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Slomka springt für Illner ein: Was, so geht Talkshow auch?


Slomka springt für Illner ein
Was, so geht Talkshow auch?

MeinungEine TV-Kritik von Nina Jerzy

Aktualisiert am 25.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Marietta Slomka (Archivbild): Sie führte souverän durch die jüngste ZDF-Talkshow zum Thema Krieg in der Ukraine.Vergrößern des Bildes
Marietta Slomka (Archivbild): Sie führte souverän durch die jüngste ZDF-Talkshow zum Thema Krieg in der Ukraine. (Quelle: imago-images-bilder)

Wenn eine Talkrunde keine Egoshow ist, gewinnen am Ende alle. Marietta Slomka bewies als souveräne Corona-Vertretung von Maybrit Illner, dass weniger wirklich mehr ist – gerade in Zeiten wie diesen.

Diese Corona-Vertretung sollte den Entscheidern in Mainz zu denken geben. Maybrit Illner konnte wegen einer Corona-Erkrankung am Donnerstag zum zweiten Mal nicht durch ihre Talkshow führen. Nach Theo Koll übernahm dieses Mal Marietta Slomka die Vertretung.

Die "heute journal"-Moderatorin erwies sich dabei geradezu als Labsal für Zuschauer, bei denen während Talkshows regelmäßig der Blutdruck steigt.

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Hier wurde nicht egozentrisch unterbrochen oder sich aufgeregt verhaspelt. In ihrer Runde konnte tatsächlich miteinander geredet werden – unaufgeregt, aber intensiv; sachlich, aber auch mal persönlich betroffen. Manch ein Zuschauer war zwischenzeitlich vielleicht sogar ein wenig verwirrt: Was, so geht Talkshow auch? Bitte mehr davon.

Die Gäste

  • Alexander Rodnyansky, Wirtschaftsberater von Präsident Selenskyj
  • Norbert Röttgen (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
  • Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments
  • Florence Gaub, EU-Sicherheitsexpertin
  • Constanze Stelzenmüller, Denkfabrik Brookings Institution in Washington, D.C.

Dabei half, dass sich die Gäste bei "Marietta Slomka" (so wurde die Sendung aus dem Off eingeleitet) weitgehend einig waren: Putin darf in der Ukraine ganz einfach nicht siegen. "Denn, wenn er gewinnt, dann haben wir ein anderes Europa", warnte Norbert Röttgen (CDU). "Dann wird die Welt die Lehre ziehen: Krieg als Mittel der Politik hat sich gelohnt."

Die Bundesregierung lässt nach Ansicht des Außenpolitikers noch zu wenig Taten sprechen. "Deutschland ist zögerlich, verspricht weniger als andere und liefert noch weniger", monierte Röttgen etwa mit Blick auf Rüstungslieferungen. "Wir sind der viertgrößte Waffenexporteur der Welt, aber Dänemark überholt uns." Auch bei der Frage eines Embargos für russische Energie in der Europäischen Union laufe es nur auf eine Antwort hinaus: "Es hängt an Deutschland."

Röttgen: Kein russisches Gas mehr

Röttgen hat gerade einen Aufruf für ein sofortiges Öl- und Gasembargo unterzeichnet. "Wir finanzieren jeden Tag mit 600 bis 700 Millionen Euro die russische Kriegsmaschinerie", klagte er an.

Deutschland könne einen sofortigen Stopp von Energielieferungen verkraften: "Kein Ökonom behauptet, dass wir damit unsere Wirtschaft ruinieren." Dass russisches Öl und Erdgas, wie gerade vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gefordert, künftig in Rubel bezahlt wird, hielt der Christdemokrat für ausgeschlossen: "Dann könnten wir den russischen Soldaten gleich ihren Sold in Rubel bezahlen."

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Selenskyj-Berater: Sanktionen des Westens zeigen Wirkung

Alexander Rodnyansky, Wirtschaftsberater des ukrainischen Regierungschefs Wolodymyr Selenskyj, wertete Putins Rubel-Forderung als Zeichen dafür, dass die harten Sanktionen des Westens Wirkung zeigen.

Andererseits gelinge es dem Kreml so, die russische Währung zu stärken. "Putin passt sich an, an die Sanktionen, es gelingt ihm zum Teil, deshalb muss der Druck steigen", forderte der gebürtige Kiewer, der als Assistenzprofessor an der Universität Cambridge Wirtschaftswissenschaften lehrt und fließend Deutsch spricht.

Ein Importstopp für Öl und Gas wäre seiner Ansicht nach der beste Weg, um die russische Kriegsmaschinerie ins Stocken zu bringen. Sollte das autoritäre Regime dadurch geschwächt werden, könne dies sogar eine demokratische Entwicklung in Gang setzen, spekulierte der Ökonom.

Er nahm dabei insbesondere die Oligarchen in den Blick. Die russische Elite gebe Hunderte von Millionen von Dollar für Jachten aus. "Das sind offenbar Menschen, die gern (gut) leben", schlussfolgerte der Selenskyj-Berater.

Sollte dieser Lebensstil durch den Krieg in seiner Heimat bedroht sein, könne der Rückhalt für Putin möglicherweise schwinden. "Mit dem zukünftigen demokratischen Russland kann man vielleicht auch reden", meinte Rodnyansky. Aktuell aber gelte trotz Verhandlungen: "Mit diesem Regime, das den Krieg angefangen hat, ist langfristig kein Frieden zu machen."

Barley: Einigkeit Europas schon wieder brüchig

"Putin ist unberechenbar, wenn er in die Ecke gedrängt ist", warnte die zugeschaltete SPD-Politikerin Katarina Barley. Sie hatte Europa eingangs eine nie da gewesene Einigkeit attestiert. Die wird laut der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments allerdings schon wieder brüchig, wenn es um einen Öl-Importstopp geht: "Bei aller Geschlossenheit der Europäischen Union wird diese Diskussion nicht ehrlich geführt."

Laut Barley gibt es in Spanien bereits LNG-Terminals, über die das dringend benötigte Flüssiggas importiert werden könnte. Frankreich aber verweigere die Durchleitung – vermutlich, um den Markt für den heimischen Atomstrom zu schützen.

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Constanze Stelzenmüller von der US-amerikanischen Denkfabrik Brookings gehört wie Röttgen zu den Unterzeichnern des Öl-Embargo-Aufrufs. Man merkte aber, wie gravierend diese Entscheidung für sie war.

"Atomare Drohung ist Zivilisationsbruch"

Die Expertin für transatlantische Beziehungen und Sicherheitspolitik brauchte einige Sekunden, ehe sie sagte: "Ich habe im Laufe der letzten zehn Tage meine Meinung geändert." Der Grund: Russland führe nicht nur einen Zermürbungs-, sondern einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. "Wir haben für wesentlich weniger anderswo interveniert: in Bosnien, im Kosovo, in Libyen. Wir tun es nur deshalb hier nicht – und das weiß Putin ganz genau – wegen der Nuklearwaffen", sagte sie und warf Putin vor: "Selbst die Drohung mit Atomwaffen ist ein Zivilisationsbruch."

"Nicht die Bombe, sondern die Angst vor der Bombe ist die Waffe", wiederholte EU-Sicherheitsexpertin Florence Gaub ihre Position, die sie am Dienstag bei "Markus Lanz" vertreten hatte.

Dort hatte sich der Moderator eingangs gut 20 Minuten ausschließlich mit der stellvertretenden Direktorin des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (EUISS) in Paris unterhalten, ehe er sich dem nächsten Gast zuwandte.

Während es bei Lanz irgendwie kein Zufall zu sein scheint, dass kein Gast zu seiner Rechten Platz nehmen darf, brachte Slomka scheinbar mühelos eine lebhafte Unterhaltung in ihrer Runde in Gang.

Slomka liefert souverän eine gute Show ab

Vielleicht war es auch ein wenig der ungewohnten Rolle im "Maybrit Illner"-Studio geschuldet, vermutlich aber in erster Linie der journalistischen Souveränität: Slomka drängte sich nicht in den Vordergrund, war aber stets eindeutig der Mittelpunkt der Sendung und das bis zum gelungenen Schlusspunkt.

Während Illner schon mal hilflos etliche Minuten überziehen musste, weil sie ihre Gäste einfach nicht zum Schweigen bringen konnte, beendete Slomka die Talkshow ungewohnt pünktlich, gelassen und persönlich.

"Sie fahren zurück nach Kiew?", fragte sie Rodnyansky. Der Präsidentenberater bejahte dies: "Bald." "Dann passen Sie gut auf sich auf", sagte Slomka.

Ans Publikum – und womöglich ein wenig an sich selbst – gerichtet, endete sie mit den Worten: "Manchmal glaubt man seinen eigenen Ohren nicht, was für Fragen man stellt. Aber so sind unsere Zeiten."

Verwendete Quellen
  • "Maybrit Illner" vom 24. März 2022
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