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Ukraine-Konflikt | USA erhöht Druck auf Russland: Die Unruhe vor dem Sturm


USA im Ukraine-Konflikt
Die Unruhe vor dem Sturm

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 18.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Wolodymyr Selenskyj: Der ukrainische Präsident machte sich am Donnerstag selbst ein Bild von der Lage an der Grenze zu Russland. (Quelle: Reuters)

Von vermeintlicher Entspannung im Ukraine-Konflikt ist in der US-Hauptstadt wenig zu spüren. Im Gegenteil, die amerikanische Regierung erhöht den Druck auf Russland.

In Washington werden in diesen Tagen selbst Halbsätze zu Eilmeldungen. Nachdem der US-Präsident am Donnerstag in Cleveland, Ohio, über sein Infrastrukturpaket gesprochen hatte, musste er offenbar schnell verschwinden. Er habe eigentlich nicht geplant, sofort wieder gehen zu müssen, erklärte Joe Biden seinen Zuhörern. Aber man habe ihm gesagt, es liege am Wetter. "Und da geht gerade eine Kleinigkeit vor sich in Europa." Es geht um den Ukraine-Konflikt.

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Während das Publikum darüber noch herzhaft lachte, war es für die politischen Deuter in der US-Hauptstadt ein sicheres Zeichen dafür, dass die Lage in der Ukraine alles andere als entspannt ist. Es wurde sogar kurzzeitig gemunkelt, dass es jetzt losgehen könnte. Der Präsident deshalb schnell zurück ins Weiße Haus eilen müsste.

Tatsächlich wurde in der Nacht zum Freitag bekannt, dass Joe Biden heute die sieben Staats- und Regierungschefs von Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Rumänien, Großbritannien zu einem Krisentelefonat zusammentrommelt. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommen dazu.

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Deutete nicht vieles auf Entspannung hin? Zwar hat man in den Vereinigten Staaten vor und nach der Visite des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz im Kreml ebenfalls wahrgenommen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin zu Gesprächen bereit zu sein vorgibt. Doch von Entwarnung und Erleichterung ist diesseits des Atlantiks, anders als bisweilen in Deutschland, wenig zu spüren.

Biden und Blinken im Doppelpack

Schon bevor Joe Biden am Donnerstagmorgen den Präsidentenhelikopter Marine One bestieg, wurde das deutlich. Der US-Präsident sagte so klar wie noch nie, dass er glaube, eine Invasion der russischen Truppen in die Ukraine stehe unmittelbar bevor. "Mein Gefühl ist, dass dies in den nächsten Tagen geschehen wird", sagte Biden. Auch wenn man nach wie vor an einen diplomatischen Ausweg glauben will, der Ton in den USA bleibt scharf.

Der Präsident änderte dazu kurzerhand auch die Reisepläne seines Außenministers Antony Blinken. Kurz bevor dieser in Deutschland zur am Freitag startenden Münchner Sicherheitskonferenz erwartet wird, schickte Biden seinen Chefdiplomaten nach New York zu den Vereinten Nationen. Dort war Blinken aufgrund seines Spontanbesuchs in der Sitzung des UN-Sicherheitsrats der ranghöchste Vertreter der anwesenden Staaten.

Vor den Augen und Ohren der Weltöffentlichkeit sagte Blinken: "Ich bin heute nicht hier, um einen Krieg zu beginnen, sondern um einen zu verhindern." Er forderte Russland auf, seine Truppen, Panzer und Flugzeuge zu ihren Stützpunkten zurückzubringen. Der Kreml solle stattdessen Diplomaten entsenden. Blinken erneuerte die Warnung der USA, Russland werde Gründe für einen Angriff erfinden.

Der Kreml werde dann von "ethnischen Säuberungen oder Völkermord sprechen", womit tatsächliche Verbrechen zum Gespött gemacht würden. Gerade er selbst nehme so etwas aufgrund seiner Familiengeschichte "nicht auf die leichte Schulter". Blinken ist Sohn jüdisch-amerikanischer Eltern. Sein Stiefvater überlebte die Shoah.

Russland droht offen mit militärischer Intervention

Die spürbare Hektik in Washington ist dabei nicht selbst gemacht, sondern wirkt vielmehr reaktiv. Denn wie schon vor Blinkens Anwesenheit im UN-Sicherheitsrat bekannt wurde, verschickte Russlands erster stellvertretender Repräsentant bei den UN, Dmitry Polyanskiy, einen Brief an den UN-Generalsekretär António Guterres.

Darin prangerte Russland Kriegsverbrechen des ukrainischen Militärs an der Zivilbevölkerung an. Beleg dafür seien unter anderem Berichte des staatseigenen Fernsehsenders RT. In der Nacht verbreitete der russische News-Kanal Sputnik zudem, das ukrainische Militär nehme verschiedene Ortschaften in der Ostukraine mit Granaten unter Beschuss.

In Washington sieht man solche Meldungen als bereits seit Wochen vorhergesagte Versuche des Kreml, Vorwände für ein eigenes militärisches Einschreiten zu inszenieren. Ein veröffentlichtes Antwortschreiben Russlands, gerichtet an die USA, lässt in der US-Hauptstadt ebenfalls aufhorchen.

"In Ermangelung der Bereitschaft der amerikanischen Seite, sich auf feste, rechtsverbindliche Garantien unserer Sicherheit durch die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten zu einigen, wird Russland gezwungen sein zu reagieren, auch durch die Umsetzung von Maßnahmen militärisch-technischer Art."

Russland gab darüber hinaus bekannt, den Stellvertreter des US-Botschafters in Moskau, Bart Gorman, auszuweisen. "Russlands Vorgehen gegen [Gorman] wurde nicht provoziert und wir betrachten dies als einen eskalierenden Schritt und denken über unsere Reaktion nach", so ein Sprecher des US-Außenministeriums.

Nach Deeskalation klingt all das nicht. Auch, weil die Ukraine von Cyberangriffen berichtet. Separatisten sollen zudem in der Ostukraine einen Kindergarten unter Beschuss genommen haben.

Den Druck hochhalten

Telefonate und Treffen mit den Nato-Verbündeten absolviert Antony Blinken derzeit täglich. Der öffentliche und diplomatische Druck auf Moskau soll unverändert hoch bleiben, bis die aufgefahrenen Truppenverbände sich rund um die ukrainische Grenze zurückziehen. Der von Russland propagierte teilweise Rückzug soll laut einem Bericht der "Washington Post" unter Berufung auf Geheimdienstinformationen nichts anderes als eine Täuschung gewesen sein.

Bereits am Mittwoch traf der US-Außenminister auf seine estnische Amtskollegin Eva-Maria Liimets. Um die Dramatik der Lage zu veranschaulichen, hatte Estland Geheimdiensterkenntnisse zu angeblichen russischen Zielen in der Ukraine veröffentlicht.

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Der Informationskrieg ist in vollem Gange. Die USA bleiben bei ihrer Strategie, die sie schon seit Wochen fahren: Man will zwar selbst militärisch nicht intervenieren, aber zumindest will man im Weißen Haus Putin das Überraschungsmoment nehmen, anders als 2014.

Washington rechnet mit schlechten Nachrichten

In Washington wird derzeit minütlich mit schlechten Nachrichten aus Europa gerechnet. Daran hat sich nichts geändert. Die Ukraine ist eben keine "Kleinigkeit in Europa", auch wenn der US-Präsident bisweilen versucht, das mit einem Charme der Gelassenheit zu überspielen.

Die Frage aber, ob es wirklich zu einem Sturm kommt, bleibt vorerst weiter unbeantwortet. Bis dahin wird weiterhin jede Regung seismografengleich registriert. In der Nacht soll das Mobilfunknetz in weiten Teilen der Ostukraine plötzlich ausgefallen sein. Wieder so eine Nachricht, die als erstes Anzeichen eines Angriffs gewertet werden könnte. Am Ende war es wohl ein technischer Defekt.

Antony Blinken will sich nun im Laufe der nächsten Woche in Europa mit Russlands Außenminister Sergei Lawrow treffen. Allerdings nur, wenn es bis dahin keine Invasion gibt, so Blinkens Sprecher Ned Price. "Wenn sie in den kommenden Tagen einmarschieren, wird das deutlich machen, dass sie Diplomatie nie ernst gemeint haben."

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