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Landtagswahlen in Brandenburg & Sachsen: Kann die AfD stärker werden?


AfD vor den Landtagswahlen
Ausgewachsen

Von Jonas Schaible und Daniel Schreckenberg

Aktualisiert am 01.09.2019Lesedauer: 6 Min.
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Björn Höcke (l.) und Andreas Kalbitz (m.), die AfD-Spitzenkandidaten in Thüringen und Brandenburg auf einer Wahlkampfveranstaltung: Für ihre Wähler kommt kaum eine andere Partei infrage.Vergrößern des Bildes
Björn Höcke (l.) und Andreas Kalbitz (m.), die AfD-Spitzenkandidaten in Thüringen und Brandenburg auf einer Wahlkampfveranstaltung: Für ihre Wähler kommt kaum eine andere Partei infrage. (Quelle: Jens Schlueter/Getty Images)

Die AfD könnte in Brandenburg, Sachsen und Thüringen jeweils stärkste Partei werden. Aber wächst sie eigentlich noch und gibt es Grenzen für sie?

Wenn am Sonntag in Brandenburg und Sachsen und wenn am 27. Oktober in Thüringen neue Landtage gewählt werden, könnte die AfD einigen Umfragen zufolge in jedem der drei Bundesländer stärkste Partei werden. In Sachsen holte sie bei der Bundestagswahl 2017 schon mehr Zweitstimmen als die CDU, bei der Europawahl lag sie in Sachsen und Brandenburg vorn.

Aber wie stark ist sie wirklich? Woher kommen ihre Wähler? Welches Potenzial hat sie noch? Einige Beobachtungen.

1. Sie wächst sich nicht nach oben, sie wird dorthin geschrumpft

Ja, die AfD ist erfolgreicher geworden. Bei der Bundestagswahl 2013 scheiterte sie noch an der Fünfprozenthürde. Im Folgejahr zog sie dann schon in drei Landtage ein. Dann kam der Sommer 2015, die Republik sprach wochen- und monatelang fast nur noch über Flüchtlinge. Die Umfragewerte der AfD stiegen und im Jahr 2016 zog sie in fünf Landtage ein und holte 15 Prozent in Baden-Württemberg. Mittlerweile ist sie in allen Landtagen vertreten. Sie steht in Ostdeutschland zumindest bei 20 bis 25 Prozent: Solche Werte erreichten seit Jahrzehnten nur Union und SPD. Aber sie schnitt bei der Europawahl 2019 etwas schlechter ab als bei der Bundestagswahl 2017. Sie wächst also nicht kontinuierlich.

Die erste Umfrage, in der die AfD auf Landesebene in Sachsen allein stärkste Partei war, wurde am 13. Juni 2019 veröffentlicht, in Brandenburg am 11. Juni 2019. Beide Umfragen zeigten keinen neuen Bestwert für die AfD, nicht einmal einen ungewöhnlichen. Aber die anderen Parteien, die CDU in Sachsen und CDU und SPD in Brandenburg, hatten in den Wochen zuvor schnell an Zustimmung verloren.

Die AfD steigt also nicht auf, weil sie immer stärker wird, sondern weil die anderen schwächer werden. Sie wird von anderen an die Spitze geschrumpft.

2. Die Werte sind seit Langem auffallend stabil

Das passiert aber nur deshalb, weil die AfD selbst zwar nicht immer stärker wird – aber eben auch nicht schwächer. Tatsächlich sind ihre Werte seit zwei, drei Jahren bemerkenswert stabil.

Im November 2016 kam sie zum ersten Mal in einer Umfrage auf 25 Prozent in Sachsen. In 19 Umfragen seitdem kam sie auf durchschnittlich 24,3 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 holte sie in Sachsen 27 Prozent der Zweitstimmen und 25,4 Prozent der Erststimmen. Bei der Europawahl 2019 gewann sie 25,3 Prozent. In Brandenburg erreichte die AfD im Mai 2016 zum ersten Mal 20 Prozent in einer Umfrage. Bei der Bundestagswahl im September 2017 holte sie 20,2 Prozent der Zweitstimmen. Seitdem liegt sie in diesem Zeitraum in 14 Umfragen im Schnitt bei 20,6 Prozent. Bei der Europawahl holte sie 19,9 Prozent der Zweitstimmen.

Seit 2016 ist viel passiert: Donald Trump wurde gewählt und ins Amt eingeführt, der Brexit wurde mehrfach verschoben, in Hessen und Bayern wurden neue Landtage gewählt, es gab einen neuen Bundestag und ein neues Europaparlament, in Chemnitz kam es zu sehr rechten Großdemonstrationen und in Berlin mit "unteilbar" zu einer viel größeren Gegendemonstration. Angela Merkel kündigte ihren Abschied aus der Politik an, Annegret Kramp-Karrenbauer wurde CDU-Chefin, die SPD machte Martin Schulz zum Parteichef, jagte ihn vom Hof, wählte Andrea Nahles zur Parteichefin und jagte auch sie vom Hof. Robert Habeck und Annalena Baerbock wurden Grünen-Vorsitzende und Markus Söder CSU-Chef.

Während dieser Zeit änderte sich an der Zustimmung zur AfD in Sachsen und Brandenburg wenig.

3. Unterschiede zwischen nationalen Wahlen und lokalen Wahlen

Gleichzeitig zeigt sich: Noch immer gibt es Unterschiede zwischen deutschlandweiten Wahlen (Bundestagswahl, Europawahl) und lokalen Wahlen. Es spielt also schon eine Rolle, wer kandidiert, wer sonst zur Wahl steht und welche Themen dominieren.


Am 25. Mai 2019 wurden zeitgleich die Europawahl und in mehreren Bundesländern auch Kommunalwahlen abgehalten. Bei der Europawahl bekam die AfD in Sachsen 25,3 Prozent, bei den Kommunalwahlen (Kreistage und Gemeinderäte) nur 15,3 Prozent; in Brandenburg (Europa: 19,9 Prozent; Kommunal: 15,9 Prozent) und Thüringen (Europa: 22,5 Prozent; Kommunal: 17,7 Prozent). Bei der Europawahl war sie in Sachsen und Brandenburg stärker als die CDU, bei den Kommunalwahlen schwächer.

Mögliche Gründe: Bei der Europawahl zählt auch die Haltung zur EU und keine große deutsche Partei lehnt die EU so entschieden ab wie die AfD. Bei Kommunalwahlen dagegen entscheiden die Wähler stärker nach Kandidaten oder lokalen Problemen, sie geben weniger einen Kommentar zur Bundespolitik ab. Die größeren, besser verwurzelten Parteien haben mehr und flächendeckend Kandidaten als eine junge Partei wie die AfD. Außerdem treten gerade in Gemeinden oft lokale Wahlbündnisse an, es gibt also eine Alternative jenseits von CDU, SPD, Linke, FDP und Grünen mehr.

4. AfD-Wähler zurückgewinnen? Wenig erfolgversprechend

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Auch wenn jedes Mal andere Menschen befragt werden und man nicht genau weiß, ob sich Menschen von der Partei abwenden und sich ihr neue zuwenden, deutet das darauf hin, dass sie mittlerweile eine große Menge überzeugte Anhänger hat; aber auch nicht mehr für sehr viele andere interessant ist.

"AfD-Wähler sind deutlich weniger offen für andere Parteien als die Wähler anderer Parteien", sagt Aiko Wagner, Politikwissenschaftler an der Universität Potsdam, der zu diesem Thema forscht. Dieser Trend verstärke sich sogar, sagt Wagner, der Umfragedaten zu den Bundestagswahlen 2013 und 2017 verglichen hat: "Während sich Wähler allgemein seit längerer Zeit eher für neue Parteien öffnen und Parteibindungen abnehmen, kommt für AfD-Wähler zunehmend nur noch die AfD infrage." Das ist besonders ungewöhnlich, weil Parteien, die wachsen, also neue Wähler anziehen, natürlicherweise eher eine offenere Wählerschaft bekommen. Bei der AfD beobachte man nun das Gegenteil, obwohl die Partei 2013 nur 4,7 Prozent bekam und 2017 schon 12,6 Prozent.

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Für andere Parteien sei es derzeit wenig erfolgversprechend, diese Wähler zurückgewinnen zu wollen, sagt Wagner deshalb. So sieht es aktuell auch der wahlkämpfende sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): "Viele von denen, die bei der Europawahl AfD gewählt haben, werden jetzt wahrscheinlich auch AfD wählen", sagte er t-online.de. Es ist unwahrscheinlich, dass die AfD schnell Wähler an andere Parteien verliert. Denkbar ist aber, dass Menschen, für die nur die AfD infrage kommt, einfach gar nicht zur Wahl gehen. Da die AfD viele ehemalige Nichtwähler mobilisiert, ist das eine echte Gefahr für sie.

5. Wenig Raum, zu wachsen

Gleichzeitig sei aber auch keine andere Partei so unwählbar wie die AfD, sagt Wagner. Eine Studie des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (WZB) in Berlin und der Bertelsmann-Stiftung ergab 2018, dass 71 Prozent der Wahlberechtigten es ausschließen, die AfD zu wählen. Zwischen 70 und 80 Prozent der Wähler, aber auch der Nichtwähler, sagen auch in anderen Umfragen, sie würden der AfD nie ihre Stimme geben, sagt Wagner. "Man kann davon ausgehen, dass die AfD ihr Potenzial momentan extrem gut ausschöpft, viel besser als andere Parteien", sagt er. "Die AfD mobilisiert rund 90 Prozent ihrer derzeitigen potenziellen Wähler." Im Westen liege das Potenzial bei gut zehn, im Osten bei gut 20 Prozent, regional auch mal höher.


Das heißt: Die AfD kann derzeit wahrscheinlich nicht mehr stark wachsen – wenn es nicht wieder unvorhersehbare Ereignisse gibt wie 2015, als plötzlich extrem viele Flüchtlinge nach Europa kamen. Viel hänge von zwei Faktoren ab, sagt Politikwissenschaftler Aiko Wagner: Ob der Einfluss des sogenannten "Flügels" um Björn Höcke in der AfD weiter wachse, wonach es derzeit aussieht, und wie sehr sich die Menschen an die AfD als normale Partei gewöhnen. Die Linke etwa habe es auch geschafft, grundsätzliche Vorbehalte bei vielen abzubauen. Voraussetzung dafür sei aber ein Kurswechsel. Radikalisiert sich die Partei weiter, werde sie von anderen Parteien kaum Wähler abwerben.

Verwendete Quellen
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