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Syrien: Aktionen von Wladimir Putin irritieren den Westen


Russlands Rolle in Syrien
Putins gefährliches Spiel

spiegel-online, von Benjamin Bidder und Raniah Salloum

Aktualisiert am 11.09.2015Lesedauer: 4 Min.
Russlands Präsident Wladimir Putin unterstützt offenbar verstärkt den syrischen Diktator Assad. Das weckt im Westen Befürchtungen.Vergrößern des BildesRusslands Präsident Wladimir Putin unterstützt offenbar verstärkt den syrischen Diktator Assad. Das weckt im Westen Befürchtungen. (Quelle: Reuters-bilder)

Der Westen ist irritiert: Russische Schiffe und Flugzeuge sind nach Syrien unterwegs. Plant Kreml-Chef Putin sogar eine Militärintervention, um Diktator Assad zu helfen?

Welche Hinweise gibt es, dass Moskau nun stärker eingreift?

Russland unterstützt Diktator Baschar al-Assad seit Jahren mit Rüstungsgütern. Die angesehene Moskauer Wirtschaftszeitung "Wedomosti" meldet unter Berufung auf Quellen im Verteidigungsministerium, dass die Zahl der Lieferungen seit Anfang August stark ansteigt.

Der Kreml hat Griechenland und Bulgarien nun um die Öffnung ihres Luftraums gebeten, angeblich für humanitäre Flüge nach Syrien. Bulgarien besteht jedoch auf Bitten der USA auf vorherigen Inspektionen der Fracht. Deshalb nehmen die russischen Flugzeuge nun eine andere Route - über den mit Assad-Verbündeten Iran und den Irak, die sie nicht kontrollieren.

Aktivitäten gibt es auch auf See: Im August wurden Transportschiffe der russischen Flotte beim Passieren des Bosporus fotografiert, an Bord waren Militärfahrzeuge zu erkennen. Die Nachrichtenagentur Reuters meldet unter Berufung auf Quellen im Libanon, russische Einheiten hätten damit begonnen, sich an Kampfhandlungen zu beteiligen. In einem kürzlich veröffentlichten Videobericht eines Assad-nahen Senders von der Front waren im Hintergrund russischsprachige Befehle von Militärs zu hören.

Moskau bestätigt, dass russische Militärberater in Syrien derzeit im Einsatz sind. Ein Team um den russischen Blogger Ruslan Lewijew ist davon überzeugt, dass sie weiteren Operationen auf die Schliche gekommen sind: In sozialen Netzwerken fanden sie Fotos, die russische Soldaten der 810. Brigade aus Syrien posteten.

Was sagt Russland offiziell zu den Vorwürfen?

Moskau dementiert eine Ausweitung des Einsatzes. Die Waffenlieferungen seien im Rahmen der auch bislang üblichen Unterstützung Moskaus für Assad. Bei den Russen in Syrien handele es sich ausschließlich um "Militärberater", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Die Männer würden Syrer an den Waffen unterrichten. "Wir tun dies in Übereinstimmung mit existierenden Verträgen und voller Übereinstimmung mit internationalem Recht", so Sacharowa.

Gegenteilige Berichte seien Zeichen einer "anti-russische Hysterie". Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, es sei "verfrüht", über russische Einsätze im Kampf gegen den "Islamischen Staat" zu sprechen. Aber natürlich "gewähren wir Syrien eine hinreichend ernste Unterstützung mit Technik und Training von Militärs".

Was liefern die Russen nach Syrien?

Russland hat lange Zeit schwere Waffen, Raketen und Flugzeuge geliefert, aber auch Schusswaffen und Ausrüstung für die Armee. Die russische Tageszeitung "Kommersant" meldete am Donnerstag, Russland schicke derzeit vor allem Gewehre, Granatwerfer, aber auch moderne Schützenpanzer vom Typ BTR-82A sowie "Ural"-Lastwagen für Truppentransporte. Anderen Berichten zufolge sollen russische Militärs damit begonnen haben, einen Stützpunkt für rund tausend Soldaten aufzubauen.

Nach US-Angaben sind am Flughafen des syrischen Küstenortes Latakia in den vergangen Tagen mindestens drei russische Flugzeuge gelandet. Auf Twitter wurden Aufnahmen von Antonow-124-Frachtmaschinen verschickt. Sie können auch gepanzerte Fahrzeuge transportieren. Ein amerikanischer Beamter sagte der "New York Times", Russland sei im Begriff, dort eine "Art Vorposten" zu etablieren. Auch Israels Verteidigungsminister Moshe Ya'alon sagte am Donnerstag, Moskau habe Militärberater und Soldaten nach Latakia geschickt, um dort einen Stützpunkt für seine Luftwaffe zu errichten.

Was hat Putin vor?

Der Westen will, dass Assad zurücktritt, Russland und Iran bezeichneten den Despoten dagegen als angeblich "effektivste Kraft" im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS). Im Idealfall möchte der Kreml Assad international wieder hoffähig machen, als Mitglied in der Koalition gegen den Terror. In jedem Fall soll der Diktator die Kontrolle über Damaskus und die Küste behalten. Sollten Moskaus neue Syrien-Aktionen der Beginn einer großen Militärintervention sein, sind zwei Szenarien möglich:

  • Russland stellt sich offen an die Seite von Assads Truppen, um dessen Gegner zurückzudrängen.
  • Oder der Einsatz wird lokal begrenzt. Denn die Waffenlieferungen gingen an die Küste. Dort liegt die Hafenstadt Tartus, in der Moskau einen Marinestützpunkt unterhält, und der strategisch wichtige Flughafen Latakia. Assads Gegner hatten zuletzt militärische Erfolge in der Region errungen und könnten bald auf den Küstenstreifen vorstoßen.

Spielt die Ukraine eine Rolle?

Washington und Moskau haben trotz der Sanktionen ihre Kontakte nie abgebrochen. Syrien, Iran und der Anti-Terror-Kampf stehen weiter auf der Tagesordnung. Ukrainische Beobachter befürchten, dass Russland den Einsatz in Syrien nur verstärkt, um den Amerikanern dann einen Deal anzubieten: Der Kreml könnte sich aus Syrien wieder zurückziehen - und im Gegenzug ein Ende der westlichen Unterstützung für die Ukraine einfordern.

Warum kritisieren die USA das Vorgehen Russlands?

Der Westen und Russland vertreten bei Syrien unterschiedliche Positionen: Die USA und die meisten europäischen Länder fordern, dass Assad die Macht abgeben muss. Denn seine brutale Repression hat den Konflikt in Syrien erst eskalieren lassen. Doch der Westen ist unsicher, wen er stattdessen in Syrien unterstützen soll. Moskau dagegen will nichts von einem Ende Assads wissen und hält die Dschihadisten für das einzige Problem in Syrien.

Warum hält Russland zu Assad?

Moskau und die Assad-Familie sind seit Jahrzehnten enge Verbündete. Zu Sowjet-Zeiten bekam Syrien, das sich in seiner Verfassung als sozialistisch bezeichnet, seine Entwicklungshilfe und militärische Unterstützung vor allem aus den Ostblockländern. Viele hochrangige syrische Militärs absolvierten Ausbildungen in Russland. Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi in Libyen ist Assad einer der letzten Verbündeten im Nahen Osten.

Moskau profitiert von der Allianz: Syrien ist ein wichtiger Kunde russischer Waffenschmieden. Obwohl das Land klein ist, gilt es als einflussreich im Nahen Osten, weil es großen Schaden anrichten kann - denn Damaskus pflegt gute Beziehungen zu Terrorgruppen der Region. Dank des russischen Militärstützpunktes im syrischen Tartus hat Moskau Einfluss auf die Mittelmeerregion.

Mit dem Krieg in Syrien rückt für Russland noch ein anderes Thema in den Vordergrund: Schätzungsweise 2000 russischsprachige Dschihadisten kämpfen in Syrien. Moskau fürchtet mögliche Rückkehrer.

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