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Merkel drohen schon wieder Chaoswochen


Schicksalswahlen in Bayern und Hessen
Merkel drohen schon wieder Chaoswochen

dpa, Von Jörg Blank und Ruppert Mayr

07.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel: Gerade erst hat die Kanzlerin den Unionsstreit hinter sich gebracht, da drohen ihr erneut Chaoswochen.Vergrößern des BildesAngela Merkel: Gerade erst hat die Kanzlerin den Unionsstreit hinter sich gebracht, da drohen ihr erneut Chaoswochen. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Kriegt die Union noch die Kurve vor dem Abgrund? Die Nerven liegen vor den Wahlen in Bayern und Hessen blank. Ein Debakel würde auch Kanzlerin Merkel gefährden.

Es ist eine Anspannung wie wohl noch nie in der Union seit Beginn der Ära Angela Merkel vor gut 13 Jahren. Zerlegt sich die CSU-Spitze nach einem Absturz bei der Bayern-Wahl in einer Woche? Bringt ein schmutziger Machtkampf zwischen Parteichef Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder und die Suche nach Schuldigen auch die Hessen-CDU zwei Wochen später um die Macht?

In der CDU-Spitze fürchten manche, dass eine kaum beherrschbare Dynamik entsteht, die auch in Berlin eine neue Regierungskrise auslöst. Und am Ende CDU-Chefin und Kanzlerin Merkel das Amt kosten könnte.

Nachfolgekandidaten laufen sich warm

In der CDU laufen sich am Wochenende beim Deutschlandtag der Jungen Union in Kiel schon mal drei Tage lang mögliche Nachfolgekandidaten Merkels warm. Der neuen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer geben die gut 300 Delegierten des Unions-Nachwuchses ein starkes Zeichen der Unterstützung mit auf den Weg in die schwierigen nächsten Wochen und Monate – und anderen auch.

Schon bei einer ausgelassenen JU-Party im Norwegenkai, wo sonst die Passagiere für die Fähren in den Norden abgefertigt werden, wird Kramp-Karrenbauer, die Ex-Ministerpräsidentin des Saarlands, am Samstagabend mit lautstarken "Annegreat, Annegreat"-Sprechchören gefeiert. Kramp-Karrenbauer kann sich vor Selfie-Bitten kaum retten.

Am Sonntag hält sie dann eine ziemlich konservative Rede, das kommt beim Nachwuchs gut an. Zum Song "For a better day" des schwedischen DJs Avicii zieht sie in die Halle – einen besseren Tag wünschen sich angesichts der Umfragewerte im Sturzflug wohl alle JU-Mitglieder.

Kramp-Karrenbauer ermahnt die CSU

Die Generalsekretärin schickt eine scharfe Mahnung nach München, wo Seehofer und Söder schon eine Woche vor der Landtagswahl versuchen, sich gegenseitig die Schuld für ein mögliches Desaster in die Schuhe zu schieben. Das hätte Franz Josef Strauß nie gemacht. Später folgt eine Attacke gegen Recep Tayyip Erdogan – wenn der türkische Präsident nicht aufhöre, einen Keil zwischen Deutschtürken und deutsche Gesellschaft zu treiben, müsse nochmal die Abschaffung des Doppelpasses diskutiert werden. "Illoyalitäten" könne man auf Dauer nicht dulden.

Die JU-ler sind begeistert – noch immer tragen sie Merkel deren Verhalten auf dem CDU-Parteitag 2016 nach. Damals hatte der Parteitag auf JU-Antrag mit knapper Mehrheit eine Abschaffung der Regelung zur doppelten Staatsbürgerschaft gefordert. Direkt danach machte Merkel deutlich, dass sie sich nicht an den Beschluss halten werde.

Abgrenzung von Merkel

Spürbar grenzt sich Kramp-Karrenbauer auch von ihrer Fördererin Merkel ab, als sie sagt, heutzutage reiche es nicht mehr aus, einfach darauf zu setzen, gute Regierungsarbeit abzuliefern. Mit guter Regierungsarbeit überzeugen – das war oft von der Kanzlerin zu hören, wenn es um Rezepte aus der Krise ging. Jetzt seien Visionen für die Zukunft gefragt, ruft die Generalsekretärin, bis sie heiser ist.

Wer sich immer nur damit begnüge, den Menschen zu sagen, man habe Schlimmeres verhindert, dürfe sich nicht wundern, wenn er bei 27 Prozent stecken bleiben werde, sagt Kramp-Karrenbauer. "Wir müssen kämpfen, dass wir wieder nach oben kommen." Noch deutlicher wird sie am Ende ihrer Rede: "Parteien werden nur dann gewählt, wenn sie begeistern können. Wenn sie ein Feuer in sich haben, das nicht nur das kleine Flackern sozusagen von Sitzungswoche zu Sitzungswoche ist. Sondern wenn sie etwas in sich tragen, das Menschen für sie einnimmt." Auch das kann als Spitze gegen Merkel verstanden werden.

Neuer Fraktionschef kommt auch gut an

Vor Kramp-Karrenbauer feiern die JU-ler minutenlang den neuen Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Er bekommt zum Empfang den Peter-Fox-Song "Alles neu" zu hören, in dem es die Zeilen gibt: "Ich bin das Update" und "Alles glänzt, so schön neu". Das ist natürlich darauf gemünzt, dass der Westfale kürzlich gegen den ausdrücklichen Willen der Kanzlerin deren Vertrauten Volker Kauder gestürzt hat. Manche meinen, der Westfale habe für seine inhaltlich starke Rede sogar stärkeren Jubel bekommen als die Generalsekretärin.

Ihren Liebling Jens Spahn begrüßen sie in Kiel am Samstag mit dem Lied "Ich spring von Level zu Level zu Level" des Rappers Marteria. Was mag wohl das nächste Level sein, auf das der Gesundheitsminister springt? Parteichef? Kanzler? Spahn gibt sich zupackend, aber auch staatstragend zurückhaltend.

Merkel im Regen?

Merkel selbst hatte schon am Samstag eine teils angriffslustige Rede gehalten, die entgegen mancher Erwartungen ziemlich gut im Saal ankam. Dass die Kanzlerin sich selbst aber keine Illusionen über ihre Lage in der CDU macht, zeigt eine kleine Szene mit JU-Chef Paul Ziemiak. Merkel bekommt Wandersocken und eine Regenjacke. Sie ziehe daraus die Schlussfolgerung, "dass sie mich nicht im Regen stehen lassen wollen", sagt die CDU-Chefin trocken. Gut möglich, dass Merkel da an den Wahlparteitag Anfang Dezember denkt, bei dem sie eigentlich erneut als Vorsitzende kandidieren will.

Ziemlich wahrscheinlich, dass die Kanzlerin die Utensilien für stürmische Zeiten bald gut gebrauchen kann. Zwar setzen sie in der CDU-Spitze auf eine Art "Restvernunft" bei CSU-Chef Seehofer, dass er nach der Landtagswahl am Sonntag nicht die Union, Merkel und die ganze große Koalition in den Abgrund reißt.

Doch selbst wenn die Union nach der Bayern-Wahl nicht ins Chaos stürzt und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am 28. Oktober die Macht verteidigt: Unklar ist, wie sich die SPD verhält. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat vorgebaut: Die deutsche Demokratie sei gefestigt genug, auch einen Austritt der SPD aus der großen Koalition und eine sich anschließende Minderheitsregierung zu verkraften. Merkel hält von einer solchen Minderheitskonstellation gar nichts.

Verwendete Quellen
  • dpa
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