Jobwechsel Ex-Linker wird neuer Innenminister in Brandenburg

Ex-Linken-Politiker René Wilke soll in Potsdam künftig das Innenressort leiten. Er soll Ruhe bringen in der Affäre um die Ablösung des Verfassungsschutzchefs im Land.
Der frühere Linken-Politiker und jetzt parteilose Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder, René Wilke, soll Brandenburgs neuer Innenminister werden. Nur wenige Tage nach dem Rücktritt von Katrin Lange (SPD) präsentierte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ihren Nachfolger. Die Vereidigung im Landtag steht laut Woidke am Donnerstag an.
Ein Blick auf den Neuen und Woidkes Motive.
Wer ist René Wilke?
Wilke, 40, ist seit 2018 Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt/Oder. Dort hatte er bereits sein Studium absolviert. Der parteilose Politiker hat einen Abschluss als Konfliktmanager. Eine gute Voraussetzung für die Politik.
Als Kind lebte Wilke eine Zeit lang mit seinen Eltern in Moskau. Nach dem Fall der Mauer trat er 1990 in die damalige Partei des demokratischen Sozialismus (PDS). Für die Nachfolgepartei Linke saß er in Potsdam im Landtag. Gregor Gysi überzeugte ihn schließlich davon in Frankfurt für die Linke als OB-Kandidat anzutreten. Wilke siegte und übernahm das Amt an der Stadtspitze der Kommune an der Grenze zu Polen.
Im Vorjahr kam nach einer quälenden Entfremdung der Bruch mit der Partei. Unter anderem ging es um die Position der Partei zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Da sind die Differenzen zu groß geworden – und das war jetzt auch der entscheidende Punkt gewesen", sagte Wilke im Vorjahr dem Regionalsender rbb.
Ein Mann also ähnlich wie sein neuer Dienstherr Woidke. Auch der wagt gerne mal Alleingänge. So verbat er sich im Vorjahr im Landtagswahlkampf Auftritte des amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD).
Die Ukraine-Politik war nicht der einzige Dissenspunkt. Auch in der Sozialpolitik hatte sich Wilke in der Debatte um Bürgergeld von der Linken-Linie entfernt: "Ich glaube schon fest an ein Sicherheitsnetz, das notwendig ist, aber dass es auch eine Balance braucht und nicht zur Hängematte werden darf. Und das ,Fordern' und ,Erwartungshaltung äußern' eben auch mit dazugehört." Das klingt schon sehr nach der neuen SPD-Politik zur Bürgergeld-Reform, wie sie im schwarz-roten Koalitionsvertrag verankert ist.
Zur Vorstellung in Potsdam sagte der Neue nur: "Ich glaube schon, dass es eine Überraschung für viele ist, dass ich heute hier stehe."
Überraschung gelungen.
Die Äffäre um ein AfD-Dossier
Wilke folgt in Brandenburg auf Katrin Lange, 53. Die SPD-Politikerin hatte nach heftiger Kritik aus Partei und Bevölkerung in der vergangenen Woche ihr Amt zur Verfügung gestellt.
Lange hatte sich davor überraschend von ihrem Verfassungsschutzchef getrennt. Der hatte der politischen Führung die neuen Erkenntnissen eines Berichts des Verfassungsschutzes zur AfD im Land vorenthalten. Lange sah sich getäuscht.
Doch weckte ihr Vorgehen im Land Unmut. So zog sie die Konsequenzen und trat zurück. Dabei galt die enge Vertraute von Woidke als mögliche Nachfolgekandidatin für den Ministerpräsidenten.
Der wankende Regierungschef
Dietmar Woidke, 63, ist seit 2013 Regierungschef in Brandenburg. Im vergangenen Jahr gewann er die Landtagswahl fast im Alleingang. Auch gegen den schwachen Bundestrend der SPD. "Herausragend gut", sei Wilke, lobte Woidke seinen neuen Innenminister. Noch ist es mit einer Neubesetzung im Kabinett wohl nicht getan. Auch Woidke steckt in der Krise.
Erst in der Vorwoche hatte Woidke seinen Regierungssprecher Florian Engels entlassen. Der umgängliche Kommunikationsprofi hatte schon Woidkes Vorgänger Matthias Platzeck gedient. Woidke verabschiedete ihn mit unschönen Worten. Engels bereite "sich auf seinen Ruhestand" vor. Nicht eben die feine Art.
Engels hatte Woidke nach Medienberichten wohl eine Analyse der miserablen Außendarstellung vorgelegt. Darin kam auch die Arbeit der Staatskanzlei nicht gut weg. So musste Engels gehen.
Die Nachfolge im Sprecheramt suchte Woidke nicht bei alerten Kommunikationsprofis in der eigenen Partei in Potsdam. Er entschied sich für die Sprecherin der Potsdamer Polizei, Ines Filohn. Erst Cottbus, jetzt Frankfurt/Oder – die Peripherie muss Potsdam retten.
Woidke sucht noch nach seiner Linie. Nach der Landtagswahl im vergangenen Jahr schloss er eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die neue Partei sucht stetig nach ihrer Linie. Das macht das Regieren nicht einfacher. Nicht für Woidke. Und nicht für die SPD.
Personalien und Probleme – Woidkes Herausforderungen
Woidke braucht Ruhe. Also setzt er auf bewährte Kräfte wie Wilke und Filohn. Auffällig ist, dass beide zuletzt nicht in der Landeshauptstadt Potsdam wirkten. Im Flächenland Brandenburg sucht Woidke seine Zuflucht in der Breite. Und er demonstriert mit der raschen Personalentscheidung Handlungsfähigkeit.
Wilkes alte politische Heimat ist die Linke. Die Partei verfehlte im Vorjahr den Einzug in den Landtag. Wilkes Berufung könnte auch enttäuschten Linken-Anhängern eine neue Option bieten. Auch wenn der neue Innenminister dem rbb im Vorjahr sagte: "Letztlich sollten Menschen nicht jemanden für ein Amt unterstützen, weil er die gleiche Partei hat, sondern weil man glaubt, dass es die richtige Person in der Funktion ist."
Auch der ewig unruhige Koalitionspartner BSW machen Woidke zu schaffen. Auch wenn sich Frontfrau Sahra Wagenknecht vorrangig an der Thüringen BSW-Ministerin Katja Wolf abarbeitet.
Der neue Minister Wilke teilt viele BSW-Positionen. Etwa in der Wirtschafts-, Migrations- und Sozialpolitik. Doch stört ihn vor allem eine: Sahra Wagenknecht.
Der Berliner Zeitung "Tagesspiegel" sagte Wilke zuletzt: "Es ist für mich schwer zu ertragen, wie Wagenknecht anderen politischen Akteuren den guten Willen abspricht und sie abwertet, sich lustig macht über Äußeres, Gewicht oder fehlende Bildungsabschlüsse. Die Art, wie sie über die ,dümmste Regierung aller Zeiten' spricht – das empfinde ich als nicht anständig."
Dennoch bleibt Woidkes größtes Problem die erstarkte AfD im Land. Sie muss er politisch stellen. Mit seiner neuen Sprecherin Filohn. Mit seiner neuem Minister Wilke. Vor allem aber mit einer geschlossenen SPD.
Dazu gehört ein Ministerpräsident, der Ruhe ausstrahlt. Derzeit nicht eben Woidkes beste Eigenschaft.
- Nachrichtenagentur dpa
- www.rbb24.de: "Für mich hat der Krieg in der Ukraine viel verändert"