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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Israels Angriff gegen den Iran Deutschland wird kalt erwischt
Die israelische Armee hat in der Nacht mehrere Ziele im Iran attackiert. Die Angriffe auf das iranische Atomprogramm überraschen nicht nur die Region, sondern auch den deutschen Außenminister. Unklar ist die Rolle der USA.
Aus Kairo berichtet Patrick Diekmann.
Der Luftschlag kam nicht aus heiterem Himmel, aber sein Zeitpunkt war durchaus überraschend. In der Nacht auf Freitag hat die israelische Armee den Iran angegriffen. Ziel der Attacken soll das iranische Atomprogramm gewesen sein. Explosionen erschütterten sowohl die Hauptstadt Teheran als auch die Atomanlage Natans. Iranischen Medienberichten zufolge wurden bei den Angriffen der Armeechef des Iran, Mohammed Bagheri, und der Chef der Revolutionsgarden, Hossein Salami, getötet.
Aber die Attacke reichte offenbar noch weiter. Eigenen Angaben zufolge hat Israel am Freitagmorgen dutzende Radaranlagen und Raketenwerfer zerstört. In den vergangenen Stunden hätten "Kampfjets der Luftwaffe, die von präzisen Informationen des Geheimdienstes geleitet wurden, einen umfassenden Angriff auf das Luftabwehrsystem des iranischen Regimes im Westiran ausgeführt", erklärte die Armee.
Das iranische Regime schwor Rache und schickte schon am Freitagmorgen Hunderte Drohnen in Richtung Israel. Verletzte Zivilisten soll es auf beiden Seiten gegeben haben, und es ist unklar, ob die völlige Eskalation – ein Kriegsausbruch – noch aufgehalten werden kann. Nur eines liegt auf der Hand: Die Lage ist höchst gefährlich. Und offenbar wurden nicht nur der Iran und die Region, sondern auch westliche Partnerländer Israels vom Angriff überrascht.
Deutschland etwa wurde kalt erwischt. Die israelischen Angriffe weckten Außenminister Johann Wadephul in Ägypten. Er wollte auf seiner Nahostreise ab Freitag eigentlich für ein Ende des Krieges zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen werben. Doch die nächtliche Eskalation warf seine Pläne über den Haufen. Bis zum Mittag war unklar, wie Wadephuls Reise weitergeht – und ob überhaupt.
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Trump vor den Trümmern seiner Nahostpolitik
Die deutsche Delegation muss umplanen. Die Reisen nach Jordanien und Israel, die eigentlich für das Wochenende geplant waren, seien wahrscheinlich nicht umsetzbar, sagte Außenminister Wadephul vor Pressevertretern in Ägypten. Auch in den Libanon und nach Syrien wollte er reisen. Doch das scheint aktuell zu gefährlich zu sein. Die Lufträume sind Kriegsgebiet.
Über Israel und Jordanien kann nicht geflogen werden, zu viele Drohnen und Raketen sind derzeit in der Luft. Sie starten von beiden Seiten aus: Die israelische Armee hat auf einen Gegenschlag Teherans wiederum mit erneuten Luftangriffen reagiert.
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Das Mullah-Regime wertet die israelischen Angriffe in der Nacht als Kriegserklärung, und die Eskalationsspirale scheint sich ungebremst weiterzudrehen. Die USA heißen die israelischen Angriffe nicht gut. Sie seien daran "nicht beteiligt", erklärte Washington. Unter europäischen Diplomaten heißt es, US-Präsident Donald Trump habe die israelische Regierung sogar vor einem Angriff gewarnt. Sollte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diese Warnung ignoriert haben, dürfte das in Washington nicht gerade auf Gegenliebe stoßen.
Dementsprechend vermieden die Amerikaner am Freitagmorgen große Solidaritätsbekundungen gegenüber Israel. Zwar kritisierte die Trump-Administration die israelische Regierung nicht offen, aber die gedämpfte Reaktion aus Washington werten Experten als Zeichen des Missmuts, aller Feindschaft der USA mit dem Iran zum Trotz. Wortreicher kritisierte der US-Präsident das Mullah-Regime dafür, dass es bislang keinen "Deal" angenommen habe: "Die USA stellen mit Abstand die beste und tödlichste Militärausrüstung der Welt her, und Israel verfügt über eine Menge davon, und es wird noch viel mehr bekommen – und sie wissen, wie man sie einsetzt", schrieb Trump auf seiner Plattform "Truth Social". Und fügte – typisch für ihn – in Großbuchstaben hinzu: "Einige iranische Hardliner sprachen mutig, aber sie ahnten nicht, was passieren würde. Sie sind jetzt alle TOT, und es wird nur noch schlimmer!"
Das impliziert jedoch nicht, dass die US-Regierung die israelische Operation gutheißt. Im Gegenteil: Trump will einen neuen Atom-Deal mit dem Iran.
Israel spielt mit dem Feuer: Trumps Missmut
Das neue Atomabkommen mit den Mullahs soll besser und straffer werden als jenes, das der frühere US-Präsident Barack Obama ausgehandelt hatte. Angesichts der Eskalation ist es nun vorerst vom Tisch, und mehr noch: In seiner ersten Amtszeit hatte sich Trump für eine Normalisierung der Beziehungen der arabischen Staaten zu Israel eingesetzt. Nun kritisiert selbst Saudi-Arabien – der zentrale Rivale des Iran im Mittleren Osten – die israelischen Angriffe. Schon jetzt liegt auf der Hand: Netanjahu hat mit seinem Angriff auf den Iran sein Land ein Stück weit mehr isoliert.
Die USA reagieren eher zurückhaltend und verzichten darauf, als Ordnungsmacht aufzutreten. Dabei sind es vor allem die US-Amerikaner, die Einfluss auf beide Seiten ausüben könnten, wenn Trump das wollte. Deutschland dagegen stellt sich ausdrücklich hinter die israelische Regierung und den nächtlichen Angriff gegen den Iran.
Das iranische Nuklearprogramm sei "eine Bedrohung für die ganze Region und insbesondere für Israel", sagt Wadephul am Freitagmorgen in Kairo. Israel habe daher das Recht zur Selbstverteidigung und "das darf es ausüben", bekräftigt der Außenminister. Es gebe "keinen anderen Staat in der Region, der so klar wie der Iran es sich zur Staatsaufgabe macht, Israel als Entität zu vernichten und damit den Jüdinnen und Juden den Staat zu nehmen, in dem sie leben können", ergänzt Wadephul.
Nächste Feuertaufe in Saudi-Arabien
Doch trotz des deutsch-israelischen Schulterschlusses in dieser Frage wurde auch Wadephul von dem Angriff überrascht. Während die Amerikaner offenbar schon mehrere Tage über das Vorhaben Netanjahus informiert waren, erklärt der deutsche Außenminister, dass er erst nach Beginn der Operation von seinem israelischen Amtskollegen Gideon Saar informiert worden sei. Erst danach habe dann offenbar Netanjahu mit Kanzler Friedrich Merz telefoniert, heißt es in Kairo.
Wadephul möchte laut eigener Aussage in der Region verhindern, dass das iranische Regime die Atombombe bekommt. Doch Deutschlands Rolle in der Region besteht auch darin, mit Diplomatie einen Flächenbrand dort zu verhindern. Zumindest erwarten das auch Deutschlands arabische Partner in der Region.
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Der ägyptische Außenminister Badr Abdelatty übt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wadephul in Kairo scharfe Kritik an Israel. Die Angriffe auf den Iran seien eine "Eskalation ohne Grund". Ägypten hat keine enge Beizungen zum Iran und in einem nicht kleinen Teil der Bevölkerung wird das Mullah-Regime als das "Herz des Bösen" gesehen – das zumindest schreiben viele Ägypter nach den israelischen Angriffen auf X. Trotzdem ist die ägyptische Führung gegen diese Eskalation – vor allem mit Blick auf die eigene Sicherheit in der Region.
Auch die humanitäre Situation im Gazastreifen hätte durch die israelische Kriegsführung jegliche "Grenzen der Logik" überschritten. "Gewalt wird Israels Sicherheit nicht garantieren", sagt Abdelatty. Ägypten habe eine feste Haltung. "Es gibt keine militärische Lösung für diese Konflikte", meint der ägyptische Außenminister. "Israel muss aufhören." Es sei wichtig, dass es nicht zu einem "umfassenden Chaos" kommt. Aber – und hier gibt es durchaus eine Überschneidung mit Deutschland: Der Iran solle keine Atomwaffen besitzen.
Keine Konsequenzen für Netanjahu
Schon im Krieg zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen ist Deutschland mit der Kritik konfrontiert, dass man die partielle Kritik an Israel nicht in konkretes politisches Handeln überführt. Oder kurz gesagt: Israels Kriegsführung im Gazastreifen hat keine Konsequenzen für Netanjahu. Hinzu kommt, dass Länder wie Syrien, der Libanon und Jordanien scharfe Kritik daran üben, dass die israelische Armee regelmäßig Angriffe auf Ziele in diesen Ländern fliegt – meist ohne Rücksprache mit den jeweiligen Regierungen.
Die Wut in der arabischen Welt trifft dabei auch Deutschland. Natürlich sollten Israels Freunde der israelischen Führung sagen, dass diese Politik nirgendwo hinführe, meint Abdelatty. Deutschlands Freundschaft bedeutet auch, dass sie Israel beraten sollten. Ägypten bitte viele Staaten darum, die Politik der israelischen Regierung zu kritisieren und deutliche Worte gegenüber Netanjahu zu finden. Israel setze Hunger als Waffe ein, und diesbezüglich dürfe es keine "Doppelmoral" geben.
Wadephul hingegen beruft sich auf Deutschlands historische Beziehungen zu Israel – und damit auf die deutsche Staatsräson. Für den deutschen Außenminister geht es in der Hektik der Ereignisse nun darum, Deutschland in diesem diplomatischen Prozess zu positionieren. Dafür müsste die Bundesregierung jedoch als ernsthafter Mittler wahrgenommen werden, der nicht einseitig hinter dem Vorgehen von Netanjahu steht. Ob dies gelingt, wird sich wahrscheinlich schon in den kommenden Stunden zeigen. Denn auch am Nachmittag gehen die gegenseitigen Angriffe zwischen Israel und dem Iran weiter, es droht ein längerer Krieg.
In diesem Zusammenhang verkündete Wadephul in Kairo, dass er seine Reise umplane und nach Saudi-Arabien fliegen werde. Dies wird für den deutschen Außenminister mit Blick auf eine drohende Eskalation in der Region die nächste Feuertaufe werden.
- Begleitung von Außenminister Wadephul auf seiner Reise nach Ägypten