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Große Koalition: Einigung bei Wahlrecht und Kurzarbeit – das wurde beschlossen


Überblick über Beschlüsse
Große Koalition erzielt Durchbruch bei Wahlrecht und Kurzarbeit

Von dpa, aj

Aktualisiert am 26.08.2020Lesedauer: 7 Min.
Die Koalitionsspitzen nach ihrem Treffen: Bei den Themen Wahlrecht und Kurzarbeit ist es zu einer Einigung gekommen.Vergrößern des BildesDie Koalitionsspitzen nach ihrem Treffen: Bei den Themen Wahlrecht und Kurzarbeit ist es zu einer Einigung gekommen. (Quelle: Christian Thiel/imago-images-bilder)
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Nun also doch: Buchstäblich in letzter Minute einigt sich die große Koalition über eine Wahlrechtsreform. Und auch bei der Verlängerung von finanziellen Hilfen in der Corona-Krise wurde ein Durchbruch erzielt.

Die Spitzen von CDU/CSU und SPD haben sich nach zähem Ringen unter anderem auf eine Wahlrechtsreform sowie die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und der Corona-Hilfen für den Mittelstand verständigt. Hier ein Überblick über die Entschlüsse:

  • Bei der Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags wurde nach jahrelangem Streit ein Kompromiss erzielt. Für die Wahl 2021 soll die Zahl der Wahlkreise noch unangetastet bleiben, bis 2025 soll die Zahl von derzeit 299 auf 280 reduziert werden. Details soll eine Reformkommission klären. Schon 2021 sollen aber bis zu drei Überhangmandate nicht mehr ausgeglichen werden. Der genaue Effekt dieser Maßnahme ist aber noch nicht absehbar.
  • Unternehmen in Deutschland können Jobs in der Corona-Krise weiter durch erleichterte Kurzarbeit absichern. Diese soll von regulär 12 auf bis zu 24 Monate erweitert werden. Die verlängerte Bezugsdauer soll für Betriebe gelten, die bis zum 31. Dezember 2020 Kurzarbeit eingeführt haben. Längstens soll das Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2021 verlängert werden.
  • Gesetzlich Versicherten stehen für 2020 wegen der Corona-Krise mehr Krankentage zur Betreuung ihrer Kinder zur Verfügung. Für Elternpaare soll das Kinderkrankengeld für jeweils fünf weitere Tage und für Alleinerziehende für zusätzliche zehn Tage gewährt werden.
  • Auch bei Schul- und Kitaschließungen wegen Corona sollen Kinder ärmerer Eltern weiter kostenloses Mittagessen erhalten können. Die Kinder sollen bis 31. Dezember 2020 mit Mittagessen im Rahmen des Bildungspakets versorgt werden. Wie viele Kinder von der Sonderregelung zuletzt Gebrauch gemacht hatten, geht aus dem Beschlusspapier nicht hervor. Kritiker hatten im Frühjahr bemängelt, dass Lieferungen nach Hause durch einen kommunal anerkannten Anbieter nur schwer umsetzbar seien.
  • Wer coronabedingt Angehörige pflegt oder Pflege neu organisieren muss, kann in diesem Jahr bis zu 20 Arbeitstage der Arbeit fernbleiben. Das Pflegeunterstützungsgeld kann ebenfalls bis zu 20 Arbeitstage in Anspruch genommen werden, wenn die Pflege aufgrund von Corona-bedingten Versorgungsengpässen zu Hause erfolgt.
  • Von der Krise besonders betroffene Künstler, Kleinselbstständige und Kleinunternehmer sollen erleichterten Zugang zur Grundsicherung erhalten. Dazu sollen beim Schonvermögen großzügigere Regelungen gelten. Auch der wegen der Corona-Krise erleichterte Zugang zur Grundsicherung insgesamt soll verlängert werden – bis Ende 2021.
  • Die Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Betriebe werden bis Ende des Jahres verlängert. Das Programm ist bisher bis Ende August befristet. Erstattet werden nach derzeitigem Stand für die Monate Juni bis August fixe Betriebskosten von insgesamt bis zu 150. 000 Euro. Für die Zuschüsse hatte der Bund 25 Milliarden Euro eingeplant. Die Auszahlung der Gelder über die Länder aber läuft schleppend, auch weil das Verfahren komplex ist – die Politik will Betrugsfälle wie bei Corona-Soforthilfen verhindern. Die Überbrückungshilfen waren ein wichtiger Baustein des im Juni vereinbarten Konjunkturpakets der Koalition.
  • Die bestehenden Lockerungen im Insolvenzrecht werden verlängert, um eine Pleitewelle weiter zu verhindern. Bis Ende des Jahres wird die Regelung über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für den Antragsgrund der Überschuldung weiter ausgesetzt. Die Insolvenzantragspflicht war im März bis Ende September ausgesetzt worden für Fälle, in denen eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung von Firmen auf den Folgen der Corona-Pandemie beruht.
  • Aus den EU-Corona-Hilfsgeldern soll eine digitale Bildungsoffensive finanziert werden, die zum einen aus 500 Millionen Euro für die Ausstattung von Lehrern mit digitalen Endgeräten besteht. Zum anderen soll der Aufbau einer bundesweiten Bildungsplattform vorangetrieben werden, die etwa einen geschützten und qualitätsgesicherten Raum für hochwertige digitale Lehrinhalte ermöglichen soll.
  • Es soll ein auf 2020 und 2021 befristetes Förderprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro zur Corona-gerechten Umrüstung von Klimaanlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten finanziert werden.
  • Eine Arbeitsgruppe soll sich an die Arbeit machen, um Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Dies hatten Union und SPD bereits im Koalitionsvertrag vereinbart.
  • Eine weitere Arbeitsgruppe soll sich zudem für weniger Bürokratie einsetzen. Konkret heißt es, die Koalition werde eine hochrangige Arbeitsgruppe einsetzen, die Regelungsinhalte für ein "Bürokratienentlastungsgesetz IV" identifiziere. Ziel des Gesetzes solle es sein, die Wirtschaft zu stärken, von Bürokratie zu entlasten und die hohen geltenden Standards zu erhalten.

Kramp-Karrenbauer: Koalition ist handlungsfähig

Mit dem Durchbruch bei der Wahlrechtsreform und der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes hat die große Koalition nach den Worten von Kramp-Karrenbauer gezeigt, dass sie handlungsfähig ist. Angesichts der Corona-Pandemie würden viele Maßnahmen verlängert, sagte Kramp-Karrenbauer nach dem Treffen der Parteispitzen. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem fairen Kompromiss beim Wahlrecht.

SPD-Chefin Saskia Esken verwies zudem darauf, dass 500 Millionen Euro zur digitalen Ausstattung der Lehrkräfte zur Verfügung gestellt würden. Damit solle eine neue Bildungsplattform geschaffen werden. Zudem würden Kompetenzzentren für digitale Schulung entstehen. Mit der Bildungsoffensive sollten die Schulen im 21. Jahrhundert ankommen.

Kompromiss beim Wahlrecht

Der Kompromiss beim Wahlrecht sieht vor, dass ein weiteres Anwachsen des Bundestags bei der Wahl 2021 durch eine Dämpfungsmaßnahme verhindert werden soll. Die richtige Reform soll dann erst 2025 greifen. Dazu soll noch in dieser Wahlperiode eine Reformkommission eingesetzt werden, teilten die Vorsitzenden von CDU und SPD, Annegret Kramp-Karrenbauer und Norbert Walter-Borjans am späten Dienstagabend mit. Vorerst werde die Anzahl der Wahlkreise gleich bleiben, erklärte Walter-Borjans. "Das ist im Ergebnis etwas, das uns erwarten lässt, dass der Bundestag deutlich kleiner wird, und dass er trotzdem fair zusammengesetzt ist und das Wahlergebnis richtig widergibt," so Walter-Borjans. Die Zahl der Wahlkreise soll für die Bundestagswahl 2021 bei 299 belassen und dann 2025 auf 280 verringert werden. Kramp-Karrenbauer betonte, die Wahlrechtsreform sei "ein sehr schwieriges Thema" gewesen. Söder sagte, die Debatte über die Wahlrechtsreform sei "etwas zäher" gewesen: "Da war am Anfang weniger Wums, sondern mehr Rums." Es spreche aber für die Seriosität, "dass trotz sehr unterschiedlicher Ausgangspositionen am Ende ein fairer Kompromiss gefunden wurde".

Die vorgesehene Kommission soll sich aus Wissenschaftlern, Abgeordneten und weiteren Mitgliedern zusammensetzen und spätestens bis zum 30. Juni 2023 ein Ergebnis vorlegen. Beraten soll sie auch über die Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, die Verlängerung der Wahlperiode von 4 auf 5 Jahre, eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern auf Kandidatenlisten und im Bundestag sowie über eine Modernisierung der Parlamentsarbeit.

Unterschiedliche Konzepte, hoher Einigungsdruck

Die beiden Koalitionspartner waren mit völlig unterschiedlichen Konzepten in den Koalitionsausschuss gegangen. Dieser stand unter hohem Einigungsdruck. Schon in ziemlich genau einem Jahr soll der nächste Bundestag gewählt werden. Und die Venedig-Kommission des Europarats hat in einem Verhaltenskodex festgelegt, dass etwa ein Jahr vor einer Wahl deren Regeln feststehen sollen.

Die große Koalition muss nun aber erst einmal auf die Opposition zugehen und versuchen, auch diese einzubinden. Üblicherweise werden Fragen des Wahlrechts mit breiter Mehrheit im Bundestag beschlossen.

Die Wahlrechtsreform soll verhindern, dass der Bundestag bei der Wahl im Herbst 2021 nochmals größer wird. Mit 709 Abgeordneten hat er schon jetzt ein Rekordausmaß erreicht. Die Normgröße sind 598 Abgeordnete. Ohne eine Reform wird ein weiteres Anwachsen auf möglicherweise mehr als 800 Abgeordnete befürchtet. Im Bundestag herrscht weitgehend Einigkeit, dass dies die Arbeitsfähigkeit des Parlaments beeinträchtigen würde. Außerdem würden dadurch die Kosten steigen.

Kurzarbeitergeld und Hilfen für den Mittelstand

Unternehmen in Deutschland können Jobs in der Corona-Krise weiter durch erleichterte Kurzarbeit absichern. Die Spitzen von Union und SPD verständigten sich auf eine Verlängerung der erleichterten Kurzarbeit von regulär 12 auf bis zu 24 Monate. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Pläne bereits an diesem Mittwoch ins Bundeskabinett bringen.

Die verlängerte Bezugsdauer soll für Betriebe gelten, die bis zum 31. Dezember 2020 Kurzarbeit eingeführt haben. Längstens soll das Kurzarbeitergeld bis zum 31.12.2021 verlängert werden. Damit die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Milliardenkosten für Kurzarbeit schultern kann, will die Koalition Steuergeld locker machen - und zwar als Zuschuss und nicht als Darlehen.

Aktuell geltende Regeln zum erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld sollen noch bis zum 31. Dezember 2021 gelten – für alle Betriebe, die bis zum 31. März 2021 mit der Kurzarbeit begonnen haben. Dabei geht es darum, dass nur 10 Prozent der Belegschaft eines Betriebes von einem Entgeltausfall betroffen sein müssen und dass kein Aufbau negativer Arbeitszeitsalden erforderlich ist.

Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bis 30. Juni 2021 vollständig erstattet werden. Vom 1. Juli 2021 bis höchstens 31. Dezember 2021 sollen für alle Betriebe, die bis zum 30. Juni 2021 Kurzarbeit eingeführt haben, die Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte erstattet werden. Diese hälftige Erstattung kann auf 100 Prozent erhöht werden – aber nur wenn eine Qualifizierung während der Kurzarbeit erfolgt.

Erhöhung des Kurzarbeitergeldes

Das Kurzarbeitergeld wird weiter auf 70 beziehungsweise 77 Prozent ab dem vierten Monat und auf 80 beziehungsweise 87 Prozent ab dem siebten Monat erhöht. Diese Regel soll bis 31. Dezember 2021 für alle verlängert werden, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2021 entstanden ist. Regulär beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns, für Berufstätige mit Kindern 67 Prozent.

Von bestehenden Hinzuverdienstmöglichkeiten wird die Regelung verlängert, dass Minijobs bis 450 Euro generell anrechnungsfrei sind. Verlängert wird die Möglichkeit, dass Beschäftigte in Leiharbeit Kurzarbeitergeld beziehen können. Geltende Steuererleichterung für Arbeitgeberzuschüsse auf das Kurzarbeitergeld wird bis 31. Dezember 2021 gewährt. Und je nach Pandemie-Entwicklung soll später erneut über eine mögliche weitere Verlängerung entschieden werden.

Die Union hatte sich zuletzt gegen eine ihrer Ansicht nach allzu großzügige Verlängerung des Instruments gewehrt. So hatte der CDU-Arbeitsmarktexperte Weiß bemängelt, dass die Unternehmen nach Heils ursprünglichen Plänen unter Umständen bis März 2022 eine komplette Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern in Kurzarbeit bekommen sollten.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte als Bedingung zur Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitgeber gefordert, dass Unternehmen auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Für eine komplette Erstattung solle zudem eine Weiterqualifizierung notwendig sein. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatte dafür plädiert, eine Verlängerung von Kurzarbeit in der Regel daran zu knüpfen, die Zeit für berufliche Qualifizierung zu nutzen.

Kritiker hatten gewarnt, dass Kurzarbeit allein wegen der Corona-Flaute nicht mit Kurzarbeit im Strukturwandel vermischt werden dürfe. Unternehmen sollten nicht künstlich erhalten werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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