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Grundrente-Streit in der Groko: Zerbrechen CDU und SPD an der Uneinigkeit?


Groko-Streit über Grundrente
"Das ist parteipolitische Dummheit der SPD"


Aktualisiert am 05.11.2019Lesedauer: 5 Min.
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Senior auf einer Bank: Der Streit um die Grundrente für Rentner entzweit die große Koalition.Vergrößern des Bildes
Senior auf einer Bank: Der Streit um die Grundrente für Rentner entzweit die große Koalition. (Quelle: Symbolbild/C. Hardt/Future Image/imago-images-bilder)

Union und SPD streiten um die Grundrente: Die Sozialdemokraten sehen eines ihrer wichtigsten Anliegen in Gefahr, doch die CDU bremst. Die Fronten verhärten sich. Zerbricht die große Koalition?

Eine einfache Terminabsage offenbart die Zerrissenheit der großen Koalition: Am Montagabend wollten sich CDU und SPD über die noch strittigen Aspekte einer geplanten Grundrente einigen – Menschen mit geringer Rente sollen künftig mehr Geld erhalten. Am Wochenende kam dann der plötzliche Rückzieher: Das Treffen wurde gestrichen, mit der Ankündigung, den Termin nachzuholen. Offiziell heißt es, die Union habe noch "Klärungsbedarf" bei dem Thema. Doch in Wahrheit zeigt die Absage eine Kraftprobe innerhalb der Bundesregierung, und der Sieger steht noch nicht fest.

Union und SPD streiten über die Grundrente: Dabei wurden die Grundzüge dieser Sozialreform bereits im Koalitionsvertrag festgehalten. Der Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil sieht vor, dass Menschen, die mindestens 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, eine Rente erhalten, die zehn Prozent über der Grundsicherung liegt. Ab 2021 soll das Gesetz in Kraft treten, es geht teilweise um mehrere Hundert Euro pro Monat – Schätzungen zufolge könnten eineinhalb Millionen Rentner davon profitieren.

"Geld mit der Gießkanne verteilen"

Die Idee unterstützt die CDU. Strittig ist aber, wer das Geld erhalten soll: Die Union plädiert für eine sogenannte Bedürftigkeitsprüfung. Ein Check, bei dem festgestellt werden soll, wer wie viel Geld erhalten darf, je nachdem, wie viel Einkommen er zusätzlich zur Rente hat. Das finden viele in der SPD unangemessen, es gehe um eine "Würdigung der Lebensleistung", nicht darum, ob jemand noch viele andere finanzielle Rücklagen und Einnahmen habe. In der CDU nennen sie den Vorschlag der SPD: "Das Geld mit der Gießkanne verteilen."

Die Fronten verhärten sich, damit könnte der Streit die letzte große Belastungsprobe der Koalition in diesem Jahr sein. Und die Auseinandersetzung offenbart, wie schnell das mühsam kalibrierte Gleichgewicht der großen Koalition ins Wanken gerät.

Arbeitsminister preschte ohne Absprache vor

Viele Abgeordnete der SPD sehen in der Einführung der Grundrente ihre Chance, ein typisch sozialdemokratisches Projekt zu verwirklichen und so öffentlichkeitswirksam das politische Profil der Partei zu schärfen. Auch deshalb preschte Hubertus Heil mit seiner Planung dafür im Februar dieses Jahres damit vor, ohne sich vorher großartig im Kabinett mit seinen Kollegen abzusprechen.

Eine Bedürftigkeitsprüfung wollen viele Abgeordnete der SPD nicht. Sie sehen die Gefahr, dass Rentner zum "Amt gehen und einen riesigen Stapel an Formularen ausfüllen müssen", wie es die kommissarische Parteivorsitzende Malu Dreyer ausdrückt.

"Endlich einen Haken an die Grundrente machen"

Der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagt zu t-online.de, es geht bei der Grundrente um Menschen, die "geschuftet haben und die trotzdem nur eine Mini-Rente bekommen". Der Partei sei sehr klar, dass diese Menschen mehr Geld bekommen sollten, um ihre Lebensleistung anzuerkennen: "Wenn einige in der Union jetzt wieder von Geldgeschenken sprechen, ist das ziemlich respektlos. Die Kanzlerin und die CDU-Parteichefin sollten diese Blockade und die Vielstimmigkeit in der Union schnell beenden. Wir müssen an die Grundrente endlich einen Haken machen", so Klingbeil. Er sieht die Zusammenarbeit der Groko gefährdet, wenn es keine Einigung bei der Grundrente gibt.

In ihrer Position ist die SPD klar. Nun ringt die Union um eine Antwort auf die klare Forderung des Koalitionspartners. Um dabei nicht die Arbeitgeber zu verprellen, gibt es den Vorschlag aus der Union, die Reform der Rente mit einer Unternehmensteuerreform zu verknüpfen – um so Firmen finanziell zu entlasten.

Chef der Unionsfraktion sieht seine Chance im Streit

Davon will man in der SPD nichts wissen, das habe mit der Sache überhaupt nichts zu tun, entgegnen die Sozialdemokraten. In der CDU sind einige junge Abgeordnete und Teile des Wirtschaftsflügels der Bundestagsfraktion gegen jede Form der Grundrente.

Ihr Chef, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, glaubt seine Chance in dem Streit erkannt zu haben: Brinkhaus ist einer der prominentesten Befürworter der Bedürftigkeitsprüfung. Das liegt zum einen daran, dass er grundsätzlich die Idee der Grundrente skeptisch sieht. Er glaubt, mit dem Geld, mit dem die Grundrente finanziert werden soll, könnte man anderweitig Steuerzahler entlasten.

Zum anderen birgt der Streit für ihn eine Chance: Er kann so die Unionsfraktion seinerseits klar positionieren, ihr Gehör verschaffen: Seht her, soll die Botschaft sein, wir Abgeordneten stimmen nicht so leicht für jeden Gesetzesvorschlag. Auch wenn er von der Regierungsbank kommt. Sorgen um den Fortbestand der großen Koalition plagen Brinkhaus kaum – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Volker Kauder steht er nicht unter dem Verdacht, eine zu große Nähe zur CDU- und Regierungsspitze um Annegret Kramp-Karrenbauer und Angela Merkel zu haben.

CDU-Abgeordnete fordert, SPD solle sich umentscheiden

Eine der schärfsten Gegnerinnen der Grundrente ist die CDU-Abgeordnete Jana Schimke, sie warnt vor einer "Erpressung" durch die SPD, weil die große Koalition in dem Streit über das Gesetz auf dem Spiel steht. Und sie sagt: "Wenn die SPD sich nicht umentscheidet, sehe ich keine Chance, dass die Grundrente kommt." Schimke spielt auf die Bedürftigkeitsprüfung an.

Und sie meint damit: Wenn die große Koalition darüber zerbricht, dann sei das halt so. Bloß nicht vor der SPD in die Knie gehen, damit die Partei dann vollständig ihren Willen bekommt.

"Parteipolitische Dummheit der SPD"

Ihr Kollege, der Abgeordnete Christian von Stetten, ist genervt von der Debatte, die von den Sozialdemokraten angestoßen wurde. Von Stetten ist Chef der einflussreichen Parlamentariergruppe "Mittelstand der Unionsfraktion" im Bundestag.

Auf die Frage, ob der Vorschlag zur Streichung der Bedürftigkeitsprüfung parteipolitische Strategie der SPD sei, sagt er zu t-online.de: "Das ist parteipolitische Dummheit, was die SPD da macht!" Von Stetten findet, dass die Grundrente bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurde – inklusive der Bedürftigkeitsprüfung. Dabei solle es bleiben.

Von Stetten erklärt zudem: "Die SPD hat ihre eigenen Anhänger mit der irrwitzigen Forderung, die Bedürftigkeitsförderung zu streichen, auf die Bäume getrieben. Jetzt müssen sie die auch von dort wieder herunterholen." Der Ton wird schärfer, die Parteien bestehen aktuell beide auf ihren Positionen.

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Zoff um Grundrente in politisch komplizierter Lage

Es gibt wenige klare Befürworter der Grundrente in der CDU, die glauben, dass man sich mit der SPD schon noch irgendwie einig wird. Einer von ihnen ist der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU, Uwe Schummer. Er erklärt t-online.de: "Wir können den Menschen nicht sagen: Ihr habt für einen Hungerlohn gearbeitet, also kriegt ihr auch nur eine Hungerrente." Er versucht nun, seine Kollegen zu überzeugen, irgendwie einen Kompromiss bei der Bedürftigkeitsprüfung zu finden.

In der SPD sind viele über die Unruhe in der Union verunsichert. Und der Streit fällt in eine komplizierte politische Gemengelage: Das Debakel der Landtagswahl in Thüringen hat die CDU erschüttert – hinter AfD und Linkspartei in der Wählergunst zu landen, hat parteiintern eine Debatte über die künftige Ausrichtung ausgelöst.

Hinzu kommt ein personelles Vakuum: Während die Bundestagsabgeordneten um einen Kompromiss in der Sachpolitik ringen, wird in den Parteizentralen über die richtigen Vorsitzenden diskutiert: An der CDU-Spitze ist ein Machtkampf entbrannt, Kramp-Karrenbauer wirkt auch nach einem Jahr als Parteivorsitzende nicht unumstritten.

Kompromissvorschlag wird seit Montag diskutiert

Bei der SPD ist bis zum Parteitag Ende November nicht klar, wer die Partei führen soll. Die Grundrente als wichtiges politisches Projekt wirkt dabei wie ein Katalysator in der aufgeheizten und verunsicherten Stimmung. So könnte der Streit zu einer Schicksalsfrage für die große Koalition werden.


Doch seit Montag wird eine Idee offensiv zwischen den Koalitionären diskutiert: Der Kompromiss könnte eine Einkommensprüfung der Rentner vor Ausbezahlung der Grundrente über die Finanzämter sein: Für die SPD wird somit vermieden, dass Rentner mit viel Papier aufs Amt kommen müssen und in der Bringschuld stehen, ihre Einkommensverhältnisse nachzuweisen. Die CDU müsste aber auf die Bedürftigkeitsprüfung nicht ganz verzichten. Um sich über diese Idee auszutauschen, bleiben Union und SPD nun vier Tage Zeit: Am Sonntag ist der nächste Termin zur finalen Einigung angesetzt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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