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Tagesanbruch: Wahlen in Sachsen und Brandenburg – es geht nicht nur um die AfD


Es geht nicht nur um die AfD

Von Tatjana Heid

Aktualisiert am 23.07.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Alle Augen richten sich nach Sachsen: Ministerpräsident Michael Kretschmer beim Start seiner Sommertour.Vergrößern des Bildes
Alle Augen richten sich nach Sachsen: Ministerpräsident Michael Kretschmer beim Start seiner Sommertour. (Quelle: Robert Michael/dpa/dpa-bilder)

Einen wunderschönen guten Morgen!

Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Es klingt wie eine der langweiligeren Politikmeldungen: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat gestern seine Sommertour durch alle Wahlkreise Sachsens begonnen. Bier trinken, grillen, gute Laune. Aber natürlich ist die Situation so entspannt nicht. Michael Kretschmer kämpft gegen die AfD und darum, mit seiner CDU stärkste Kraft im Land zu bleiben.

Die Wahl in Sachsen am 1. September ist für die Politik etwa das, was für einen Segler ein vorhergesagtes Unwetter am Horizont ist. Er weiß, es wird ihn erwischen. Er weiß, es wird ziemlich ungemütlich. Aber er hofft, dass es nicht allzu schlimm kommen wird. So gesehen starrt das gesamte politische Berlin trotz Sommerpause gebannt an den Horizont im Osten.

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Die jüngste Umfrage von Anfang Juli sieht CDU und AfD in Sachsen gleichauf bei 26 Prozent. Und das im einstigen Stammland der CDU. Sollte die AfD an den Christdemokraten vorbeiziehen, wäre das eine Katastrophe für die CDU – nach 30 Jahren als stärkste Kraft, davon 14 mit einer ostdeutschen Bundeskanzlerin aus der eigenen Partei. Doch selbst wenn die CDU stärkste Kraft bleibt, wird die Wahl Deutschland verändern.

Die AfD wird zu einem wesentlichen Faktor bei Regierungsbildungen. Mit starken Rechtspopulisten hätte keine der klassischen Koalitionen in Sachsen eine Mehrheit: Schwarz-Rot nicht, Schwarz-Gelb nicht, auch nicht Rot-Rot-Grün. Ausgeschlossen hat Kretschmer eine Koalition mit der Linken und der AfD. Die verbleibenden vier Parteien – CDU, SPD, Grüne, FDP – kämen gegenwärtig auf 52 Prozent, und dabei ist noch nicht klar, ob die FDP die Fünf-Prozent-Hürde überspringt. Um eine Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten zu verhindern, könnten also Koalitionen notwendig werden, die heute noch nicht vorstellbar sind. Zudem wird die Diskussion wieder aufflammen, ob die AfD nicht doch ein Koalitionspartner für die CDU sein könnte, vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft.

In Brandenburg, wo am selben Tag gewählt wird, sieht die Situation übrigens ähnlich aus. Auch dort könnte die AfD stärkste Kraft werden, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Dort könnte es knapp für eine rot-rot-grüne Koalition reichen, es müsste kein Viererbündnis unter Aufbietung aller Kräfte geschmiedet werden.

Doch bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg (und am 27. Oktober auch in Thüringen) geht es natürlich nicht nur um die AfD. Es geht auch um die Grünen, die im Osten nie stark waren und nun in allen drei Bundesländern deutlich zugewinnen könnten. Der bundesweite Trend setzt sich also voraussichtlich fort: Kleine Parteien gewinnen, (ehemals) große Parteien verlieren.

Und das könnte in letzter Konsequenz Auswirkungen auf die Regierung in Berlin haben. Dass die Koalition aus Union und SPD vor den Landtagswahlen bricht, ist trotz aller Streitigkeiten unwahrscheinlich. Aber danach und insbesondere mit einer neuen Parteiführung könnte die SPD zu dem Schluss kommen, dass sie nichts mehr zu verlieren hat – zumal wenn sie in Brandenburg ebenso wie die CDU in Sachsen nach 30 Jahren nicht mehr stärkste Kraft wird – und aus der Koalition austreten.


WAS STEHT AN?

Wenn Sie den gestrigen Tagesanbruch gelesen haben, dann wissen Sie es natürlich schon: Heute geben die britischen Tories bekannt, wer neuer Parteichef wird – und damit Theresa May als Premierminister folgen wird. Einer aktuellen Umfrage unter Tory-Mitgliedern zufolge ist Boris Johnson das Amt nicht mehr zu nehmen. Demnach könnten ihm mehr als 70 Prozent ihre Stimme geben – ihm, dem Brexit-Lügen-Erzähler und politischen Exzentriker mit Langzeit-Ambitionen auf das Amt des Premierministers. Sehen Sie hier im Video meiner Kollegen Robin Krempkow und Melanie Lueft seine skurrilsten Auftritte)

Und dann? Johnson hat in den vergangenen Wochen keinen Zweifel daran gelassen, dass er Großbritannien am 31. Oktober zur Not auch ohne Deal aus der EU führen will – "komme, was wolle!" Britische Medien gehen davon aus, dass zunächst einmal eine Regierungsumbildung kommen wird. Gestern trat bereits der Staatssekretär im Außenministerium, Alan Duncan, zurück, mehrere Minister haben ihren Rücktritt bereits angekündigt.

Ende der Woche entschwindet das britische Parlament dann in die Sommerpause, die erst Anfang September endet – und Johnson wird sich in die Details des Brexits (mit denen er es bislang ja nicht so genau nahm) einarbeiten müssen. Dabei wird er vermutlich feststellen, dass 1.) es Gründe hat, warum das Problem des Backstops – der eine harte Grenze zu Irland vermeiden soll und an dem sich viele Briten stören – nach wie vor nicht gelöst ist. Dass 2.) die EU nicht gewillt ist, den Brexit-Deal noch einmal aufzumachen. Und dass 3.) das Parlament einen No-Deal-Brexit vehement ablehnt und nicht vorhat, sich ausbooten zu lassen. 4.) Wird Johnson sich vermutlich mit den Konsequenzen eines No Deals befassen müssen – ein Horror für die Wirtschaft auf der Insel. Und dann sind da noch die außenpolitischen Spannungen: Will Großbritannien mit der EU weiter am Atomabkommen mit dem Iran festhalten? Oder schlägt sich das Land auf die Seite der USA? Immerhin: Johnson ist dann am Ziel, er wäre Regierungschef des Vereinigten Königreichs. Doch wie hieß es einst sinngemäß bei Oscar Wilde: Wenn Gott uns bestrafen will, erhört er unsere Gebete.


In Bayreuth beginnt heute der Prozess um den Mord an Sophia L. Die damals 28-jährige Studentin war im Juni vergangenen Jahres verschwunden, als sie von Leipzig zu ihrer Familie nach Amberg in der Oberpfalz trampen wollte. Eine Woche später wurde ihre Leiche in Nordspanien gefunden. Vor Gericht steht nun ein aus Marokko stammender Lkw-Fahrer, in dessen Wagen Sophia L. offenbar gestiegen war. Der Fall erlangte deutschlandweite Bekanntheit, zum einen, weil die Familie noch vor der Polizei aktiv wurde. Während sie die junge Frau über die sozialen Netzwerke suchte, betrachteten die Ermittler die Angelegenheit als Vermisstenfall, dazu kamen Abstimmungsprobleme zwischen den Behörden in Sachsen und Bayern. Zum anderen ereilte Sophia L. und ihre Familie ein – leider muss man das mittlerweile sagen – für Deutschland sehr typisches Schicksal: Rechte Kreise versuchten, sie zu instrumentalisieren. So zeigten Teilnehmer einer AfD-Demo im vergangenen Herbst in Chemnitz Sophias Bild – das Bild einer Frau, die sich zu Lebzeiten gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit eingesetzt hatte. "Das war der schlimmste Moment – dass man sie sozusagen noch einmal missbraucht", sagte ihr Bruder dazu. Später erhielt die Familie Hassmails. Dennoch weist sie auch vor dem Prozess noch einmal darauf hin, dass es nicht um Gewalt von Flüchtlingen geht – wie zwischenzeitlich gemutmaßt – sondern um brutale Gewalt gegen Frauen. Ich habe großen Respekt vor diesen Menschen. Meine Kollegin Nathalie Helene Rippich ist heute beim Prozessauftakt in Bayreuth.

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Kennen Sie den Schierlings-Wasserfenchel? Nein? Dann leben Sie nicht in Hamburg und arbeiten auch nicht im Verkehrsministerium. Denn diese vom Aussterben bedrohte Sumpfpflanze aus der Familie der Doldenblütler wächst ausschließlich am Ufer der Tideelbe – und hätte fast den Elbausbau verhindert, jenes Vorhaben, das länger diskutiert als die Elbphilharmonie gebaut wurde. Nach 17 Jahren Planung, Streit und juristischen Auseinandersetzungen beginnen heute die Arbeiten an der Fahrrinne. Es ist die neunte Elbvertiefung in den vergangenen 200 Jahren, Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern sollen künftig unabhängig von Ebbe und Flut den Hamburger Hafen anlaufen können. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wird zur Feier des Tages eine Rede halten, natürlich sind auch Proteste von BUND, WWF und Nabu angekündigt. Die Grünen beklagen die Ausbaggerung als "Todesstoß für das Ökosystem Elbe". Scheuer wird das kaum stören, der krisengeschüttelte Minister ist Gegenwind gewohnt. Und dass es jetzt richtig los geht an der Elbe, ist ja mal eine Erfolgsmeldung. Doch was ist mit dem Schierlings-Wasserfenchel? Der zumindest ist gerettet. Er wird umgesiedelt, in das Becken eines alten Wasserwerks.


WAS LESEN?

"Du hattest gute Zeiten/ Wir waren mit dabei/ Wir werden dich begleiten/ Wir bleiben troy/ Du hattest schlechte Zeiten/ Und wir waren auch dabei" – Jeder kennt diese Bands aus der eigenen Jugend, die einen immer begleitet haben. Wenn man in den Urlaub gefahren ist, hat man ihre Musik gehört. Wenn man Liebeskummer hatte, haben sie einen getröstet. Und wenn man tanzen wollte, dann zu ihrer Musik. Bei mir war eine dieser Bands "Die Fantastischen Vier" (oben Zeilen aus ihrem Lied "Troy"). Deswegen freue ich mich sehr, Ihnen das Interview ans Herz zu legen, das meine Kollegin Imke Gerriets mit Smudo zum 30. Band-Jubiläum geführt hat.

Kommen wir zum Wetter: Es wird heiß, heiß, heiß in Deutschland. Gestern ließ es sich zumindest im Norden und in Berlin noch recht gut aushalten, in den kommenden Tagen aber werden in weiten Teilen des Landes 32 bis 38 Grad erreicht. Da hilft nur eine ausgeklügelte Überlebensstrategie. In ihrer Kolumne gibt Ihnen unsere Wetterexpertin Michaela Koschak Tipps, wie sie gut durch den Tag kommen – und welchen Gefallen Sie Ihrer Großmutter tun könnten. Nebenbei erklärt Koschak auch, was die Wetterlage mit dem griechischen Buchstaben Omega zu tun hat.


WAS AMÜSIERT MICH?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat einen Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung in Deutschland vorgelegt. Das war dringend notwendig!

Einen schönen Dienstag wünsche ich Ihnen!

Ihre

Tatjana Heid
Politikchefin t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @t_heid

Mit Material von dpa.


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