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Analyse zur Großen Koalition: Sagt die SPD "Nein" zur GroKo?


Mögliches "Nein" zur Großen Koalition
Aus der SPD-Spitze bliebe fast keiner übrig

Eine Analyse von Jonas Schaible

Aktualisiert am 18.01.2018Lesedauer: 4 Min.
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Die Spitzenriege der SPD auf dem Parteitag im Dezember: Lehnt die Basis eine Große Koalition ab, sind sie alle in Frage gestellt.Vergrößern des Bildes
Die Spitzenriege der SPD auf dem Parteitag im Dezember: Lehnt die Basis eine Große Koalition ab, sind sie alle in Frage gestellt. (Quelle: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Sollte der Parteitag gegen Koalitionsverhandlungen stimmen, wäre das gesamte Spitzenpersonal der Partei beschädigt. Nur einer aus der Führungsriege könnte übrig bleiben.

Nur auf den ersten Blick streitet die SPD gerade über ein 28-seitiges Sondierungspapier mit der Union; über Krankenkassen und den Spitzensteuersatz. Tatsächlich streiten Unterstützer und Gegner der Großen Koalition, wie der Absturz der Partei in die Bedeutungslosigkeit verhindert werden kann.

Die einen sagen, dass die Sozialdemokratie endgültig ihre Identität als staatstragende Verantwortungspartei verlöre, würde sie sich aus Kalkül vor dem Regieren drücken. Die anderen argumentieren, dass die Sozialdemokratie endgültig ihre Identität als linke Programmpartei verlöre, würde sie einer neuen Großen Koalition zustimmen.

Natürlich wissen beide Seiten nicht, ob es überhaupt einen Ausweg gibt. Aber je bedrohlicher die Lage scheint, desto radikaler werden die Vorschläge – und plötzlich droht noch aus einem anderen Grund das Ende der aktuellen SPD.

Viel wird derzeit über Martin Schulz und seine Zukunft spekuliert. Dabei gehört es zur Jobbeschreibung von Parteivorsitzenden, sich in der Not zu opfern. Doch ein "Nein" zur Großen Koalition hätte weitreichendere Folgen: Es würde beinahe das gesamte aktuelle und künftige Spitzenpersonal der Partei in Frage stellen.

Bei der CSU wurden Widersprüche wegbehauptet

Während bei den Unions-Parteien nach dem Ende der Sondierungen noch nicht einmal eine echte Debatte begann, ob sie genug Erfolge erstritten habe, brach in der SPD ein erbitterter Streit aus. Offensichtlich gehen Union und SPD mit Unzulänglichkeiten und Widersprüchen unterschiedlich um.

In der CSU etwa bekämpften sich Horst Seehofer und Markus Söder ein halbes Jahrzehnt. Dann, plötzlich, einigten sie sich, erklärten Geschlossenheit, und seitdem drang kaum ein Wort des Zwists nach außen. Einigkeit war wichtiger, als nicht umzufallen. Der Widerspruch wurde schlicht: wegbehauptet.

Die Sozialdemokraten dagegen neigten zuletzt dazu, auf den Widersprüchen herumzukauen und dann zu versuchen, sie durch Gegenmaßnahmen aufzuheben – was paradoxerweise dazu führte, dass sie sich noch weiter in Widersprüche verstrickten.

Die SPD lief zu lange sich selbst hinterher

In den Wahlkampf 2013 zog die SPD gegen die ungerechte Gesellschaft. Ohne Erfolg. Das schien zu belegen, dass es den Menschen so schlecht nicht ginge und der SPD wegen der Agenda 2010 nicht geglaubt würde. Also distanzierte sie sich von der Agenda, während die Union begann, deren Erfolge zu preisen.

Nach vier Jahren an der Regierung standen im Wahlkampf 2017 deren Erfolge im Mittelpunkt. Die SPD rutschte noch weiter ab. Sie folgerte: Sie habe sich zu wenig von der Union abgegrenzt. Sie könne in der Großen Koalition nicht bestehen. Und sie habe das Gewinnerthema Europa vernachlässigt.

In der Zwischenzeit war die Partei so lange erfolglos sich selbst hinterhergelaufen, dass sie begann, sich für radikale Schritte zu erwärmen.

Zwei Befreiungsschläge scheiterten schon

Also schlossen Spitzengenossen noch am Wahlabend eine Große Koalition aus. Das war der erste vergebliche Versuch eines radikalen Befreiungsschlags. Dann zwang der Appell von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die SPD in Sondierungsgespräche. Dort versuchte die Delegation, mit Europa als Thema Nummer 1 im Papier die Basis zu beruhigen – nur um festzustellen, dass nun wieder Gerechtigkeitsfragen nach vorne geholt wurden. Auch der zweite Befreiungsschlag scheint zu misslingen.

Dabei tritt die Parteispitze seit den Sondierungen bemerkenswert geschlossen auf. Fast die gesamte Führungsriege hat entweder als Teil des Sondierungsteams oder im Parteivorstand für Koalitionsverhandlungen gestimmt.

Neben Parteichef Martin Schulz waren das unter anderem: Fraktionschefin Andrea Nahles. Generalsekretär Lars Klingbeil. Alle sozialdemokratischen Ministerpräsidenten, also Olaf Scholz, Stephan Weil, Malu Dreyer, Manuela Schwesig, Michael Müller, Dietmar Woidke und Carsten Sieling. Der parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider. Die geschäftsführenden Bundesminister Heiko Maas und Katarina Barley. Die Landeschefs Michael Groschek, Natascha Kohnen, Martin Dulig und Ralf Stegner. Der führende Parteilinke Matthias Miersch. Die bekannten Landesminister Anke Rehlinger und Boris Pistorius. Prominente Genossen wie Aydan Özoguz und Hubertus Heil oder vielversprechende Zweite-Reihe-Aufsteiger wie Alexander Schweitzer.

Anders gesagt: Eigentlich alle naheliegenden Kandidaten für den Parteivorsitz im nächsten Jahrzehnt haben für Koalitionsverhandlungen votiert.

Doch vielen an der Basis ist das egal. Sie fürchten den Widerspruch, nicht den Streit.

Die GroKo abzusagen, würde neue Widersprüche schaffen

So trommeln die GroKo-Gegner für einen dritten Versuch eines Befreiungsschlags: Der Abbruch der Verhandlungen soll endlich Klarheit und Entschlossenheit beweisen; endlich zeigen, dass die SPD Wort hält und kein Anhängsel der Union ist, endlich die Widersprüche auflösen.

Doch käme es so, würde eine Partei, die aus Prinzipientreue einen radikalen Bruch mit dem GroKo-Selbst anstrebt, von einer Spitzenriege geführt, die sich explizit gegen diesen radikalen Bruch ausgesprochen hat. Es entstünde ein neuer Widerspruch, womöglich noch größer und kontroverser als alle bisherigen.

Die radikale, unrealistische Alternative: Nicht nur Schulz, sondern die gesamte Führungsriege müsste gehen.

Nur einer aus der aktuellen Parteispitze bliebe übrig

Doch die Liste derjenigen, die überregional bekannt sind und nicht für Verhandlungen gestimmt haben, ist kurz.

Da sind die geschäftsführenden Ministerinnen Brigitte Zypries (64 Jahre) und Barbara Hendricks (65 Jahre). Da ist Hessens Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel, der sich zwar als einziger der Sondierungsgruppe enthielt, aber mitverhandelt hat. Da sind einige Jusos, vor allem der Vorsitzende, Kevin Kühnert, und seine Vorgängerin, Johanna Ueckermann. Da sind die sächsische Generalsekretärin Daniela Kolbe, die Parteilinke Hilde Mattheis und der Berliner Fraktionschef Raed Saleh.

Und: Sigmar Gabriel.

Quelle:
- eigene Recherchen

Hinweis:

In einer früheren Version dieses Artikels wurde Johanna Wanka als SPD-Ministerin aufgeführt. Das ist falsch, Wanka ist CDU-Mitglied. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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