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Tagesanbruch: Globaler Migrationspakt – Mehr Fragen als Antworten


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

21.11.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Kampfroboter in einem japanischen Museum.Vergrößern des Bildes
Kampfroboter in einem japanischen Museum. (Quelle: Reuters)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Pacta sunt servanda, sagt der Lateiner, Verträge sind einzuhalten. Aber ist auch ein Pakt ein Vertrag? Horcht man in Onlineforen und soziale Netzwerke hinein, schlägt man Leserbriefseiten von Zeitungen auf und lauscht Gesprächen in Kneipen, stellt man rasch fest: Diese Frage treibt gerade viele Menschen um. Der "Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration" (hier im Original) sorgt vielerorts für Verunsicherung. Zugleich ist er ein treffendes Beispiel dafür, wie weit sich der Berliner Politikbetrieb von vielen Bürgern entfernt hat.

Seit Wochen tobte in den sozialen Netzwerken eine Debatte um den Migrationspakt, naive Verklärung linker Aktivisten traf dort auf perfide Lügen rechter Aktivisten, auch viele AfD-Anhänger instrumentalisierten das Thema, um Stimmung gegen Merkel und Migranten zu machen. In dem Getöse ging unter, dass viele Menschen tatsächlich berechtigte, ernst zu nehmende Fragen zum Migrationspakt haben, den neben fast 200 weiteren Staaten auch Deutschland im Dezember unterzeichnen will:

Drängende Fragen, die auch gestern Abend auf der CDU-Regionalkonferenz für Diskussionsstoff unter den Chef-Bewerbern Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn sorgten – und erstmals auffallende Unterschiede zwischen den Kandidaten offenbarten.

Von Regierungsseite dagegen gab es auf die Fragen vieler Bürger wochenlang keine Antworten. Noch schlimmer: Die Fragen wurden noch nicht einmal gehört. Das zeigt, wie unbedarft, träge, teils naiv die Regierungsparteien, aber auch die Ministerien und das Kanzleramt in der Onlinekommunikation agieren. Sie überlassen die Deutungshoheit über heikle politische Fragen zu oft dubiosen Scharfmachern. Sicher ist es toll, dass sich heutzutage jedermann frei im Web informieren kann – doch frei ist auf Facebook und YouTube eben keinesfalls wirklich frei, dazu mehr unten.

Im Kanzleramt kamen die Spitzen von CDU, CSU und SPD gestern Abend zum Koalitionsausschuss zusammen, um über das Eurozonenbudget, einen dauerhaften Währungsfonds, eine europäische Armee und den Brexit zu beraten. Vielleicht haben sie ja zwischendrin auch ein bisschen Zeit für das Thema gefunden, das vielen Bürgern gerade heftig unter den Nägeln brennt.


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WAS STEHT AN?

Ein Kernelement unserer Demokratie ist das Budgetrecht: Die Bundesregierung stellt einen Haushaltsplan auf, wofür sie unser Steuergeld ausgeben will, aber entscheiden dürfen die von uns gewählten Bundestagsabgeordneten. Heute Morgen beginnt die Generalaussprache über den Etat der Kanzlerin, am Nachmittag folgen die Posten für Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Voraussetzungen sind prächtig: Weil die Wirtschaft brummt, prasseln die Steuermilliarden in den Staatssäckel und versetzen die Regierung in die Lage, im kommenden Jahr nicht nur 0 Euro neue Schulden zu machen, sondern zugleich mehr Geld auszugeben als je zuvor.

Moment, die Wirtschaft brummt? So einfach ist es nicht, Herr Harms, bitte genau hinsehen! Oh, ja, richtig: Zwar lief es in den vergangenen Jahren prächtig für Deutschland – aber nun trübt sich die Konjunktur ein. Schluss mit Brummen? Zumindest prasselt weniger Steuergeld in den Säckel. Frage: Wie kann Finanzminister Scholz trotzdem die schwarze Null verteidigen und zugleich so große Summen ausgeben? Antwort: Indem er auf die für Migration und Flüchtlinge zurückgelegten, aber nun nicht benötigten Milliarden zugreift. Aha, aber wäre es nicht klüger, dieses Geld für Krisenzeiten zurückzulegen und in langfristige Pensionsfonds zu investieren, wie es beispielsweise Norwegen tut? Ja, wäre möglicherweise klüger, aber entspräche nicht der Politik von Union und SPD. Die geben das Geld lieber aus.

Auch die Gewichtung der Ausgaben im schwarz-roten Haushaltsplan offenbart eine Schieflage. "Während Ausgaben für das Gemeinwesen – wie etwa Straßen, Hochschulen, schnelles Internet – nur ganz gemütlich einen Zahn zulegen, kennen die Sozialhaushalte kein Halten mehr", analysiert unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld. "Das Kindergeld wird angehoben, das Wohngeld ebenfalls. Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose dürfen auf mehr Hilfe hoffen, die Rentner auf ein höheres Rentenniveau."

Die Euros seien jedem Empfänger staatlicher Mittel von Herzen gegönnt, zumal viele lang und hart dafür gearbeitet haben. Trotzdem beschleicht mich langsam, aber sicher das Gefühl, dass diese Bundesregierung ein größeres Interesse daran hat, strukturelle Herausforderungen unseres Landes wie den demografischen Wandel kurzfristig mit Milliarden zuzuschütten, statt den Mut aufzubringen, den Menschen zu erklären, dass wir uns alle grundlegend umstellen müssen, um unseren Wohlstand langfristig zu erhalten. Länger arbeiten, mehrere Jobs innerhalb eines Berufslebens ausüben, lebenslang weiterbilden, digitale Kenntnisse aneignen, selbst stärker vorsorgen, später in Rente gehen, kurz: weniger auf den Staat verlassen, das eigene Glück selbst in die Hand nehmen – was in anderen Ländern längst selbstverständlich ist, tönt hierzulande vielen noch wie Chinesisch in den Ohren. Und diese Bundesregierung tut zu wenig, das Chinesisch in Deutsch zu übersetzen.

Zugleich ist das Bedürfnis vieler Menschen nach einer klugen, stabilen Altersvorsorge riesig. Mehr als 160.000 Leserinnen und Leser von t-online.de haben bei unserer Umfrage abgestimmt, ob sie sich vor Altersarmut fürchten – mehr als 65 Prozent sagen: ja. Ob die große Koalition irgendwann Antworten auf diese Sorgen findet?

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Gestern schrieb ich im Tagesanbruch über das Problem deutscher Waffenexporte. Heute muss ich Ihnen ein noch größeres Problem auftischen: Die Kriege der Zukunft werden nicht mehr von Menschen mit Gewehren und Panzern ausgetragen, sondern von Killer-Robotern. Wenn jetzt vor ihrem geistigen Auge eine Armada waffenschwingender Maschinenmännchen und feuernder Flugobjekte ähnlich wie bei Star Wars erscheint, dann ist das gar nicht so weit von der Realität entfernt. Besser, wenn Maschinen statt Menschen aufeinander schießen, mögen Sie vielleicht denken, aber nichts ist besser. Forscher schlagen Alarm: Die Killermaschinen sind eine enorme Gefahr, weil sie kein Erbarmen kennen und weil sie sich irgendwann der menschlichen Kontrolle entziehen könnten. Wenn Sie sich einen Eindruck davon verschaffen möchten, was da auf uns zukommt beziehungsweise zuschießt, empfehle ich Ihnen zwei kurze Videos: Dieses hier zeigt einen Schwarm selbststeuernder Mini-Kampfdrohnen der US-Armee und dieses hier ein … ja was: ein Monster? Mir wird heiß und kalt, wenn ich so etwas sehe.

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Ab heute diskutieren in Genf zahlreiche Staaten darüber, ob der Einsatz der sogenannten "tödlichen autonomen Waffensysteme" künftig Regeln unterworfen werden soll. Dazu zitiere ich die Nachrichtenagentur dpa: "Die Bestrebungen vieler Staaten, ein Verbot solcher 'Killer-Roboter' durchzusetzen, scheitern bislang am Widerstand von Ländern mit großer Waffenindustrie." Hat man da noch Worte?

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Falls Sie in Darmstadt wohnen und einen Diesel fahren, können Sie sich darauf einstellen, dass Sie ab heute Probleme bekommen: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden verhandelt über ein mögliches Fahrverbot in der Stadt. Währenddessen spielen Autokonzerne und Bundesregierung bei dem Thema weiter "Hasch mich".

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Bevor Sie jetzt ob all der ernsten Themen schlechte Laune kriegen: Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln eröffnet in diesen Tagen eine spektakuläre Ausstellung. 130 Gemälde amerikanischer Künstler aus den 300 Jahren zwischen 1650 und 1950 entführen uns in die Kolonialzeit, den Realismus und den Expressionismus. Viele der Exponate wurden noch nie zuvor in Europa gezeigt. Hingehen lohnt sich!

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WAS LESEN?

Zu Facebook wolle ich noch ein paar Sätze schreiben, habe ich oben angekündigt. Also dann: Facebook ist ein Fenster in die Welt, Facebook ist Zerstreuung – und Facebook ist ein Problem. Der Algorithmus der Plattform begünstigt emotionale Geschichten, wilde Gerüchte und diffamierende Lügen; sie werden zigtausendfach geteilt, viel häufiger als nüchterne Nachrichten. Die Macher um Mark Zuckerberg haben das Problem bis heute nicht im Griff, vermutlich wollen sie es auch gar nicht in den Griff bekommen, weil sie damit viel Geld verdienen. Die Maschine, die sie gebaut haben, gefährdet unsere Demokratie, den Rechtsfrieden, den Anstand. Eine Dokumentation der ARD zeigt das Ausmaß des Problems. Karsten Schmehl, Reporter beim Portal Buzzfeed und einer der besten Online-Rechercheure hierzulande, hat einen jungen Mann getroffen, der auf Facebook und YouTube falsche Behauptungen und Gerüchte verbreitet und so Hunderttausende Menschen manipuliert. Ich hoffe, Sie sind nicht darunter. Aber Bescheid wissen sollten Sie über dieses Problem, dem Ihre Freunde, ihre Verwandten, ihre Kinder und Enkel ebenso ausgesetzt sein könnten wie Sie selbst.

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WAS FASZINIERT MICH?

Ich gebe zu: Personenkult und Starrummel sind nicht so meins. Wir sind alle aus Fleisch und Blut. Wir kochen mit Wasser. Aber manche Persönlichkeiten strahlen eine Faszination aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Deshalb möchte ich Sie heute auf eine Serie von Fotos hinweisen, mit der Sie einer besonders charismatischen Person nahekommen können: Alltäglichkeiten und große Ereignisse. Der Moment des Triumphs und der Moment mit der Oma. Riskieren Sie ruhig einen Blick!

Ich wünsche Ihnen einen großartigen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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