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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutschland nach der Wahl Union will "Aktivrente", AfD eine Arbeitspflicht
Wirtschaftskrise, Ukraine-Krieg, Investitionsstau: Deutschland steht vor der Neuwahl vor enormen Problemen. Welche Lösungen haben die Parteien anzubieten? Ein Überblick über die Wahlprogramme von SPD, Union, Grünen und AfD.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Nach der verlorenen Vertrauensfrage im Bundestag bat Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um die Auflösung des Parlaments. Das Staatsoberhaupt hat jetzt 21 Tage Zeit, um andere Regierungsmehrheiten auszuloten oder dem Wunsch des Kanzlers zu entsprechen. Löst er den Bundestag auf, muss Steinmeier innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen ansetzen. Als wahrscheinlicher Termin gilt der 23. Februar 2025.
Dass Steinmeier eine alternative Regierung zustande bekommt, gilt als ausgeschlossen. Die Parteien haben bereits die Hochphase des Wahlkampfs eingeläutet: Am Dienstag präsentieren mit der SPD, den Grünen und der Union gleich drei Parteien ihre Wahlprogramme. Die AfD hatte ihres bereits Ende November vorgelegt. Bei SPD, Grünen und AfD sind es bislang Entwürfe, an denen es auf den Parteitagen noch einzelne Änderungen geben dürfte.
Es sind diese vier Parteien, die einen Anspruch auf das Kanzleramt erheben und mit einem Kanzlerkandidaten ins Rennen gehen. Wie lautet ihr Plan für Deutschland, insbesondere in den Schlüsselbereichen Wirtschaft, Soziales, Sicherheit und Migration? Und wie wollen sie ihn finanzieren? t-online mit dem Überblick.
Wirtschaft
Union: Für Friedrich Merz kommt das Thema Wirtschaft im bevorstehenden Wahlkampf und auch darüber hinaus an erster Stelle. Der CDU-Chef spricht in dem Zusammenhang von der "dringlichsten Aufgabe". "Ohne eine gute Wirtschaft läuft nichts", so Merz. Die Union will deshalb die Steuern für Unternehmen senken und den Solidaritätszuschlag abschaffen. So will man etwa die Steuern auf einbehaltene Gewinne schrittweise auf maximal 25 Prozent senken. Außerdem sollen Stromsteuer und Netzentgelte künftig niedriger ausfallen. Gleichzeitig sollen Abschreibungsmöglichkeiten verbessert werden. Im Programm ist von einem Wachstumsimpuls durch "Turboabschreibungen" die Rede.
Das nationale Lieferkettengesetz will die Union abschaffen. Und die Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie soll auf sieben Prozent fallen. Mit "Entrümpelungsgesetzen" will die Union Bürokratie abbauen. Eine "digitale Bundesagentur für Einwanderung" soll Anwerbung, Vermittlung und Visavergabe bei ausländischen Fachkräften "aus einer Hand" ermöglichen.
SPD: Um die Konjunktur anzukurbeln, setzt die SPD vor allem auf niedrigere und verlässlichere Energiepreise: Die Übertragungsnetzentgelte – die Kosten für den Netzausbau, die meist Unternehmen und Verbraucher zahlen – sollen auf drei Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden. Auch soll ein größerer Kreis stromintensiver Unternehmen von bestehenden Regeln reduzierter Netzentgelte profitieren.
"Die Zukunft der Autos liegt in der Elektromobilität", heißt es im SPD-Wahlprogramm. Verbrenner mit E-Fuels seien nicht die Lösung, stattdessen brauche man mehr Tempo beim Ausbau der Ladesäulen. Der Kauf von E-Autos soll steuerlich gefördert werden, sofern diese in Deutschland hergestellt werden.
Pauschale Steuersenkungen lehnt die SPD ab, stattdessen plädiert sie für "gezielte Anreize für Investitionen": Unternehmen, die in Deutschland in neue Geräte und Anlagen investieren, erhalten eine Steuerprämie in Höhe von zehn Prozent der Anschaffungssumme ("Made in Germany"-Bonus). Ein "Praxischeck" für neue Gesetze und eine stärkere Digitalisierung sollen beim Bürokratieabbau helfen.
Grüne: Ein Schwerpunkt für die Grünen ist es, den Strom für die Wirtschaft günstig zu machen. Sie wollen die Netzentgelte langfristig übernehmen und die Stromsteuer auf das europäische Minimum senken. Zudem soll es eine "dauerhafte und breitere" Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen im globalen Wettbewerb geben.
Um Bürokratie abzubauen, sollen die "Praxischecks" flächendeckend ausgerollt werden. Für mehr Investitionen soll es für alle Unternehmen eine "unbürokratische Investitionsprämie von 10 Prozent" geben.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, soll mit einem "Qualifizierungsgeld" die Aus- und Weiterbildung attraktiver werden, Kosten für Kinderbetreuung sollen "umfangreicher bei der Steuer absetzbar sein". Visa für Fachkräfte aus dem Ausland sollen mithilfe einer "digitalen Einwanderungsagentur" einfacher online beantragt werden können und Abschlüsse mit einer zentralen Anerkennungsstelle leichter anerkannt werden. Mit "ausgewogenen Handelspartnerschaften" sollen Absatzmärkte erschlossen werden.
AfD: Die AfD fordert in ihrem Entwurf den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union, will den Euro abschaffen und die D-Mark wieder einführen. Die Sanktionen gegen Russland, das gegen die Ukraine Krieg führt, will die AfD vollständig aufheben, die Nord-Stream-Pipelines reparieren, wieder russisches Gas beziehen und auch sonst zu einem völlig "ungestörten" Handel mit Russland zurückkehren. Die Verbindungen zu China sollen ausgebaut werden.
Förderungen für E-Mobilität und Ladesäuleninfrastruktur will die AfD komplett streichen und unter anderem das Verbrennerverbot, die CO2-Abgabe, das Heizungs- sowie das Lieferkettengesetz abschaffen. Stattdessen will sie Atomkraftwerke wieder in Betrieb nehmen und Laufzeiten für Kohlekraftwerke verlängern.
Steuern und Finanzen
Union: Neben den Entlastungen für die Unternehmen versprechen CDU und CSU eine "Agenda für die Fleißigen". Heißt übersetzt: Die Union will, dass Leistung wieder im Vordergrund steht. So soll etwa der Einkommenssteuertarif schrittweise sinken und regelmäßig an die Inflation angeglichen werden. Zudem soll der Spitzensteuersatz "deutlich" erhöht werden. Derzeit greift er ab einem Einkommen von 66.761 Euro. Wie weit er genau angehoben werden soll, geht aus dem Programm nicht hervor. Zudem soll der Soli, der inzwischen nur bei höheren Einkommen anfällt, ganz gestrichen werden.
Berufspendler sollen eine höhere Pendlerpauschale bekommen. Überstundenzuschläge sollen auch bei Vollzeitbeschäftigten steuerfrei werden.
SPD: Ob sanierungsbedürftiges Bahnnetz, veraltete Schulgebäude oder abgewanderte Arbeitsplätze – die SPD beklagt die fehlenden Investitionen der vergangenen Jahre. Um mehr Investitionen vor allem in die Infrastruktur zu ermöglichen, will die Kanzlerpartei die Schuldenbremse reformieren. So sollen etwa die Konjunkturkomponente, die Kreditobergrenze und die Notlagenregelung angepasst werden.
- Programmentwürfe von Union, SPD, Grünen und AfD