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Tagesanbruch: Was politische Anführer von George W. Bush lernen können


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

13.02.2019Lesedauer: 7 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
US-Präsident Bush am 14. September 2001 am Ground Zero in New York.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Bush am 14. September 2001 am Ground Zero in New York. (Quelle: imago)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Deutschland im Frühjahr 2019: Das bundespolitische Führungspersonal stellt sich neu auf, zieht einen Schlussstrich unter die Vergangenheit und schaut nach vorn, erarbeitet neue Programme, steckt sich neue Ziele. Bis zur Europawahl Ende Mai wird die Groko-Maschine weitertuckern, vielleicht auch noch bis zu den ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst. Danach? Steht alles in den Sternen. Bleibt die SPD im Jammertal stecken, werden die Fliehkräfte enorm; die geplante Halbzeitbilanz der Bundesregierung könnte dann sehr kurz werden: Ende, Schluss und raus!

Für diesen Fall wappnen sich Christ- und Sozialdemokraten schon jetzt, dafür brauchen sie jeweils ein geschärftes Profil, das sich vom Groko-Einheitsbrei unterscheidet, das enttäuschte Wähler wieder begeistert, das neue Mehrheiten und neue Bündnisse ermöglicht. So erklären sich der Linksruck der SPD und die neue Härte der CDU.

Aber reicht ein neues Programm, um verblasste Sterne wieder zum Glänzen zu bringen, um den müden Truppen neue Kraft zu impfen? Ein Faktor scheint mir in der derzeitigen Berichterstattung zu kurz zu kommen, dabei ist er eigentlich naheliegend: Ein Neuanfang braucht immer auch ein Zugpferd, eine charismatische Führungsperson, die den eigenen Leuten Orientierung gibt, die die Reihen hinter sich zu schließen vermag und dem neuen Programm ein neues Gesicht gibt. Ist Andrea Nahles diese Anführerin, ist es Annegret Kramp-Karrenbauer? Über beide lässt sich viel Gutes sagen, beide sind Profis im Politbetrieb, beide zeichnen sich durch Überzeugungen und Ehrgeiz aus. Aber erreichen Sie ihre Parteigänger, vermögen sie die Leute mitzureißen? Bei Nahles ist die Antwort einer aktuellen Umfrage zufolge ein klares Nein. Bei Kramp-Karrenbauer ist es ein Jein. Wer erlebt hat, wie gespalten die CDU-Delegierten auf dem Krönungsparteitag in Hamburg auftraten, wie das Merz-Lager und das AKK-Lager sich hinter den Kulissen beharkten, wer heute in die Partei hineinhorcht und zwischen beflissenen Loyalitätsadressen die vielen "Abers" und "Schaun-wir-mals" vernimmt, der ahnt, dass der neuen CDU-Chefin noch viel Überzeugungsarbeit bevorsteht.

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Empathie und die Fähigkeit, andere Menschen zu motivieren. Zähigkeit und Disziplin. Durchsetzungsvermögen und Entscheidungsfreude. Eine schnelle Auffassungsgabe und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen. Zuhören können, aber auch Ansagen machen. Vertrauen schenken und andere glänzen lassen. Die Fähigkeit, kommende Entwicklungen zu erahnen. Und, und, und: Es gibt viele Eigenschaften, die ein guter Anführer, eine gute Anführerin braucht. Hinzu kommt jedoch etwas, das nur selten beachtet wird: Wirklich erfolgreiche Anführer führen niemals allein. Sie führen im Kollektiv. Sie besitzen feine Drähte für Stimmungen in Teams, können sofort darauf reagieren und die Hoffnungen, Emotionen und Fähigkeiten ihrer Gefolgsleute in pure Energie umwandeln.

Um Ihnen zu verdeutlich, was ich meine, möchte ich Ihnen ein Beispiel zeigen, das sie vielleicht überraschen mag. Es handelt sich um eine kurze Videoszene, die ich neulich in einem Vortrag von Jeff Eggers sah. Eggers kämpfte mit der US-Spezialeinheit Navy Seals im Irak und in Afghanistan, diente Barack Obama als nationaler Sicherheitsberater und gründete mit dem ehemaligen ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal eine Beratungsfirma. Wenn jemand weiß, wie Führung funktioniert, dann er. In dem Video sehen Sie allerdings weder Eggers noch den beliebten US-Präsidenten Obama – sondern einen Mann, der in den Augen vieler Menschen mehr Unheil angerichtet hat als die meisten anderen Politiker seiner Zeit. Tatsächlich war er weder ein besonnener Staatsmann noch ein kluger Stratege. Aber eines war er ganz bestimmt: ein starker Anführer. Wie stark, das sehen Sie in dieser kurzen Szene. Der Mann steht auf den Trümmern von zwei Hochhäusern und hält eine Ansprache an Feuerwehrleute und seine erschütterte Nation, die ihm gebannt vor dem Fernseher lauscht. Er hat ein Megafon in der Hand, ist aber schwer zu verstehen. "Wir können Sie nicht hören!", ruft einer aus der Menge – und der Mann zögert keine Sekunde. Seine Antwort kommt schlagfertig, sie bündelt in drei kurzen Hauptsätzen alles, wofür er steht, und sie trifft exakt den Ton, den Millionen Menschen genau in diesem Moment hören wollen: "ICH kann euch hören! Und die Menschen im Rest der Welt können euch hören. Und die Leute, die diese Gebäude zum Einsturz gebracht haben, werden sehr bald von uns hören!"

Drei scheinbar einfache Sätze, die in ihrer Schlichtheit die denkbar stärkste Botschaft transportieren – und uns noch heute verdeutlichen: Führung lässt sich nicht vollständig planen, berechnen, erlernen. Weder in "Werkstattgesprächen" noch in Parteivorstandsklausuren. Sie liegt zu einem großen Teil im Unberechenbaren, in spontanen Reaktionen auf ungeplante Situationen, im Charakter eines Anführers und in dessen Fähigkeit, sein Umfeld einzubeziehen. Gute Führungskräfte wachsen an jeder neuen Aufgabe, die sich ihnen stellt. Und manchmal zeigt sich erst in der größten Krise, wer wirklich das Zeug zur Nummer eins hat. So gesehen haben Andrea Nahles und Annegret Kramp-Karrenbauer gerade hervorragende Voraussetzungen. Vielleicht schauen sie sich das Video von Herrn Bush ja auch mal an.


WAS STEHT AN?

Heute Abend tagt der Koalitionsausschuss. Vordergründig geht es um Rente, Energie, Dieselkrise und natürlich den neuen, kilometerlangen Wunschzettel der SPD. Hintergründig geht es aber natürlich auch hier um Führung: Wer setzt den Ton, wer setzt sich durch? Unsere Politikchefin Tatjana Heid wird genau hinsehen und Sie morgen an Ihren Eindrücken teilhaben lassen.


In der Kabinettssitzung befassen sich Bundeskanzlerin Merkel und ihre Minister heute mit der Verlängerung der Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan, im Süd-Sudan, in Darfur und im Mittelmeer. Außerdem geht es erfreulicherweise auch mal um Menschenrechtspolitik.


Bundesweit ruft der öffentliche Dienst heute zu Warnstreiks auf. Falls Sie also dringend von A nach B müssen und nicht in B(erlin) wohnen (wo wir an ständigen Stillstand gewohnt sind), sollten Sie mehr Zeit einplanen als sonst.

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Das Bundesamt für Naturschutz stellt heute den "Erneuerbare Energien Report" vor. Er befasst sich mit der Frage: Wie kann die Energiegewinnung mit dem Natur- und Klimaschutz weitestgehend in Einklang gebracht werden? Ja, das wüsste ich auch gern.


Auf dem Nato-Verteidigungsministertreffen geht es um den gekündigten INF-Abrüstungsvertrag und wieder mal um die Frage, welches Mitgliedsland wie viel Geld in Rüstung und Streitkräfte investiert. Bundesverteidigungsministerin von der Leyen muss nach der Aufstockung ihres Etats nun nicht mehr schamesrot anlaufen, wenn sie ihren Kollegen die Hand schüttelt.


In Warschau beginnt die von den USA organisierte Konferenz zur Zukunft und Sicherheit im Nahen Osten, Vertreter von mehr als 60 Staaten sind dabei. Im Mittelpunkt soll die Rolle des Iran im syrischen und im jemenitischen Krieg stehen. Kritiker vermuten, US-Vizepräsident Pence und US-Außenminister Pompeo wollten das Treffen nutzen, um eine neue Allianz gegen Teheran zu schmieden, vielleicht sogar Militäraktionen anzubahnen. Ein brisanter Termin also. Bundesaußenminister Heiko Maas lässt sich trotzdem von seinem Staatssekretär Niels Annen vertreten. Wäre Sigmar Gabriel nicht passiert.


In Wiesbaden entscheidet heute das Verwaltungsgericht, ob es dort ein Dieselfahrverbot geben soll. Falls ja, wäre es die nächste Ohrfeige für die Bundesregierung. Falls nein, erhebt die Deutsche Umwelthilfe halt in der nächsten Stadt Klage.


161 Pflichtspiele für Borussia Dortmund, 115 Einsätze für Tottenham Hotspur: Steffen Freund kennt beide Klubs in- und auswendig. Der Ex-Nationalspieler trug fünf Jahre lang das Trikot der Schwarz-Gelben, gewann Champions League, Weltpokal und zwei Mal die deutsche Meisterschaft. Danach rackerte er sich vier Jahre lang im Mittelfeld der "Spurs" ab. Vor dem Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale heute Abend (ab 21 Uhr im Live-Ticker unseres Sportteams) spricht Freund im Interview mit meinem Kollegen David Digili über das Duell seiner beiden Ex-Klubs, die Saison der Dortmunder, den radikalen Wandel in Tottenham – und erklärt haarklein, worauf der BVB in London unbedingt achten sollte.


WAS LESEN?

Bis Hoch "Dorit" zum Wochenausklang Sonne bringt, bleibt es in großen Teilen Deutschlands kalt. Na ja, was man halt so kalt nennt. Was dagegen ECHTE, RICHTIGE, BITTERE Kälte ist, kann uns Birgit Steckelberg erzählen. Bis vor Kurzem war sie Chirurgin in einer Hannoveraner Klinik, seit Dezember arbeitet sie auf der Forschungsstation Neumayer III, gerade mal 2.000 Kilometer vom Südpol entfernt. Dort werden schon mal minus 50,2 Grad gemessen. Wie Frau Steckelberg mit der Kälte zurechtkommt und was sie da unten so erlebt, hat sie meinem Kollegen Philip Buchen von watson.de erzählt.


Die Bayern machen es vor: Mehr als 950.000 Menschen unterstützen das Volksbegehren zur Erhaltung der Artenvielfalt, "Rettet die Bienen" und zwingen so Ministerpräsident Söder, sich des Themas anzunehmen. Nie war die Chance größer, dass sich in Deutschlands Landwirtschaft endlich etwas ändert, kommentiert die ARD.


Das Internet ist ein grenzenloses Netz, in dem wir uns frei informieren und mit Menschen rund um den Globus kommunizieren können. Ja, so war das mal gedacht. Die Realität sieht heute anders aus. Konzerne wie Apple, Google, Facebook bauen goldene Käfige, aus denen ihre Nutzer kaum entkommen. China errichtet ein Pseudo-"Intern"net, in dem es seine vom World Wide Web abgeschotteten Untertanen lückenlos überwacht. Und nun kappt auch noch Russland die Verbindungen nach draußen: Die Internetprovider des Landes werden zeitweise vom Rest der Welt abgeklemmt. So solle getestet werden, ob das russische Netz im Falle einer ausländischen Attacke autark funktionieren würde – sagt der Kreml. So soll die totale Überwachung der Untertanen vorbereitet werden – sagen Menschenrechtler. Was sagen Fachleute? Der Moskauer Reporter Andrei Soldatov kennt die Hintergründe so gut wie wenige andere. Sein Report liest sich fast wie ein Krimi.


WAS AMÜSIERT MICH?

Manchmal ist die Macht der Destruktion größer als die Vernunft. Zum Beispiel, wenn Chaoten in den Reihen französischer Gelbwesten den Protest für Randale missbrauchen. Manchmal aber ist die Macht des Faktischen stärker als die Destruktion.

Ich wünsche Ihnen einen konstruktiven Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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