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Klausurtagung in Meseberg: In der Ampelkoalition kracht es gewaltig


Ampelklausur in Meseberg
Es brennt an allen Enden


Aktualisiert am 05.03.2023Lesedauer: 6 Min.
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Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Die Bundesregierung steht vor der dringenden Aufgabe, die "Zeitenwende" voranzutreiben.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Die Bundesregierung steht vor der dringenden Aufgabe, die "Zeitenwende" voranzutreiben. (Quelle: Fabrizio Bensch/dpa)

Die Ampel trifft sich zur Klausurtagung in Meseberg. Doch die Stimmung ist gereizt – Streitthemen gibt es viele.

Die Vertreter der Ampelkoalition ziehen sich zwei Tage lang auf das Barockschloss Meseberg in Brandenburg zurück – und haben viele Streitthemen im Gepäck. Kindergrundsicherung, Autobahnausbau, Gasheizungsverbot: Es gibt Streit, Streit und nochmal Streit.

Zwar steht keines dieser Themen auf der offiziellen Tagesordnung für Sonntag oder Montag. An den beiden Tagen soll es beispielsweise um "Wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands und Europas in der Zeitenwende" und um die "Energiewende 2030" gehen.

Trotzdem werden sich die akuten Problemthemen wohl nicht ignorieren lassen. "Natürlich bietet sich am Rande dieser Zusammenkünfte in der Ruhe und in der Zeit, die man hat, auch die Möglichkeit, das ein oder andere Thema am Rande, bei dem es leichte Reibungen geben könnte, auch miteinander zu klären", sagte Regierungssprecher Hebestreit in der vergangenen Woche.

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Worüber zofft sich die Regierung gerade – und wie verhärtet sind die Fronten? Eine Übersicht über die akutesten Probleme.

Der Streit um die Junkfood-Werbung

Worum geht es? Um Reklame für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett oder Salz. Und die sich explizit an Kinder richtet. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schlägt ein Verbot dafür vor, sein Entwurf geht jetzt in die Abstimmung mit den anderen Ministerien. Özdemir sagte dazu: "Bei Kindern hört der Spaß auf, auch der Werbespaß." Teil seines Vorschlags ist: Solche Werbung soll im Fernsehen von 6 bis 23 Uhr nicht zulässig ein, wenn sie dabei regelmäßig auch von Kindern wahrgenommen werden kann.

Prompt folgte scharfe Kritik vom Koalitionspartner FDP. Fraktionschef Christian Dürr sagte dem "Spiegel": "Grundsätzliche Verbote würden dazu führen, dass Kinder abgeschirmt, aber nicht aufgeklärt werden. Das geht am Kern des Problems vorbei." In der FDP glaubt man, man müsse eher Ernährungsexperten an Schulen vermitteln, die dann über einen kritischen Umgang mit Werbung aufklären könnten.

Wie sind die Lösungschancen? Der Streit offenbart alte Reflexe: Die Grünen, die für das hehre Ziel schnell nach Verboten rufen, einerseits. Und die FDP, die für Freiheit – im Zweifel auch in der Werbung – eintritt. Ganz klar ist noch nicht, wer sich durchsetzt, auch weil der Vorschlag von Özdemir so frisch ist. Das Papier wird nun zwischen den Ministerien abgestimmt und vermutlich noch erheblich abgeschwächt.

Der Streit um das Gasheizungsverbot

Worum geht es? Die Ampelregierung will, dass schon bald nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden können. Ab 2025 steht im Koalitionsvertrag, schon ab 2024 hatte der Koalitionsausschuss vor knapp einem Jahr beschlossen.

Mit klassischen Öl- und Gasheizung funktioniert das nicht, so sehen es jedenfalls Grüne und SPD. Deshalb sieht ein Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Klara Geywitz (SPD) vor, den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 zu verbieten. Die FDP läuft Sturm. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte die Pläne bei t-online "kompletten Unsinn" und kündigte an: "Als FDP werden wir das zu verhindern wissen."

Wie sind die Lösungschancen? Eigentlich scheint die Sache klar zu sein: Die Koalition hat das Projekt zweimal vereinbart, also müsste es auch kommen. Die FDP argumentiert, die Gasnetze und Heizungen könnten mit Biomethan oder Wasserstoff weitergenutzt werden. Was andere besonders für die große Masse an Heizungen bezweifeln.

Grüne und SPD wiederum stellen Bedingungen, die für die FDP als schwierig zu erfüllen erscheinen: Sie wollen den Umstieg auf Wärmepumpen am liebsten noch stärker fördern, als das bisher schon geschieht. Das würde aber neues Geld kosten, welches Finanzminister Christian Lindner (FDP) gerade zusammenzuhalten versucht.

Der Streit um die E-Fuels

Worum geht es? Ein Schritt voran und nun wieder zwei zurück? Die Ampelkoalition hat sich diese Woche auf die Details geeinigt, mit denen sie E-Fuels (also Kraftstoffe, die mittels erneuerbarer Energien synthetisch hergestellt werden) in Deutschland zulassen will. Ein schon befriedet geglaubter Streit brach aber wieder auf: Die FDP drohte damit, gegen das für 2035 geplante Aus für die Neuzulassung von Autos mit Verbrennermotoren in der EU ein Veto einzulegen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) kündigte an, dem werde man nur zustimmen, wenn weiterhin Verbrenner zugelassen würden, die E-Fuels tanken. Nun hat die EU den für kommenden Woche geplanten Beschluss verschieben müssen.

Wie sind die Lösungschancen? Die FDP ist in einer schwierigen Position: Das Verbrenner-Aus ist auf EU-Ebene schon weitgehend beschlossen. Die Liberalen hoffen darauf, es im Rat noch stoppen zu können. Dazu bräuchten sie aber die Unterstützung einiger anderer EU-Staaten. Es ist ein wichtiges Symbolthema für die FDP. Doch ob sich in dieser späten Phase von einer zerstrittenen Bundesregierung noch Widerstand in Brüssel organisieren lässt?

Der Streit um die Autobahn

Worum geht es? Sollten neue Autobahn künftig genauso schnell gebaut werden wie neue Bahnstrecken und Windräder? Die Grünen sagen: Bloß nicht. Die FDP sagt: Auf jeden Fall. Die Grünen beharren darauf, dass beim Neubau die Natur-, Umwelt- und Lärmschutzstandards unangetastet bleiben. Die FDP will den Neubau wie bei den Windrädern zum "überragenden öffentlichen Interesse" erklären und die Verfahren verkürzen.

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Wie sind die Lösungschancen? Das Thema ist für beide Parteien symbolisch so stark aufgeladen, dass es die Diskussion kompliziert macht. Abseits davon gibt es bei den konkreten Bauprojekten viel Raum für Kompromisse. Bundesumweltministerin Steffi Lemke geht zwar nicht davon aus, dass der Streit auf der Koalitionsklausur gelöst werde. "Aber die Gespräche laufen natürlich auf verschiedenen Ebenen weiter", sagte sie im Interview mit t-online. Die Beteiligten geben sich optimistisch, bis Ende März soll es eine Einigung geben.

Streitpunkt Kindergrundsicherung

Worum geht es? Um eines der Prestigeprojekte der Ampelregierung: Kinder sollen gesondert gefördert werden – nach dem Willen der Grünen soll es deutlich mehr Geld für den Nachwuchs geben. Die grüne Familienministerin Lisa Paus bezeichnete die Kindergrundsicherung als "das zentrale sozialpolitische Projekt dieser Koalition". Ihr Vorschlag: Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag und weitere Einzelförderungen zusammenführen und den Zugang vereinfachen. Dafür will sie aus dem Bundeshaushalt 2025 12,5 Milliarden Euro.

Auch das stößt auf massiven Widerstand bei den Liberalen. Finanzminister Christian Lindner reagierte auf die Vorschläge von Lisa Paus im t-online-Interview. Dabei wies er darauf hin, dass das Kindergeld gerade auf 250 Euro erhöht worden sei. Lindner will lieber Eltern aus armen Familien in bessere Jobs bringen. "Höhere Transfers sind nicht immer der Königsweg", sagte Lindner. Im Klartext bedeutet das: Die gewünschten 12,5 Milliarden Euro dürften in weiter Ferne liegen.

Wie sind die Lösungsschancen? Einigermaßen hoch. Denn auch die SPD will die Kindergrundsicherung unbedingt. Dafür ist sie wahrscheinlich auch bereit, sich bei der geforderten Summe herunterhandeln zu lassen.

Paus könnte ihre vereinfachte Lösung bekommen – doch mit reichlich finanzieller Unterstützung darf sie nicht rechnen. Etwa zwei bis drei Milliarden Euro dürften realistisch sein, mutmaßt mancher in der FDP. Klar ist, dass der Druck auf die Ampel wächst: "Die neue Kindergrundsicherung sollte ein Meilenstein gegen Kinderarmut werden", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy am Wochenende dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Streit um den Bundeshaushalt

Worum geht es? Es ist eine alljährlich wiederkehrende Prozedur: Die verschiedenen Ministerien melden einen erheblichen Bedarf an zusätzlichen Mitteln an. Das bedeutet im Klartext, dass sie mehr Geld wollen. Und ebenso wiederkehrend ist, dass das Finanzministerium in der Regel nicht alle diese Wünsche erfüllt.

So ist es auch in diesem Jahr: Auf über 70 Milliarden Euro Mehrausgaben addieren sich die Wünsche aus den Ressorts – Finanzminister Christian Lindner führt bereits etliche Einzelgespräche mit den Ministern. Das ließe sich nur durch erheblich höhere Steuern oder mehr Schulden finanzieren, beides gilt für Lindner als ausgeschlossen.

Wie sind die Lösungschancen? Das kann man noch nicht sagen, weil die endgültige Abschlussrechnung noch in weiter Ferne liegt. Erst mal muss bis zum 15. März eine grobe Einigung über die sogenannten Eckwerte erzielt werden. Dann beschließt im Sommer das Kabinett den Haushalt – und im November findet die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses statt. Erst dann steht fest, wer wirklich wie viel Geld bekommt. Es gibt also noch viel Zeit für Verhandlungen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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