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Tagesanbruch: Unser Rechtsstaat ist nicht gescheitert


Unser Rechtsstaat ist nicht gescheitert

von Jan Hollitzer

Aktualisiert am 07.05.2018Lesedauer: 8 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Polizeieinsatz im FlüchtlingsheimVergrößern des Bildes
Polizeieinsatz im Flüchtlingsheim in Ellwangen (Quelle: dpa)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Lassen wir uns nichts einreden

Nein, unser Rechtsstaat ist nicht gescheitert. Nein, unser Rechtsstaat hat nicht versagt. Sie merken schon, es geht noch einmal um Ellwangen. Und: Nein, wir dürfen Themen wie dieses nicht den Schreihälsen überlassen, die jede sich bietende Möglichkeit nutzen, Stimmung zu machen. Zugegeben, ich war auch erschüttert über das gewaltsame Verhindern einer Abschiebung vergangene Woche. Das Bild abrückender Polizisten hat irritiert. Im Nachhinein betrachtet aber war die Reaktion, die Lage zu deeskalieren, korrekt. Die Polizei kehrte später zurück, setzte den Gesuchten fest – und machte unmissverständlich klar, in welchem Rechtsrahmen wir uns in Deutschland bewegen.

Das war ein unerlässliches Signal.

Das aber schien den Schreihälsen nicht zu reichen, sie ignorierten es oder bekamen es gar nicht mehr mit. Denn sie waren schon heiser vom "Artikulieren" ihrer Hassparolen, die den Untergang Deutschlands beschworen. Ihre Finger waren nach unzähligen Hassposts in den sozialen Netzwerken schon wund getippt.

Es ist unerträglich. Reflexartig wird unreflektiert gepöbelt, ohne die Situation vor Ort auch nur ansatzweise beurteilen zu können. DAS macht Deutschland kaputt und zerstört unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt mehr, als besonnenes Eingreifen der Einsatzkräfte, welches im ersten Moment als Niederlage scheint.

Aber wie man so schön sagt, wenn man hinterher gut reden hat: Nach der Schlacht ist jeder General. Und Generäle haben wir scheinbar viele.

Dass CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in diesem Reigen nicht fehlen darf, war klar. Er sprach am Wochenende von einer Anti-Abschiebe-Industrie, die die Bemühungen des Rechtsstaat sabotiere. Und natürlich reagierten die anderen Parteien auf die bewusste Provokation des CSU-Politikers, der sich im bayerischen Landtagswahlkampfmodus befindet. Wie ermüdend.

Ich finde, dass unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier starke mahnende Worte fand. "Ich sehe nicht, dass wir vor einem Scheitern oder einem Versagen des Rechtsstaates stehen, und wir sollten das den Bürgern auch nicht täglich einreden." Richtig, lassen wir uns das nicht einreden.

Nach dem letzten Newsletter, den Sie von Florian Harms erhalten haben, erreichten uns viele Zuschriften von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Dieser setzt, wie wir finden, dem Hass einen guten Kontrapunkt:

"Sehr geehrter Herr Harms,

vielen Dank für Ihren Kommentar, er spricht mir als Ellwanger Bürger aus der Seele.

Diese unsäglichen Pauschalisierungen in den damit unsozialen Netzwerken haben mir sehr zu schaffen gemacht. Ein differenzierender Blick auf Einzelne und Gruppen war die absolute Ausnahme. Stattdessen sind Anfeindungen und persönliche Verletzungen die Regel geworden. Ich bin absolut für einen für alle einzuhaltenden Rechtsrahmen. Ich werfe der Polizei in diesen Einsätzen nichts vor. Den Beamten ist zu Anerkennung und Dank für ihren Dienst auszusprechen. "Unsere" LEA (Landesererstaufnahmeeinreichtung Anm. d. Redaktion) ist ein ebenso lernendes System, wie jedes andere auch. Ich bin mir sicher, dass die Vorkommnisse sich so nicht wiederholen werden.

Ich erkenne an, dass so radikal reagierende Geflüchtete möglicherweise traumatisiert angekommen und von unserem System enttäuscht sind, da sie vielleicht nicht nachvollziehen können, warum der Zimmernachbar Asyl bekommt und sie selbst aber nicht. Meine Familie betreut einen ehemaligen LEA-Bewohner aus Nigeria, der nun mit viel Aufwand als studierter Banker eine Bäckerlehre macht. Wir kennen seine Geschichte. Seinen Asylantrag abzulehnen, war in meinen Augen ein Vergehen. Ihm droht in Nigeria Verfolgung und Tod.

Dennoch ist ein solcher Widerstand nicht hinnehmbar. Dank des Eingreifens der Polizei wurde hier der Rechtsrahmen wieder klar definiert. Das ist wie bei größeren Einsätzen der Polizei bei aus dem Ruder laufenden Demos und Krawallen in Berlin (Nacht zum 1. Mai), dem chaotischen G9-Gipfel in Hamburg usw. Man darf auch mal nachfragen: Wer hat sich hier denn aufgeregt und postuliert, dass diese meist autonomen und linksradikalen Aggressoren irgendwohin abgeschoben werden sollen?

Was mir etwas auf den Nägeln brennt, ist allerdings der Eindruck, dass im Vorfeld möglicherweise fast nicht oder mit zwei zugedrückten Augen in der LEA und anderen Unterkünften kontrolliert wurde. Warum wurden z.B. bislang offensichtlich keine Drogenspürhunde eingesetzt? Wie kann es sein, dass sich in einem abgeriegelten und nur durch eine bewachte Pforte gesicherten Gelände unbekannte Personen aufhalten? Warum werden Personen, die im Zusammenhang mit diesen Vorfällen straffällig geworden sind (Widerstand gegen die Staatsgewalt) nur in andere LEAs verleget und nicht festgenommen?

Die LEA in Ellwangen hat bislang einen hervorragenden Job gemacht, auch Dank vieler Ehrenamtlicher und einer herzlichen Willkommenskultur der Bürgerschaft. Dieser Vorfall hat uns absolut nicht gut getan. Aber wäre nicht durch Medien berichtet worden, kein Bürger hätte den ersten Vorfall in der Nacht wahrgenommen. Es bestand also zu keiner Zeit eine Gefahr für die Stadt und ihre Bürger, aber natürlich für die Polizisten, das darf nicht verschwiegen werden. Nebenbei angemerkt: Die hier unmittelbar zuvor durch "Maischerze" entstandenen zivilen Schäden, wie eingeschlagene Autofenster o.ä., haben wohl einen weitaus größeren zivilen Sachwert, abgesehen natürlich von den Kosten des Einsatzes. Das will aber im Moment keiner wissen.

Die LEA jetzt in der Ableitung der Geschehnisse abzuschaffen, was ja durchaus diskutiert wird, wäre genauso, wie ein Gefängnis nach einem Ausbruchsversuch oder einer Revolte zu schließen. Daraus zu Lernen, das ist jetzt angesagt. Die Polizei hat das schon gemacht, jetzt fehlt die Politik, die das Asylrecht endlich richtig definieren und in den Verfahren schneller lassen handeln muss.

Die Kirche im Dorf zu lassen, das ist jetzt wirklich angesagt.

Nochmals danke!"

Pl(Tr)umper geht’s nicht

Donald Trump zieht den Zorn der Grand Nation auf sich. Zu Recht. Im November 2015 starben in Paris 130 Menschen bei einem koordinierten Angriff islamistischer Attentäter. Ginge es nach dem US-Präsidenten, wäre dies nicht geschehen, hätten Franzosen Waffen tragen dürfen. Denn dann hätten sie zurückgeschossen. Doch bei seiner Rede vor der Waffenlobby NRA beließ er es nicht bei dieser Aussage. Er schmückte sie aus. Er formte seine Hand zu einer Pistole, die auf ein Opfer zielt und ahmte die Täter nach: "Bumm, komm her, bumm, komm her, bumm, komm her."

Das ist eine Verhöhnung der Opfer und ein Verschließen der Augen vor den Problemen im eigenen Land. Jährlich sterben in den USA 30.000 Menschen durch Schusswaffengewalt. Kleine Kinder erschießen aus Versehen ihre Geschwister oder Eltern, weil sie herumliegende Pistolen finden. Kriminelle sind bis an die Zähne bewaffnet. Ich finde es richtig, dass in Frankreich ähnlich wie bei uns der Waffenkauf und -besitz streng geregelt sind. Alles andere wäre Wild West. mehr

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Angriff auf Oberbürgermeister

Die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg endeten mit einer dicken Überraschung. Und einer unangenehm unfreiwilligen. In Freiburg wurde der Grünen-Politiker nach 16 Jahren im Amt abgewählt. Er war der erste Grüne in dieser Position. Sein Herausforderer, der parteilose Martin Horn (33), konnte seinen Erfolg allerdings nur mit Blessuren feiern. Er wurde auf der Wahlparty angegriffen. mehr

Das Rätsel der fünften Bombe

Ich möchte es an dieser Stelle nicht versäumen, Sie auf unsere neue Serie hinzuweisen, die sich mit ungeklärten Kriminalfällen beschäftigt. Hier das Thema des ersten Artikels: 270 Menschen starben beim Attentat auf einen PanAm-Jumbo über Lockerbie. 30 Jahre später rätseln Ermittler immer noch: Wer war der Täter? Die spannendste Spur führt in eine Wohnung im Rheinland. mehr

Olympiahelden wackeln

Wissen Sie, welche WM gerade stattfindet? Angesichts der warmen Temperaturen kommt man vielleicht nicht so leicht darauf. Jedenfalls sieht es für uns gerade nicht gut aus. Der deutschen Eishockey-Mannschaft droht das frühe Aus. Zehn Wochen nach Olympia-Silber gab es die zweite Niederlage. Die Chancen auf das Viertelfinale schwinden.

Was steht an?

Politik auf der Zugspitze


Der Ort scheint passend gewählt. Viel Platz gibt es dort nicht, das Ambiente ist eisig und eines der Hauptthemen der Klausurtagung der Fraktionsspitzen von Union und SPD ruft auch eher Gänsehaut als Hitzewallungen hervor: das Wohnungsproblem in Deutschland. Auf der Zugspitze, Deutschlands höchstem Berg, beginnen Beratungen der regierenden Parteien, wie Mietpreise reguliert und neue Wohnungen geschaffen werden können. Morgen geht es in Murnau weiter. Wir informieren Sie auf t-online.de über Fortschritte an dieser frostigen Front. Hoffen wir, dass es auch Fortschritte gibt und es nicht wieder eine Inszenierung, wie die letzte Klausur in Meseberg, wird, die mit dem Ergebnis endete, dass man sich jetzt gefunden habe und bereit sei, wichtige Themen anzugehen. Auf der Agenda steht nämlich auch die Flüchtlings- und Migrationspolitik. mehr

Putin legt Amtseid ab

Der russische Präsident Wladimir Putin legt am Montag den Eid für eine weitere Amtszeit ab. Zu der Zeremonie im Kreml in Moskau sind nach offiziellen Angaben 5.000 Gäste geladen. Putin (65) beherrscht die russische Politik seit 18 Jahren. Als Staatschef geht er in seine vierte Amtszeit, die bis 2024 dauern wird, bevor er laut Verfassung ausscheiden muss. Überschattet wird die Amtseinführung von der Gewalt, mit der die Polizei am Samstag Kundgebungen von Regierungsgegnern aufgelöst hat. Es gab landesweit 1.600 Festnahmen. mehr

Noah Becker sieht in Vater Boris Vorbild

Noah Becker stand seit seiner Geburt im Fokus der Öffentlichkeit. Als Sohn von Tennis-Legende Boris Becker wuchs er in besten gesellschaftlichen Kreisen auf. Als reich bezeichnet er sich dennoch nicht. "Geld und Aussehen ist nichts, worüber ich mich definiere. Ich sehe, wie ungerecht die Welt ist. Wie reich viele Menschen sind und wie arm andere Menschen sind. Ich glaube, generell ist Geld etwas, womit man vorsichtig umgehen muss", erklärt der 24-Jährige meinem Kollegen Luca Cordes. Und obwohl Noah Becker nicht Tennis spielt, schaut er zu seinem berühmten Vater auf. "Natürlich ist mein Vater mein Vorbild. Er hat sein Ding gemacht und ist seinen Weg gegangen", so der gebürtige Münchner. Das komplette Interview lesen Sie heute Vormittag auf t-online.de

Hamburg oder Wolfsburg?

Der HSV bekommt am letzten Spieltag kommendes Wochenende tatsächlich sein Endspiel um den Relegationsplatz in der Bundesliga – trotz der 0:3-Niederlage bei Eintracht Frankfurt. Der Grund: Auch der VfL Wolfsburg hat mal wieder verloren, diesmal mit 1:4 in Leipzig. Wer auch immer am Ende die Chance bekommt. über die Relegation gegen Holstein Kiel doch noch die Klasse zu halten, hat hervorragende Aussichten. Denn seit der Wiedereinführung dieser Duelle vor neun Jahren setzte sich siebenmal der Erstligist durch – auch der HSV und Wolfsburg schafften das in den vergangenen Jahren. Das wiederum führt zur Frage: Ist es überhaupt gerecht, dass ein Bundesligist am Ende einer katastrophalen Saison noch belohnt wird? Und dass ein Zweitligist nach einer tollen Saison doch nicht aufsteigt, weil diese beiden Entscheidungsspiele dazwischen kommen? Darüber streiten im Zweikampf der Woche heute Morgen Florian Wichert und Heiko Ostendorp.

WAS LESEN UND SCHAUEN?

Abschreckung: Dänemark setzt in der Einwanderungs- und Asylpolitik auf Abschreckung. Wie unser Nachbarland um seine Errungenschaften als Wohlfahrtsstaat ohne Parallelgesellschaften ringt? mehr

Protest-Lied: Die Berliner Feuerwehr protestiert seit Wochen gegen die Sparpolitik und den Missbrauch der Notrufnummer 112. Jetzt reicht es einem der Kameraden und er findet viel Resonanz. mehr

Rassentrennung: Die USA sind ein Einwanderungsland. Und die Gesellschaft wird immer vielfältiger. Ein Fakt, dem hierzulande viele skeptisch gegenüberstehen. Menschen verschiedenster Ethnien und Kulturen leben zusammen. Tür an Tür. Und es funktioniert. Wirklich? Eine eindrucksvolle Datenvisualisierung der "Washington Post" veranschaulicht, dass dem nicht immer so ist. Die Gesellschaft mag vielfältig sein. Privat umgibt man sich aber gern mit seinesgleichen. mehr

Ausgepackt: Ein Mitglied der schwedischen Akademie, die den Literaturnobelpreis vergibt, packt über pikante Details des Stockholmer Sex-Skandals aus. Es ist erschütternd. mehr

WAS MICH AMÜSIERT

Unser Team versucht immer, Ihnen etwas ganz Besonderes zu bieten. Dieses Mal hat unsere Chefin des Unterhaltungsressorts Ricarda Heil einen der ganz großen Hollywoodschauspieler zu einem Interview der etwas anderen Art getroffen. Was das mit einem Krokodil und Zahnschmerzen zu tun hat? mehr

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Ihr Jan Hollitzer
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: Jan.Hollitzer@t-online.de
Twitter: @janhollitzer

Mit Material von dpa.

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