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CDU-Chaos in Magdeburg – und der Gewinner heißt: Friedrich Merz


CDU-Machtkampf
Chaos in Magdeburg – und der Gewinner heißt: Friedrich Merz

Eine Analyse von Tim Kummert

Aktualisiert am 04.12.2020Lesedauer: 4 Min.
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Berlin: Friedrich Merz bei einer Pressekonferenz.Vergrößern des Bildes
Berlin: Friedrich Merz bei einer Pressekonferenz. (Quelle: imago-images-bilder)

Der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt schmeißt seinen Innenminister raus. Was nach einem regionalen Ereignis klingt, hat enorme bundespolitische Konsequenzen: Denn der Machtkampf zeigt, wie führungslos die Partei ist.

Die "Magdeburger Volksstimme" informiert täglich über Neuigkeiten aus Sachsen-Anhalt: Am Freitag berichtete sie auf der Titelseite über das Fichtensterben im Land und Lehrer an Schulen, die sich selbst auf das Coronavirus testen lassen sollen.

Der politische Sprengstoff ist jedoch ein Interview, mit dem die "Volksstimme" am Freitag aufwartete: In dem Gespräch fordert CDU-Innenminister Holger Stahlknecht, im Zweifel die regierende Koalition aus Grünen, SPD und CDU aufzulösen, wenn man sich nicht einigen könne, die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags abzulehnen. Er favorisiere dann eine CDU-geführte Minderheitsregierung in Magdeburg, so Stahlknecht.

Worum es bei dem Streit geht: Der Beitrag für die öffentlich-rechtlichen Sender soll um 86 Cent pro Monat steigen. Dem müssen die 16 Bundesländer zustimmen. Alle anderen 15 haben es bereits getan oder zumindest ihre Zustimmung angekündigt. Nur die CDU-Landtagsfraktion in Magdeburg wehrt sich und ist damit einer Meinung mit der AfD. Gemeinsam haben beide Parteien eine Mehrheit im Landtag.

Nun könnte die Koalition zerbrechen

Doch zu einem solchen Pakt sollte es nach Meinung von Ministerpräsident Reiner Haseloff auf keinen Fall kommen. Also hatte er in den vergangenen Tagen einen typischen politischen Kompromiss vorangetrieben: Der sah vor, die Entscheidung erst einmal zu vertagen und in einem Gremium erneut darüber beraten zu lassen, ob die Erhöhung wirklich notwendig ist.

Doch Stahlknecht boykottierte mit seinem Interview vom Freitag diesen Kompromiss: Indem er sich weigerte, auch nur im Ansatz der Erhöhung zuzustimmen, blockierte er den Weg von Haseloff. Es ging dann alles sehr schnell: Am Nachmittag wurde bekannt, dass der Ministerpräsident Stahlknecht aus dem Kabinett wirft. Nun könnte ein neuer Innenminister berufen werden – oder die Koalition zerbrechen.

Am Freitagabend kündigte Stahlknecht dann seinen Rücktritt als CDU-Landeschef an. Gleichzeitig kündigte der Landesverband an, trotzdem am Veto bei der Beitragserhöhung festzuhalten. Die CDU in Sachsen-Anhalt steht vor ungewissen Zeiten, alles ist offen. Sicher ist nur, dass die politische Welt in Magdeburg bebt – und das hat jetzt auch bundespolitische Konsequenzen: Denn das Konrad-Adenauer-Haus, die Parteizentrale der CDU in Berlin, wackelt mit.

"Und wieder steht ein Landesverband vor den Trümmern der eigenen Existenz"

Schließlich ist der Streit längst nicht mehr nur eine interne CDU-Querele in Sachsen-Anhalt. Die Auseinandersetzung offenbart vielmehr die Fliehkräfte in der Partei: Es wird einmal mehr deutlich, wie stark die Flügelkämpfe mittlerweile aufbrechen, wie wenig Kontrolle möglich ist – und wie führungslos die Partei ist.

Wie groß die Sprengkraft dessen ist, was in Magdeburg passiert, zeigt ein Blick auf das, was im Februar in Erfurt passierte: Damals wählte die CDU gemeinsam mit AfD und FDP Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten. Von einem "Dammbruch" war damals parteiintern die Rede. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer versuchte einzugreifen, scheiterte – und musste auch deshalb schließlich ihren Rückzug von der CDU-Spitze ankündigen.

Nun steht der nächste CDU-Landesverband vor einer Zerreißprobe. Ein Innenpolitiker der CDU sagte t-online: "Und wieder steht ein Landesverband vor den Trümmern der eigenen Existenz. Wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen?"

Es geht um mehr als die Chancen von Merz

Das fragen sich inzwischen viele. Und, ob die Kandidaten um den CDU-Vorsitz Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen nun ebenfalls beschädigt sind. Nicht wirklich: Denn der vorläufige Sieger dieses Tages heißt Friedrich Merz. In den vergangenen Wochen, so ist aus internen CDU-Runden zu hören, brachten Laschet-Anhänger die Überlegung ein, den für Mitte Januar angesetzten Parteitag doch noch einmal zu verschieben. Die Merz-Anhänger waren strikt dagegen, sie sehen das Momentum für ihren Kandidaten endgültig gekommen.

Nachdem es in Magdeburg dermaßen gerumst hat, ist die Idee, weitere Monate ohne klare Führung an der Parteispitze zuzubringen, geradezu waghalsig. Doch es geht dabei um mehr als die Chancen von Merz. Eine hochrangige Bundestagsabgeordnete sagte t-online: "Ostdeutschland ist ein gutes Stimmungsbarometer für den Zustand der Partei. Und wenn die Wogen schon dermaßen hoch schlagen, wenn es um 86 Cent geht, dann steht es um die Einheit der CDU nicht sonderlich gut."

Frage der grundsätzlichen Ausrichtung der CDU

Dass die Krise in Magdeburg zu einer Gretchenfrage der Kandidaten wird, zeigte sich bereits an der Bewertung der Ereignisse. Merz sagte vor kurzem, man könne die geplante Beitragserhöhung kritisch sehen. Und: "Im Übrigen ist es vollkommen unwichtig, welche Meinung die AfD dazu hat."

Sein Konkurrent Laschet argumentierte dagegen heute bei "Bild Online", dass er die Entlassung von Stahlknecht gutheiße: "Ich begrüße den konsequenten Schritt von Ministerpräsident Reiner Haselhoff." Und weiter: "Es gibt Momente, in denen eine klare Haltung gefragt ist. Ministerpräsident Haseloff hat für seinen Kurs die Solidarität und die Unterstützung der ganzen deutschen CDU. Der Kurs der Mitte war und bleibt richtig."

Es geht bei der Frage um die grundsätzliche Ausrichtung der CDU, um den Kampf gegen die AfD und darum, was eigentlich als die Prinzipien und die DNA der Partei angesehen wird. Die Laschet-Anhänger befürchten ein Abdriften nach rechts, wenn die Partei mit der AfD stimmt. Die Merz-Leute glauben, dass man nicht immer nur aus Prinzip die gegenteilige Meinung zu den Rechtspopulisten einnehmen müsse.

So oder so – es muss eine Entscheidung her. Denn es zeigt sich einmal mehr das Vakuum an der Spitze der Partei: Annegret Kramp-Karrenbauer schweigt eisern seit Beginn der Querelen, ihr Generalsekretär Paul Ziemiak wird zwar am morgigen Samstag einen Gastbeitrag in der "FAZ" zu der Auseinandersetzung schreiben. Dabei wird er nur SPD und Grüne attackieren, die für die Erhöhung sind, obwohl sie mit der CDU einen Koalitionsvertrag unterschrieben haben, der für eine Beitragsstabilität ist. Für seine eigene Partei findet Ziemiak keine klaren Worte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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