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ARD | Ampel-Dokumentation: Bereuen Sie etwas, Frau Baerbock?


Bereuen Sie etwas, Frau Baerbock?
Doku gibt tiefe Einblicke in die Ampel

Von dpa, cck

Aktualisiert am 12.09.2023Lesedauer: 5 Min.
1233426910Vergrößern des BildesAußenministerin Annalena Baerbock: Ob sie etwas bereue, wird sie in einer neuen ARD-Dokumentation gefragt. (Quelle: Axel Schmidt/AFP/getty-images-bilder)
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Eine neue Langzeitdokumentation zeigt die Ampelregierung hautnah – und wie sie mit der russischen Invasion in die Ukraine umgeht. Dabei geben die Politiker tiefe Einblicke.

Eigentlich wollte Stephan Lamby einen ganz anderen Film machen: Wie stemmt sich eine Regierung von SPD, Grünen und FDP gegen die Erderwärmung und organisiert den klimaschonenden Umbau der deutschen Wirtschaft? Auf diese Frage wollte der Filmemacher eine Antwort finden. Dann überwarf der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 die Pläne.

"Ernstfall – Regieren am Limit" heißt jetzt der Film, der am Montagabend um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird – und in einer längeren Fassung als dreiteilige Miniserie bereits in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Die Dokumentation gibt einen tiefen Einblick in den Bruch, den der russische Angriffskrieg für die Ampelkoalition bedeutet hat.

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Dafür hat Lamby Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) auf vielen Reisen begleitet – etwa nach Mali oder ins sachsen-anhaltinische Leuna. Dazu kommen zahlreiche, teils tiefgehende Interviews auch mit anderen Regierungsmitgliedern. Ein Überblick über fünf Schlüsselmomente:

Der Kriegsausbruch erschüttert die Ampel

Die Miniserie beginnt mit den ersten Tagen der Ampel Ende 2021. Scholz führt seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) durch ein Spalier von Mitarbeitern aus dem Kanzleramt. Eine Aufbruchsstimmung prägt die Koalition in der Zeit, Baerbock schwärmt: Jedem Anfang wohne ein Zauber inne. Wenige Wochen später ist Baerbock das erste Regierungsmitglied, das die russische Invasion als Zäsur bezeichnet: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht", sagt sie am frühen Morgen des 24. Februar auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz.

Der russische Überfall auf die Ukraine erschüttert die Politiker sichtlich. Habeck berichtet in der Dokumentation über den Abend vor der Invasion. Es habe eine Sicherheitsbesprechung im Bundeskanzleramt gegeben, die Szenarien seien dort schon sehr konkret gewesen. Er habe sich dann noch mit der US-Handelsministerin und Mitgliedern der US-Nachrichtendienste getroffen. "Die haben mich noch mal zur Seite genommen und gesagt: 'Heute Nacht passiert es'", sagt Habeck.

Die Informationen der US-Geheimdienste über die russischen Bewegungen an der Grenze zur Ukraine seien sehr konkret gewesen: "Die tauen ihre Blutkonserven auf, bemalen ihre Panzer, sie laden ihre Raketenwerfer, sie beladen ihre Flugzeuge mit den Bomben. Das macht man nicht, wenn man nur noch übt." Mit dem Bundeskanzler habe er verabredet, die Handys über Nacht anzulassen. "Als ich um vier Uhr aufwachte, waren die Meldungen da."

Auch Scholz gibt Einblicke in diese Stunden. "Das spürt man sofort, das ist jetzt nicht weit weg. Es ist furchtbar und es ist sehr nah bei uns", sagt er.

Habeck äußert sich zur umstrittenen Rolle des BND

An der Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) hat es bereits viel Kritik gegeben. Lamby fühlt dem in seiner Dokumentation nach. "Waren Sie von den deutschen Diensten ausreichend und korrekt informiert?", fragt er Habeck in einem Interview.

Der Minister hält kurz inne, antwortet dann ausweichend: "Wenn die Dienste die gleichen Informationen hatten, haben sie die unterschiedlich interpretiert. Also die Amerikaner und die Briten haben sehr stark gewarnt, dass es zu einem Kriegsausbruch kommen würde. Andere Dienste haben gesagt, das ist eine Übung, das wird nicht zum Schlimmsten kommen. Aber es ist ja zum Schlimmsten gekommen."

Lamby hakt nach: "Mit anderen Diensten meinen Sie die deutschen?" Wieder zögert Habeck kurz, zuckt mit den Schultern und sagt dann: "Ja."

Die unbequeme Frage nach dem Gas

In den ersten Wochen nach Kriegsausbruch verhängen die EU-Staaten eine ganze Reihe von Sanktionen. Ein komplettes Energieembargo gegen Russland lehnt die Bundesregierung jedoch entschieden ab.

Zur Erinnerung: Zu Beginn der Invasion war Deutschland stark von Energie-Importen aus Russland abhängig. Gas, einer der wichtigsten Energieträger, stammte 2021 etwa zu 55 Prozent von dort, weshalb international rasch der Vorwurf aufkam, Deutschland würde über diese Importe den russischen Krieg gegen die Ukraine mitfinanzieren. Die Regierung sah aber gleichzeitig den Energiebedarf der deutschen Industrie gefährdet, warnte vor einem Wohlstandsverlust – und plädierte deswegen für einen schrittweisen Ausstieg.

Dieser Balanceakt zeigt sich in der Dokumentation deutlich. Politiker, die sonst sehr offen sprechen, werden auf einmal wortkarg – und es zeigt sich eine klare Kommunikationsstrategie über die Parteien hinweg.

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Zuerst fragt Lamby Habeck: "Wissen Sie eigentlich, wie viel von Deutschland für Energie aus Russland monatlich überwiesen wird?" Habeck weicht aus: "Ich kenne die Statistiken, aber Zahlen selbst helfen Putin nicht in der Kriegskasse." Auf Nachfrage nach der Zahl sagt er: "Keine, die ich hier vortragen möchte."

Gleiches Spiel mit Lindner. Auch ihn fragt Lamby nach den Beträgen, auch er antwortet ähnlich. Es seien spekulative Annahmen, "inwieweit ein Embargo, ein Verzicht von Energieimporten, den Kriegsverlauf in der Ukraine jetzt beeinflussen würde." Wieder fragt Lamby, ob Lindner sagen könne, um welche konkreten Beträge es gehe. "Ja, kann ich", sagt er und macht eine Pause. "Ja, aber das ist nichts, was ich zum jetzigen Zeitpunkt heute für eine Langzeitdokumentation in eine Kamera sage."

"Bereuen Sie etwas?"

Besonders eindrücklich sind die langen Gespräche, die Lamby allein mit den Spitzenpolitikern führt – und in denen sie darauf eingehen, was im hektischen Alltagsgeschäft zu kurz kommt. So lautet eine Frage an Lindner und Baerbock etwa: "Bereuen Sie etwas?"

"Wir haben viele Fehler gemacht", antwortet Lindner geradeheraus. "Aus guten Motiven trifft man Entscheidungen, die sich dann im weiteren Verlauf der Dinge als falsch herausstellen." Als Beispiel nennt er zu viele kleinteilige Entlastungsmaßnahmen, die in der Fülle nicht von den Menschen wahrgenommen wurden – wie die Energiepreispauschale, die Arbeitnehmer im vergangenen September erhalten haben. Die sei sehr kompliziert in der Auszahlung gewesen, sagt Lindner.

Auch Baerbock stellt Lamby diese Frage. Sie überlegt lange. "Vielleicht ist es der Punkt, dass wir sehr frühzeitig mit mehreren Leuten in die Ukraine hätten fahren sollen. Als Teil dieser Regierung." Ob damit auch der Bundeskanzler gemeint ist? "Ohne Nachfrage ist diese Aussage", erwidert Baerbock.

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Die Außenministerin war im Mai 2022 als erstes deutsches Regierungsmitglied nach der Invasion in die Ukraine gereist. Scholz besuchte das Land einen Monat später gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron – nachdem längst eine offene Debatte ausgebrochen war, wann er in das Land reisen werde.

Zu guter Letzt: Die K-Frage

Es ist nicht alles nur Rückblick auf die vergangenen Monate. Lamby will von den Spitzenpolitikern aus der Ampel auch wissen: "Haben Sie vor, bei der kommenden Wahl als Kanzlerkandidat anzutreten?" Eine klare Antwort gibt es nur von Scholz und Lindner.

"Das habe ich. Ich möchte auch, dass die ganze Regierung wiedergewählt wird", sagt Scholz. Lindner hingegen verneint, eine Kandidatur komme für ihn nicht infrage. Die FDP hatte auch bei der Bundestagswahl 2021 keinen Kanzlerkandidaten gestellt, weil absehbar war, dass die Liberalen nicht den Kanzler stellen würden.

Die Grünen hingegen waren 2021 erstmals mit einer Kandidatur in den Wahlkampf gezogen, stellten Baerbock auf. Und was ist mit 2025? "Ich habe derzeit vor allen Dingen vor, mein Amt als Außenministerin nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. In diesen turbulenten Zeiten erfordert das all meine Energie", sagte Baerbock. Ausschließen wolle sie eine Kandidatur laut Südwestrundfunk aber nicht.

Habeck äußert sich ähnlich ausweichend: "Ich bin gerne Wirtschaftsminister, habe noch viel zu tun. Und die politische Lage erfordert alle Konzentration."

Neben Scholz fragt Lamby in der SPD auch bei Verteidigungsminister Boris Pistorius nach, laut Umfragen der beliebteste Politiker der Ampelkoalition. Pistorius antwortet, darüber habe er noch nie nachgedacht. "Ich bin viel zu lange dabei, auf verschiedenen Ebenen, um zu wissen, dass Beliebtheit auch jederzeit ins Gegenteil umschlagen kann", sagte Pistorius. "Ich fühle mich sehr wohl in meinem Amt. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Aufgabe machen darf, weil sie wirklich eine Herausforderung ist."

Verwendete Quellen
  • ardmediathek.de: "Ernstfall – Regieren am Limit"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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