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Landtagswahl 2021: Kommt jetzt im Bund die Ampel aus Grünen, SPD und FDP?


Neuer Regierungstrend?
Bald haben wir den Salat

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

13.03.2021Lesedauer: 5 Min.
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Wird die nächste Bundesregierung bunt wie ein Sack Paprika? Undenkbar ist das längst nicht mehr.Vergrößern des Bildes
Wird die nächste Bundesregierung bunt wie ein Sack Paprika? Undenkbar ist das längst nicht mehr. (Quelle: imago-images-bilder)

Bei der Wahl in Rheinland-Pfalz wird sie wohl bestätigt, in Baden-Württemberg ist sie ebenfalls möglich: eine Koalition von Grünen, SPD und FDP. Die Ampel gewinnt auch auf Bundesebene immer mehr Anhänger. Aus mehreren Gründen.

Als sich die Führungsriege der FDP mal so richtig frei fühlen wollte, zog sie Jeans und Sneakers an, traf sich in einem hippen Hotel im Berliner Partybezirk Friedrichshain und ließ in der Lounge bei "veganem Essen und avantgardistischen Getränken" die Gedanken kreisen.

Diese Revoluzzer.

Man kann die Anekdote, die FDP-Generalsekretär Volker Wissing kürzlich dem "Spiegel" in einem Interview erzählte, ein bisschen lustig finden – und sie vor allem für Marketing in eigener Sache halten: Wir sind so modern, wir tragen sogar Turnschuhe und essen Pflanzen. Deshalb hat Wissing sie sicher auch erzählt.

Man kann die Geschichte aber auch noch ganz anders lesen. Als Signal, dass eine Regierungskonstellation, die in Deutschland auf Bundesebene lange Zeit undenkbar schien, inzwischen politisch-kulturell niemanden mehr wirklich verstört: Eine Koalition aus den einstigen Parteien der Ökos, Malocher und Zahnärzte – aus Grünen, SPD und FDP.

Die Ampel.

Rheinland-Pfalz macht es vor

Seit 2016 regiert ein solches Bündnis in Rheinland-Pfalz. Ein gewisser Volker Wissing ist dort seither Wirtschaftsminister in einer relativ geräuscharm regierenden Ampel unter SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Es spricht viel dafür, dass diese Regierung nach der Landtagswahl am Sonntag weiterregieren wird.

Und es könnte sogar sein, dass auch nach der zweiten Landtagswahl eine weitere Ampel entsteht: In Baden-Württemberg nämlich, wo der Grüne Winfried Kretschmann gerade noch mit der CDU regiert.

Im Superwahljahr, mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst, stellt sich deshalb die Frage: Ist die Ampel auch ein Modell für Deutschland?

Es geht bunt zu

Regierungskoalitionen aus drei Parteien sind in Deutschland schon lange nichts Besonderes mehr. Das liegt daran, dass sich das Parteiensystem in den vergangenen Jahrzehnten ausdifferenziert hat. Zu den drei Parteien Union, SPD und FDP, die über Jahrzehnte in Zweierkonstellationen die Geschicke der Bundesrepublik bestimmten, kamen seit den Achtzigerjahren erst Grüne, später Linke und schließlich die AfD hinzu.

Statt auf drei Parteien verteilen sich die Stimmen bei Wahlen nun auf sechs. Um Mehrheiten zu organisieren, ist es deshalb deutlich wahrscheinlicher geworden, dafür drei Partner zu brauchen.

Auf Ebene der Bundesländer geht es dabei inzwischen sehr bunt zu, von Rot-Rot-Grün wie in Berlin über Jamaika mit CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein bis zu Kenia mit CDU, SPD und Grünen wie in Sachsen. Insgesamt gibt es in den 16 Ländern neun verschiedene Regierungsbündnisse.

Die politischen Lager – das sogenannte bürgerliche, eher rechte aus Union und FDP, gegen das tendenziell linke Lager aus SPD, Grünen und Linkspartei – können nicht mehr unter sich bleiben, schon allein weil das ihre Chancen aufs Regieren viel zu sehr einschränken würde. Lagerwahlkämpfe, also klare Koalitionsaussagen vor der Wahl, gibt es deshalb quasi nicht mehr.

Gar nicht so unwahrscheinlich

Auf Bundesebene allerdings ging es bisher trotzdem noch immer recht gewöhnlich zu. Im Jahr 2017 wäre es beinahe so weit gewesen, Union, Grüne und FDP verhandelten Jamaika. Doch FDP-Chef Christian Lindner wollte lieber nicht regieren, als falsch zu regieren, und brach die Verhandlungen ab.

Jetzt aber ist weniger Jamaika, sondern vielmehr die Ampel eine der wahrscheinlicheren Konstellationen nach der Bundestagswahl im Herbst.

Das liegt auch daran, dass zwei andere wohl rechnerisch mögliche Bündnisse noch unwahrscheinlicher sind. Erstens die "große" Koalition aus Union und SPD, weil auch einstige Befürworter sie jetzt nicht noch einmal wollen. Und zweitens Rot-Rot-Grün, weil sich die Linkspartei auch mit den neuen Chefinnen längst nicht sicher ist, ob sie überhaupt regieren will.

Das Ampelmännchen

Vor allem der FDP gäbe es Auftrieb, wenn sie sich in Rheinland-Pfalz halten und in Baden-Württemberg in eine weitere Regierung einziehen würde. Das sieht natürlich auch die FDP in Berlin so, und versucht es für sich zu nutzen.

Volker Wissing kommt dabei die Rolle des Ampelmännchens zu. Im "Spiegel"-Interview spricht er auffallend gut über das Bündnis, und auffallend schlecht über die CDU, die früher als "natürlicher Bündnispartner" der Liberalen galt. "Die CDU bekämpft die FDP seit Jahren", sagt Wissing und gibt ihr die Schuld daran, dass sich das "bürgerlich-konservative Lager" aufgelöst habe.

FDP-Chef Christian Lindner sendet derweil Signale in die andere, eher traditionelle Richtung, um der FDP alle Möglichkeiten offenzuhalten. Auch wenn sie derzeit eher theoretisch sind, so wie Schwarz-Gelb. "Die größten Überschneidungen gibt es im Bund mit der Union", sagt Lindner und grenzt sich von Grünen und SPD ab.

Vor allem aber wiederholt er, dass die FDP ab der nächsten Bundestagswahl Verantwortung übernehmen wolle. Noch einmal wegzulaufen wie bei Jamaika kann sich die FDP nicht leisten. Zumindest nicht, wenn es mit SPD und Grünen für eine Mehrheit reicht. Eine Partei, die ständig nicht regieren will, bekommt irgendwann weder Spenden noch Stimmen.

Opposition ist Mist

Auch in der SPD wächst die Vorliebe für eine Ampel. Das liegt daran, dass sie nach jetzigem Stand der Umfragen eine der wenigen realistischen Machtoptionen ist. Die Linkspartei gilt derzeit vielen außenpolitisch schlicht als zu unzuverlässig für eine Bundesregierung. Und auf noch eine große Koalition haben selbst einstige Vorkämpfer inzwischen keine Lust mehr. Das sei für die Demokratie schlecht, sagt ein wichtiger von ihnen. Und meint wohl auch: zu selbstzerstörerisch für die SPD.


Doch dass Opposition Mist ist, sieht längst nicht nur Franz Müntefering so. Zumindest ist sie keine Zauberlösung für die Probleme der Sozialdemokratie. Die SPD hat schon mit Grünen und FDP im Bund regiert, beides hat funktioniert. Soziale und ökologische Themen könnte sie im Bündnis mit den Grünen durchsetzen, für Innovationen hätte sie in der FDP einen Partner.

Vor allem bei Pragmatikern der Partei steht die Ampel deshalb gerade hoch im Kurs. Am liebsten natürlich mit einem Kanzler Olaf Scholz, sollte die SPD entgegen des aktuellen Trends im Herbst doch stärker als die Grünen werden. Aber scheitern würde die Ampel wohl auch nicht an der SPD, wenn sie Juniorpartner werden müsste.

Was wollen die Grünen?

Komplizierter ist die Situation bei den Grünen. Das Ampelszenario ist führenden Parteivertretern gerade durchaus recht, weil es die Erzählung verdrängt hat, dass ohnehin alles auf Schwarz-Grün hinauslaufe. Zu sehr an die Union gebunden zu erscheinen, schadet den Grünen im linken Lager.

In Baden-Württemberg hadern die Grünen immer wieder mit einer CDU, die dort als sehr konservativ und gespalten gilt. Einige einflussreiche Grüne in Berlin sympathisieren deshalb mit einer Ampel im Südwesten. Und auch im Land selbst gibt es Signale aus mehreren Richtungen.

Doch selbst wenn es nach diesem Wahlsonntag dann zwei Ampelbündnisse in den Bundesländern geben sollte, werden sich die Grünen für den Bund alle Möglichkeiten und damit vor allem Schwarz-Grün offenhalten. Aus strategischen Gründen, weil mehr Optionen besser sind. Aber auch aus Überzeugung. Selbst wenn führende Grüne gerade bei jeder Gelegenheit betonen, dass die inhaltlichen Überschneidungen mit der SPD am größten seien.

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Das liegt auch, aber nicht nur am Reiz des Neuen und der leichteren Kompromissfindung bei nur zwei Partnern. Schwarz-Grün passt wie kein anderes Bündnis zu Parteichef Robert Habecks Politikansatz, den notwendigen Wandel bestmöglich zu moderieren, um niemanden zurückzulassen.

Bei den Grünen gibt es durchaus führende Politiker, die länger überlegen müssen, wenn sie vor die Wahl gestellt werden: Schwarz-Grün als Juniorpartner oder eine andere Konstellation mit grüner Kanzlerin oder Kanzler? Nur um dann maximal unverbindlich zu antworten: Käme auf die Inhalte an.

Mehr als alles andere könnte nun die Maskenaffäre der Union einiges durcheinanderwirbeln. Wie sehr, bleibt abzuwarten. Aber die Umfragewerte der Union sinken schon. Und die Zuneigung für CDU und CSU bei den Grünen wächst ebenfalls nicht gerade.

Heißt eben auch: Für eine Ampel standen die Chancen schon mal schlechter.

Verwendete Quellen
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