe hinschauen, um zu erkennen, dass sie noch im internationalen Luftraum waren", beschreibt ein Sprecher der Luftwaffe die Lage.

Seit Einsatzbeginn müsse durchschnittlich einmal pro Woche eine deutsche Alarmrotte aufsteigen. Die hohe Zahl russischer Jets am Dienstag sei jedoch ungewöhnlich gewesen. Normalerweise seien es nur ein oder zwei. Während des Kalten Krieges hätten beide Seiten dagegen häufig je 60 bis 80 Flugzeuge in der Luft gehabt.

Dreimal mehr Jets abgefangen als im Vorjahr"

"Es ist eine Provokation, ja, aber nicht im Sinne eines Angriffs", interpretiert der Luftwaffen-Offizier den Vorfall am Dienstag. "Es geht wohl eher darum, uns zu verleiten, versehentlich in den russischen Luftraum einzudringen oder dass es bei einem Abfangmanöver zu einer Kollision kommt". Die Gelegenheit dazu bestand in den vergangenen Monaten reichlich: Allein dieses Jahr fingen Jets der Nato mehr als 100 russische Flugzeuge ab, etwa dreimal so viele wie im Vorjahr.

Für die Nato bedeutet die neue Bedrohung durch den alten Gegner Russland eine Wiederbelebung und eine Kehrtwende: Nach mehr als zehn Jahren in Afghanistan und der Konzentration auf Einsätze weltweit kehrt die Allianz zu ihren Wurzeln der Bündnisverteidigung zurück. In der Nato fühlen sich vor allem Polen und Balten durch Russland bedroht.

Die Führung in Moskau hat in der benachbarten Enklave Kaliningrad moderne Iskander-Raketen stationiert, die anders als Jets oder Marschflugkörper einen Großteil der Nato-Abwehr überwinden könnten. Polen treibt auch deshalb seine Pläne zum Kauf eines Raketenabwehrsystems voran. Erst am Mittwoch vereinbarten Deutschland und Polen eine engere militärische Zusammenarbeit.

Um die Partner im Osten zu beruhigen und ein Zeichen der Abschreckung an Russland zu senden, beschloss die Nato auf ihrem Gipfel in Wales den Ausbau ihres einzigen osteuropäischen Hauptquartiers in Stettin, das von Polen, Deutschland und Dänemark gemeinsam betrieben wird. Bei einem Angriff auf das Bündnisgebiet könnte es bis zu 100.000 Soldaten der westlichen Militärallianz führen.

Mit seiner Forderung nach einer dauerhaften Stationierung von Nato-Kampftruppen auf seinem Territorium konnte sich Polen in Wales zwar nicht durchsetzen. Doch die Militärallianz hat die Zahl ihrer Manöver zu Lande, zu Wasser und in der Luft in Europa in diesem Jahr auf mehr als 200 hochgefahren, so dass es an eine dauerhafte Präsenz grenzt. tweet

Außerdem verlegten die USA zuletzt 20 Kampfpanzer und Schützenpanzer sowie 700 Soldaten nach Polen und ins Baltikum, die dort mehrere Monate bleiben sollen. Es ist eines der schlagkräftigsten Kontingente, das die USA jemals in einen Staat des früheren sowjetischen Machtbereichs entsandten - und nach Angaben des US-Militärs auch das erste Mal seit dem Mauerfall, dass schwere Panzer nach Europa verlegt werden.

Nato kämpft gegen Kürzung der Rüstungsetats

All dies kostet jedoch Geld. Während Russland seine Wehrausgaben seit 2008 um 30 Prozent steigerte, sind die Rüstungsetats der EU-Staaten seither um etwa 15 Prozent geschrumpft, wie aus einem Bericht des Londoner Centre für European Reform hervorgeht. Und obwohl die Nato in Wales öffentlichkeitswirksam das Ziel bekräftigte, dass jedes Mitglied zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgeben soll, kämpft ihr neuer Generalsekretär Jens Stoltenberg erst einmal darum, zumindest eine weitere Kürzung der Wehretats zu verhindern.

"Mein erstes Ziel ist es, den Rückgang zu stoppen", sagte er vor einigen Tagen. Derzeit erfüllen mit den USA, Großbritannien, Griechenland und Estland nur vier der 28 Nato-Staaten das Zwei-Prozent-Ziel. Deutschland kommt auf 1,3 Prozent, hält die Ausgaben aber immerhin stabil.

Langfristig könnte die Entwicklung der Rüstungsindustrie dennoch Geld in die Kassen spülen und dem Kampfpanzer zu einer Renaissance verhelfen. Der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) jedenfalls meldet seit Beginn der Ukraine-Krise einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Panzern nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Skandinavien.

Dabei galten Kampfpanzer vielen nach dem Mauerfall als Auslaufmodell. Die Bundeswehr, die in den 80er Jahren über 4600 der Kolosse in ihren Arsenalen hatte, wird künftig gerade mal noch 225 besitzen. Die Niederlande haben die Kettenfahrzeuge gleich ganz abgeschafft. Polen dagegen als neuer Nato-Frontstaat rüstet bereits seit geraumer Zeit auf und will die Zahl seiner Kampfpanzer auf über 1000 erhöhen.

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