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Neuer Spitze der SPD: Die Drei von der Feuerwehr


Schwesig, Dreyer und TSG im Porträt
Die drei Fragezeichen und die Rettung der Groko

Von Patrick Diekmann

03.06.2019Lesedauer: 7 Min.
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Thorsten Schäfer-Gümbel, Malu Dreyer und Manuela Schwesig. Die SPD soll nach dem Rücktritt von Parteichefin Nahles zunächst kommissarisch von einem Trio geführt werden.Vergrößern des Bildes
Thorsten Schäfer-Gümbel, Malu Dreyer und Manuela Schwesig. Die SPD soll nach dem Rücktritt von Parteichefin Nahles zunächst kommissarisch von einem Trio geführt werden. (Quelle: dpa-bilder)

Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles rutscht die SPD weiter in die Krise. Nun sollen Dreyer, Schwesig und Schäfer-Gümbel das Chaos minimieren, bis eine neue Parteispitze gewählt ist. Doch wer sind die drei Politiker überhaupt?

Die SPD liegt am Boden. Im Fußball holen abstiegsgefährdete Vereine in solchen Situationen sogenannte "Feuerwehrmänner" – meistens sind dies Trainer, die die Mannschaft in einer ausweglosen Situation retten sollen. Da die Lage der Sozialdemokraten momentan allerdings noch etwas aussichtsloser erscheint, wird die Partei bis zum Parteitag am 7. August gleich von drei Politikerinnen kommissarisch geführt.

Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel stehen vor keiner leichten Aufgabe. Sie sollen die SPD in ruhigeres Fahrwasser steuern und vor allem die große Koalition in Berlin stabilisieren. Angesichts der miserablen Umfragewerte wäre eine Neuwahl höchst wahrscheinlich katastrophal für die Partei, zumal in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im Herbst wichtige Landtagswahlen anstehen.

In der jüngsten Vergangenheit war der Posten des SPD-Vorsitzenden nicht gerade förderlich für länger andauernde Karriereziele. Nach dem strengen Regiment von Sigmar Gabriel schassten die Sozialdemokraten in zwei Jahren zwei weitere Vorsitzende. Gabriel und Martin Schulz sitzen aktuell noch im Bundestag, Nahles kündigte ihren kompletten Rückzug aus der Politik an. Auch deshalb ist die Zahl der Bewerber für die tatsächliche Nahles-Nachfolge überschaubar. Schwesig, Dreyer oder Schäfer-Gümbel werfen ihren Hut nicht in den Ring, wie sie auf der Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus erklärten.

t-online.de stellt die kommissarische Spitze der SPD vor:

Malu Dreyer – die Außergewöhnliche

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer galt früh nach der Rücktrittsankündigung von Andrea Nahles als Favoritin für die kommissarische Nachfolge. Eine derartige politische Karriere haben der 58-Jährigen nur Wenige zugetraut. Trotz einer schweren MS-Erkrankung, beerbte sie 2013 Kurt Beck als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und ist als Landesmutter und in ihrer Partei äußerst beliebt.

Maria Luise Anna Dreyer, wie sie bürgerlich heißt, ist in Neustadt geboren. Ihre Mutter war Erzieherin und ihr Vater Schulleiter. Nach ihrem Abitur studierte sie Rechtswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und legte 1990 ihr zweites Staatsexamen ab. Vor ihrer politischen Karriere war Dreyer als Wissenschaftliche Assistentin an der Uni in Mainz tätig und arbeitete 1991 als Richterin zur Probe und Staatsanwältin in Bad Kreuznach.

Im Jahr 1994 trat sie in die SPD ein. Ein Jahr danach bekam Dreyer eine folgenschwere Diagnose. Bei ihr wurde Multiple Sklerose festgestellt. In einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" sagte sie: "Mein Kopf denkt die Beine nicht mit. Manchmal sehe ich jemanden und will spontan auf ihn zugehen und merke erst eine Sekunde später: So schnell, wie ich das will, kann ich das gar nicht."

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In Phasen muss sich Dreyer auch im Rollstuhl fortbewegen. "Ich dachte, ich setz mich da rein und komme nie wieder raus. Dann war es ganz anders: Ich spürte, dass der Rollstuhl mir wieder Freiheit schenkt", sagte sie.

Seitdem wird darüber spekuliert, ob die Krankheit ihren Weg an die SPD-Parteispitze verhindert. Trotz ihres Handicaps konnte sich Dreyer oft durchsetzen und gewann in der SPD immer mehr an Bedeutung. 2013 wurde sie Ministerpräsidentin, 2016 konnte sie mit einem furiosen Endspurt ihr Amt bei der Landtagswahl mit 36,2 Prozent der Stimmen verteidigen. Ein Traumergebnis für die damals schon krisengebeutelte Partei, zumal ihre Gegenkandidatin von der CDU die heutige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner war.

Dieser Erfolg gab ihrer Beliebtheit innerparteilich noch einmal einen Push. Mit 97,5 Prozent wurde sie im Dezember 2017 zuletzt zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt und erhielt damit das beste Ergebnis aller Kandidaten und Kandidatinnen. Trotzdem sieht sich Dreyer nicht als Vorsitzende der Bundes-SPD, was vielleicht auch mit ihrer Erkrankung zusammenhängt.

Dreyer ist seit 2004 mit Klaus Jensen verheiratet, der von 2007 bis 2015 Oberbürgermeister von Trier war. Sie blieb kinderlos. Ihr Mann brachte eine Tochter und zwei Söhne mit in die Beziehung. Seine erste Frau starb an Krebs.

Thorsten Schäfer-Gümbel – der Gescheiterte

Eigentlich war er schon weg. Nach der krachenden Niederlage bei der Landtagswahl in Hessen kündigte Thorsten Schäfer-Gümbel seinen Rückzug aus der Politik an. Nun ist er zurück und soll seine Partei auf Bundesebene kommissarisch führen. "TSG" gilt als fähiger Sachpolitiker, der es in den vergangenen Wahlkämpfen allerdings nicht schaffte, zu mobilisieren.

Der 49-Jährige wurde als Sohn eines Soldaten in Oberstdorf geboren. Seit 1986 ist der studierte Politologe Mitglied der SPD und zählt zum linken Flügel. Nach seinem Studium arbeitete er stets im Umfeld der Partei. Zunächst wurde Schäfer-Gümbel Referent des Sozial- und Jugenddezernenten der Stadt Gießen und später Mitarbeiter des Oberbürgermeisters. 2001 wird er Kreistagsabgeordneter für die SPD, 2003 Mitglied des Hessischen Landtags.

Seine Karriere änderte sich im Jahr 2008 schlagartig. Als unbekannter Politiker stand "TSG" nach der Landtagswahl in Hessen plötzlich im Rampenlicht. Als Hessens damalige SPD-Chefin Andrea Ypsilanti an der Regierungsbildung scheiterte, schlug sie Schäfer-Gümbel als Spitzenkandidaten für die Neuwahlen vor.

In der öffentlichen Wahrnehmung galt TSG zunächst als Strohmann für Ypsilanti, aber er gewann schnell an Profil. Von der ehemaligen hessischen Parteichefin setzte er sich ab, als er es als Fehler bezeichnetet, dass die SPD nach der Hessen-Wahl 2008 ihr Wahlversprechen brechen und mit der Linken zusammenarbeiten wollte.

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Danach verfolgte Schäfer-Gümbel das Ziel, Ministerpräsident in Hessen zu werden – erfolglos. Drei Mal scheiterte er an den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und Volker Bouffier. Hessen ist mittlerweile neben Bayern das Bundesland, in dem die SPD am längsten auf eine Regierungsbeteiligung wartet.

Trotzdem blieb TSG intern unangefochten, seit 2009 ist er Vorsitzender der Hessen-SPD. Nach der Krise von 2008 baute er die Partei auf Landesebene wieder auf. Dabei wirkte er oft wie ein klassischer Bürokrat und wusste dies auf ironische Weise zu nutzen. Abgeleitet von Obamas "Yes, we can" punktete er im Wahlkampf 2008 beispielsweise mit der hessischen Version "Yo, isch kann".


Trotzdem hatte er oft Probleme, Emotionen bei Wählerinnen und Wählern zu wecken. Die Seriosität und Sachkenntnis konnte man ihm dagegen nicht absprechen. Er befasste sich mit Bildung, Digitalisierung und Globalisierung und veröffentlichte das Bucht "Die sozialdigitale Revolution".

Trotz der Niederlagen in Hessen ist Schäfer-Gümbel seit 2013 stellvertretender Vorsitzender der SPD. Bei der Hessen-Wahl 2018 war das Ergebnis für die SPD mit 19,8 Prozent desaströs, was auch am bundespolitischen Trend lag. Trotzdem wurde TSG danach wieder zum Fraktionsvorsitzenden der Hessen-SPD gewählt. Im März 2019 kündigte er allerdings an, im Herbst für den Landesvorsitz nicht erneut zu kandidieren und sich aus der Politik zurückzuziehen. Auch deshalb ist eine Kandidatur von ihm als Nahles-Nachfolger ausgeschlossen, wie TSG bei der Vorstellung der drei Übergangsparteichefs noch einmal bestätigte.

1998 heiratete der 49-Jährige Annette Gümbel, eine promovierte Historikerin. Die beiden haben drei gemeinsame Kinder.

Manuela Schwesig – die Unterschätzte

Von der Küste nach Berlin und zurück an die Küste. Manuela Schwesig hat einen rasanten Aufstieg in der SPD hinter sich. Nach dem Amt als Familienministerin im letzten Merkel-Kabinett wurde die 45-Jährige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Für viele Kritiker galt Schwesig oft als Quotenfrau, aber die SPD-Politikerin weist in ihren Ämtern eine erstaunliche Bilanz vor.

Schwesig wurde in Frankfurt (Oder) geboren und wuchs mit ihrem Bruder in Seelow, in der damaligen DDR, auf. Nach ihrem Abitur 1992 studierte sie an der Hochschule für Finanzen in Königs Wusterhausen. Danach ging sie als Diplom-Finanzwirtin nach Schwerin und war erst als Steuerfahndungsprüferin für das Finanzamt und danach für das Finanzministerium beschäftigt.

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In der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern engagierte sich Schwesig erstmals in der Politik und legte eine steile Karriere hin. 2003 trat sie in die SPD ein und arbeitete zunächst auf kommunaler Ebene in Schwerin mit. Bereits zwei Jahre später saß sie im SPD-Landesvorstand in Mecklenburg-Vorpommern.

Hier begegnete sie Erwin Sellering, der ihre weitere Karriere maßgeblich beeinflussen sollte. 2008 übernahm sie sein Ministerium und wurde mit 34 Jahren Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern. Zu dieser Zeit war sie die jüngste Ministerin Deutschlands. Im Amt setzte sie sich für die Verbesserung der Chancengleichheit und der frühkindlichen Bildung ein und das Bundesland investierte Millionen.

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Nach nur sechs Jahren Parteizugehörigkeit war Schwesig 2009 als Hoffnungsträgerin der Ost-SPD Bundesvize ihrer Partei geworden. Im Jahr 2013 wurde sie dann vom damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in sein Kompetenzteam vor der Bundestagswahl berufen und nach dem Wahlsieg der Union in der großen Koalition zur Familienministerin ernannt. Ihr Weg führte sie von Schwerin nach Berlin, wo sie anfangs belächelt wurde.

Speziell von männlichen Abgeordneten bekam die damalige Ministerin in ihrer Anfangszeit sexistische Spitznamen wie "Küsten-Barbie" oder "Nervensäge im Kabinett" verpasst. Sie wurde als Quotenfrau belächelt und der damalige Unions-Fraktionschef Volker Kauder nannte sie im Streit um die Frauenquote weinerlich. Dafür soll sich die Kanzlerin persönlich bei Schwesig entschuldigt haben.

Schwesig setzte sich durch. Seit 2015 haben börsennotierte Unternehmen eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent und auch durch die 45-Jährige rückte Gleichstellung im Beruf immer wieder ins Zentrum der Debatte.


Im Sommer 2017 gab sie ihr Ministeramt in Berlin vorzeitig auf und übernahm vom damals an Krebs erkrankten Erwin Sellering (SPD) auf dessen Wunsch das Ministerpräsidenten-Amt. Doch auch in ihrer neuen Funktion blieb die heute 45-Jährige bundespolitisch aktiv und trat dabei vorrangig als Fürsprecherin für die Interessen der Ostdeutschen in Erscheinung.

Doch der Sprung an die Spitze der Bundes-SPD kommt für Schwesig aktuell nicht in Betracht. Sie wirkt glücklich als Ministerpräsidentin und ihre Familie ist nach eigenen Angaben gern an der Küste. Angesichts der schwierigen Lage für die Sozialdemokraten in Berlin ist ihr aktuelles Amt außerdem das sicherere Pferd.

Mit ihrem Mann Stefan Schwesig lebt sie in Schwerin. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder: Julia (3) und Julian (11).

Verwendete Quellen
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