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Laschet und die Union am Abgrund – hilft der Wahlkampf mit Marmelade?


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Laschet und die Union
Am Abgrund


Aktualisiert am 21.08.2021Lesedauer: 5 Min.
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Wahlkampfauftakt der Union: Erstmals schaltete sich in Berlin auch Angela Merkel ein. Eindrücke der Veranstaltungen sehen Sie im Video. (Quelle: reuters)
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Die Union sinkt in den Umfragen immer tiefer, parteiintern macht sich Panik breit. Der heutige Wahlkampfauftakt soll die Wende bringen – und ein CDU-Team könnte den wankenden Kanzlerkandidaten retten.

Markus Söder lächelt so milde ins Publikum, als wolle er gleich eine Katze kraulen. Dann schnurrt, Pardon, sagt er: "Wir kriegen das, glaube ich, gemeinsam gut hin, Armin." Dabei hatte Söder zuvor noch in einem Interview mit dem "Münchner Merkur" gepoltert, der Umfragetrend sei "noch nicht ausreichend". Und in Bayern hätte man vielleicht ein besseres Ergebnis erzielen können, "wäre ich Kanzlerkandidat geworden". Doch nun scheint sein Groll verflogen. Markus Söder ist vorerst friedlich, das ist die wichtigste Botschaft. Aufatmen in der CDU.

Söder steht an diesem Samstagvormittag auf der Bühne im Berliner Tempodrom, die Union hat die Halle gemietet für ihren "Start in die heiße Wahlkampfphase". Der CSU-Chef, Kanzlerin Angela Merkel und der Kanzlerkandidat Armin Laschet halten dabei schwungvolle Reden, in denen sie die Einigkeit der Schwesterparteien betonen. Außerdem werden etliche motivierende Filmchen, die Wahlkampfspots der CDU, vorgeführt.

Das soll auch die eigenen Mitglieder motivieren, denn 36 Tage vor der Bundestagswahl sieht die Lage schlecht aus. Die Grünen wurden zwar in den Umfragen wieder leicht abgehängt, dafür sind die Sozialdemokraten fast gleichauf: Union und SPD liegen bei knapp über 20 Prozent. Alle möglichen Regierungskonstellationen sind plötzlich denkbar – und viele davon kommen ganz ohne die CDU aus. Die Partei, die seit 16 Jahren in Deutschland regiert, blickt in einen Abgrund.

"Überzeugt, dass wir den Tiefpunkt erreicht haben"

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble warnte bereits bei RTL/n-tv: "Solche Trends bergen immer die Gefahr, dass sie sich verfestigen." Damit das nicht passiert, soll die Veranstaltung an diesem Samstag die Wende für die Christdemokraten bringen. Tenor: Wir schaffen das – auch, indem wir das miserable Image unseres Kanzlerkandidaten Laschet wieder aufpolieren.

Etwa 20 Stunden vor Söders schnurrendem Auftritt im Berliner Tempodrom steht Fritz Güntzler vor dem Göttinger Hauptbahnhof und verteilt Marmelade mit seinem Namen darauf. Güntzler, 55 Jahre alt, ist stellvertretender Landeschef der Partei in Niedersachsen und CDU-Bundestagsabgeordneter. Fast pausenlos macht er in diesen Tagen Marmeladen-Straßenwahlkampf, denn er steht unter besonderem Druck: Güntzler ist nicht über die Landesliste der CDU abgesichert, er muss seinen Wahlkreis als Direktkandidat gewinnen, um erneut ins Parlament einzuziehen.

Einfach wird es nicht, das liegt auch an der Unbeliebtheit des Kanzlerkandidaten. Güntzler hatte pressewirksam für Söder als Kandidat gekämpft, jetzt muss er das Konterfei von Laschet auf die Plakate in Göttingen kleben. Angesprochen auf die Krise der CDU atmet Güntzler tief ein und sagt: "Ich bin davon überzeugt, dass wir den Tiefpunkt erreicht haben. Jetzt müssen wir nur noch mehr in den Wahlkampfmodus schalten." Doch die Reaktionen auf Laschet seien bei ihm vor Ort "unterschiedlich". Das wissen auch seine Kollegen.

"Wie die Reichskanzlei im Mai 1945"

Thorsten Frei, Vizechef der Unionsfraktion, mahnt deshalb, man brauche jetzt "den Mut, die Themen zuzuspitzen und die Unterschiede zu den anderen Parteien deutlich zu machen". Die konservative Brandenburger CDU-Abgeordnete Jana Schimke formuliert schon etwas schärfer: "Wir müssen von einem furchtbar inhaltsleeren und auf Personen fokussierten Wahlkampf wegkommen zu einer Diskussion über die Zukunft Deutschlands."

Andere, die ihren Wahlkreis ebenfalls verteidigen müssen, werden noch deutlicher. In der Fraktionssitzung am Freitag fragte die Düsseldorfer Abgeordnete Sylvia Pantel, ob man den Kanzlerkandidaten austauschen könnte, sollten die Umfragewerte sich nicht verbessern. Und im internen Chat der Abgeordneten schrieb der CDU-Abgeordnete Axel Müller über die Parteizentrale: "Das Adenauerhaus kommt mir manchmal wie die Reichskanzlei im April/Mai 1945 vor, ihr arbeitet mit Divisionen, die es nicht mehr gibt und schickt Rentner und die JU auf die Straße." Ein Vergleich der Parteifreunde mit dem "Volkssturm" der Nationalsozialisten am Ende des Zweiten Weltkriegs – der Ton ist zurzeit recht schrill in der Partei. Das ist die Folie, vor der an diesem Samstag die Wende der CDU eingeläutet werden soll.

Armin Laschet beobachtet seine Parteifreunde genau. Und damit sich die Wogen glätten, war er extra früher als geplant nach Berlin gefahren, zur rechtzeitigen Vorbereitung der Veranstaltung. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", das bereits am Freitag verbreitet wurde, hatte er ein "Paket zur Planungssicherheit" vorgeschlagen, Genehmigungsverfahren sollen künftig weniger bürokratisch ablaufen. Das war natürlich nur ein kleiner Vorstoß, doch Laschets Auftakt für den Samstag.

Kommt jetzt das Team?

Er hielt dann am Samstag eine Rede, bei der er schon mal übte für das Kanzleramt. Laschet vollführte dabei einen politischen Rundumschlag: Es ging um Außenpolitik mit Afghanistan sowie Innenpolitik mit dem Bekämpfen von Clans. Zudem attackierte Laschet die Grünen und die SPD, er fand sogar schmeichelnde Worte für Markus Söder. Kernsatz seiner Rede: "Ich werde dafür kämpfen, dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird!"

Rückenwind gab es dafür von der Kanzlerin, die in dem gesamten Wahlkampf nur zwei Auftritte absolvieren wird: Einen jetzt und einen weiteren dann ganz am Schluss. Merkel lobte Laschet als einen integeren Politiker, für den das "C" in der CDU der "Kompass" sei und der "Brücken bauen" könne.

Doch in der Parteispitze will man sich nicht darauf verlassen, dass die Beliebtheit des Brückenbauers ab jetzt automatisch zunimmt. Darum soll der CDU-Wahlkampfauftakt am Samstag nicht nur der Startschuss für die Kampagne sein, er soll auch eine neue Phase einläuten: Seit Wochen rufen Mitglieder aus der Fraktion im Tagesrhythmus bei Fraktionschef Ralph Brinkhaus und dem Generalsekretär Paul Ziemiak an.

Erst wurde gefragt, wann denn die CDU sich breiter aufstelle. Dann wurde selbst Hilfe angeboten. Und mittlerweile, so heißt es aus Unionskreisen, werde regelrecht auf eine Aufstellung eines CDU-Teams gedrängt. Damit nicht der alleinige Fokus auf Laschet liege.

Keine Köpfe aus der aktuellen Bundesregierung

Armin Laschet hatte bereits am Freitag vor Unionsabgeordneten gesagt: "Wir müssen mehr Köpfe zeigen und zeigen, dass wir ein starkes Team haben." Aus der Parteispitze ist zu hören, dass es verschiedene Fachleute sein sollen, die Laschet unterstützen. Immer wieder könnte es gemeinsame inhaltliche Termine mit dem Kanzlerkandidaten in den nächsten Wochen geben.

Die Namen, die kursieren, sind vielfältig: Den Bereich Familienpolitik könnte Parteivize Silvia Breher abdecken, den Bereich Landwirtschaft die Fraktionsvize Gitta Connemann, Innenpolitik der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thorsten Frei. Digitalpolitik die CDU-Politikerin Nadine Schön, Außenpolitik Norbert Röttgen oder Johann Wadephul, Verteidigung Thomas Silberhorn oder Henning Otte.

Bemerkenswert an der Liste mit Namen ist: Fast niemand aus der aktuellen Bundesregierung findet sich darauf. Laschet soll, so die Hoffnung auch aus der Fraktion, sich mit neuen Köpfen profilieren, die glaubhaft für eine Erneuerung stehen.

Und die Union müsste dazu weiterhin geschlossen auftreten, ohne Querschüsse aus Bayern. Ob das so bleibt? Noch während Söder am Samstagmittag seine Rede hielt, lief eine neue Umfrage über die Nachrichtenticker. Die CSU ist mittlerweile auf 34,5 Prozent abgerutscht, den schlechtesten Wert seit zwei Jahren. Eine Äußerung von Markus Söder, wer dafür verantwortlich ist, steht noch aus.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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