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Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren: Diese Fotos sollte jeder kennen


Was heute wichtig ist
Jeder soll sie kennen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 27.01.2020Lesedauer: 6 Min.
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Jüdische Mütter und Kinder im KZ Auschwitz gehen am elektrischen Zaun vorbei in Richtung Gaskammer.Vergrößern des Bildes
Jüdische Mütter und Kinder im KZ Auschwitz gehen am elektrischen Zaun vorbei in Richtung Gaskammer. (Quelle: Courtesy of Yad Vashem Archives)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Der Wettlauf hat begonnen: Mensch gegen Virus. 2019-nCoV heißt es in der Sprache der Wissenschaftler, wir Nicht-Experten können uns besser den Begriff Coronavirus merken. Von einem Tiermarkt in der zentralchinesischen Stadt Wuhan hat es sich im Nu ausgebreitet. Übertragen wird es nicht mehr nur von Tier zu Mensch, sondern nun auch von Mensch zu Mensch; zehn Tage nach der Infektion treten die ersten Symptome auf. Bei 3.000 Personen wurde das Virus bisher nachgewiesen, in China sind schon 56 Menschen gestorben. Auch die USA und Frankreich melden erste Krankheitsfälle.

Jeder Infizierte steckt in der Regel zwei bis drei weitere Menschen an: So verbreitet sich der Erreger von Stadt zu Stadt, von Land zu Land. Rund um den Globus fahren die Gesundheitsbehörden eiligst die Sicherheitsmaßnahmen hoch. Deutsche Flughäfen rüsten sich für Verdachtsfälle. Um die Krankheit einzudämmen, müssen mindestens 60 Prozent der Neuansteckungen verhindert werden. Das ist jetzt das Ziel. Der Wettlauf Mensch gegen Virus hat begonnen.


WAS STEHT AN?

Es gibt diesen Reflex, er ist weit verbreitet: Lasst mich in Ruhe mit den alten Geschichten, hört doch endlich auf, ständig von den Schrecken der Vergangenheit zu sprechen, vorbei ist vorbei, wir müssen das jetzt endlich mal hinter uns lassen! Er ist menschlich, dieser Reflex, und er ist gefährlich. Nur wer die Vergangenheit versteht, kann daraus für die Gegenwart lernen. Nur wer weiß, was Menschen aus unserem Land anderen Menschen angetan haben, kann sich dafür einsetzen, dass dergleichen nie wieder geschieht. Auch deshalb ist der heutige Tag so wichtig. Ein Tag des Gedenkens, aber auch ein Tag des Begreifens.

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Heute vor 75 Jahren, ziemlich genau um 15 Uhr nachmittags, befreiten Rotarmisten die rund 7.000 noch lebenden Gefangenen des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz (hier sind die Original-Filmaufnahmen). "Menschliche Skelette kamen uns entgegen", erinnerte sich später der sowjetische Offizier Anatoly Shapiro. "Sie trugen Streifenanzüge, keine Schuhe. Es war eisig kalt. Sie konnten nicht sprechen, nicht einmal die Köpfe wenden." Unser Zeitgeschichteredakteur Marc von Lüpke hat die Geschehnisse zusammengefasst, ebenso wie die Geschichte des "Sonderkommandos".

1,1 Millionen Menschen hatten die Nazis und ihre Schergen in Auschwitz ermordet. Sie trieben sie in die Gaskammern, sie erschossen sie vor der "Schwarzen Wand", sie prügelten, hetzten, folterten sie zu Tode, sie ließen sie verhungern, erfrieren oder an Krankheiten zugrunde gehen, sie quälten sie mit perversen medizinischen Experimenten: Männer, Frauen, Kinder, Babys.

Es ist das eine, um die Verbrechen des Nazi-Regimes zu wissen. Es ist etwas anderes, wirklich zu verstehen, wie der Massenmord organisiert wurde und ablief. Dafür kann man Bücher lesen, beispielsweise Eugen Kogons Standardwerk "Der SS-Staat" oder "Das Schwarzbuch" von Wassili Grossman und Ilja Ehrenburg oder auch Hans Mommsens "Auslöschung des Judentums in Europa". Man kann sich in Romane wie "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers oder "Die Wohlgesinnten“ von Jonathan Littell vertiefen.

Oder man nimmt das "Auschwitz-Album" zur Hand, das einen Tag im Mai 1944 aus der Perspektive der Täter zeigt. Ein SS-Mann fotografierte nach der Ankunft eines Transports ungarischer Juden die Stationen der Vernichtung: von der "Selektion" an der Rampe neben den Bahnwaggons bis zum Warten vor den Gaskammern. Eine befreite Jüdin entdeckte das Album ein Jahr später zufällig in einer ehemaligen SS-Kaserne und erkannte auf den Bildern nicht nur ihre Verwandten, sondern auch sich selbst. Im Jahr 1980 übergab sie es der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Deren Mitarbeiter haben mir gestattet, hier eine Auswahl der Fotos zu zeigen. Jeder sollte sie kennen:

75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz leben wir in einem demokratischen, rechtsstaatlichen Deutschland, in dem die Menschenrechte geachtet werden. Zugleich macht sich in diesem Deutschland aber das Böse wieder breit. Die neuen Nazis rotten sich zusammen, knüpfen ihre Netzwerke, greifen Ausländer und Synagogen an, hecken Mordanschläge auf Politiker aus, schüren im Internet den Hass, hetzen gegen Flüchtlinge, Journalisten, Andersdenkende. Auch der muslimische Antisemitismus greift um sich: Juden werden beleidigt, bespuckt, geschlagen, bedroht. Die Wut über die Unterdrückung der Palästinenser durch den Staat Israel schlägt in Hass gegen alle Juden um.

Das Gift des Antisemitismus ist ansteckend und hochgefährlich – auch deshalb, weil die Polizei, die Staatsanwaltschaften und die Gerichte es nicht allein aufhalten können, selbst wenn sie es endlich ernsthafter versuchen würden. Jede Bürgerin und jeder Bürger ist gefordert. Wer in einem freien, demokratischen und menschenfreundlichen Land leben will, der kann sich nicht zurücklehnen und die anderen machen lassen. Der muss sich selbst für diese Werte einsetzen. Und der sollte wissen, was heute vor 75 Jahren geschah. Nur wer die Vergangenheit versteht, kann daraus für die Gegenwart lernen.

Diskutieren Sie mit in unserer Leserdebatte des Tages: Sollte der Besuch einer KZ-Gedenkstätte für Schüler verpflichtend sein?


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treiben dieselben Gedanken um. Deshalb reist er nach seiner Rede in Yad Vashem am vergangenen Donnerstag heute nach Auschwitz, um am Gedenken an die Befreiung des Lagers teilzunehmen – ebenso wie Polens Präsident Andrzej Duda, Israels Präsident Reuven Rivlin, Frankreichs Regierungschef Edouard Philippe, rund 100 ehemalige Gefangene des Konzentrationslagers und 3.000 weitere geladene Gäste. Auch ich werde den Bundespräsidenten heute begleiten und morgen im Tagesanbruch für Sie berichten.


Auch Hass und Gewalt gegen Amtsträger nehmen massiv zu. Der Mord an dem Kommunalpolitiker Walter Lübcke und die Schüsse auf ein Büro des Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby sind nur zwei von vielen Fällen. In manchen Regionen bleiben kommunale Ämter unbesetzt, weil sich kaum noch jemand traut. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil besorgt diese Entwicklung zutiefst. Im Interview mit meinem Kollegen David Ruch und mir hat er deshalb eine parteiübergreifende Initiative angekündigt, um den Schutz für Amts- und Mandatsträger zu verbessern:

"Wir können nicht einfach darauf warten, dass der nächste Politiker oder Ehrenamtliche Opfer von Gewalt oder gar ermordet wird. Wir haben alle die Pflicht, etwas zu tun. Und es geht ja nicht nur um die Politik. Ich war an Heiligabend in einer Rettungswache in meinem Wahlkreis. Dort haben mir Einsatzkräfte von Übergriffen im ländlichen Raum berichtet, man kann sich das gar nicht vorstellen. Da findet gerade an vielen Stellen eine ungeheure Verrohung in Deutschland statt. Wir müssen den Menschen, die uns helfen und die sich für unser Land engagieren, zeigen, dass der Staat, dass die Gesellschaft hinter ihnen steht und alles tut, um sie zu beschützen. (…) Es geht mir darum, jetzt ein öffentliches Signal zu senden. Dafür habe ich alle Generalsekretäre der Parteien – bis auf die AfD – angeschrieben und sehr schnell sehr positives Feedback erhalten. Wir werden uns am kommenden Donnerstag parteiübergreifend zusammensetzen und beraten, was wir auf unserer Ebene anstoßen können und müssen."

Außerdem spricht Klingbeil über den Start der neuen Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie über den schwierigen Spagat der SPD zwischen dem Wunsch nach Erneuerung und der Verantwortung als Regierungspartei. Es ist ein lesenswertes Gespräch geworden, finde ich.


Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Oppositionsführer Benny Gantz sind sich spinnefeind. Trotzdem müssen sie heute beide bei Donald Trump antanzen: Der US-Präsident will ihnen den Plan zur Lösung des Nahostkonflikts vorstellen, den sich sein Schwiegersohn Jared Kushner ausgedacht hat. Erfolgschancen: minimal. Aus Sicht der Palästinenser ist Trump, der die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt hat und Herrn Netanjahu auch sonst jeden Gefallen tut, kein unparteiischer Vermittler. Sie haben den Plan abgelehnt, noch bevor er veröffentlicht worden ist.


Im Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten setzen Trumps Verteidiger heute ihre Plädoyers fort. Der Prozess beschäftigt die amerikanischen Fernsehkanäle quasi rund um die Uhr. Hierzulande genügt es, wenn wir uns die prägnante Zusammenfassung meines Kollegen Fabian Reinbold zu Gemüte führen: Da steht das Wichtigste drin.

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WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Hetze, Verleumdung und Morddrohungen treffen neben Politikern und Prominenten auch Journalisten, und wen sie treffen, der kann sich ziemlich allein vorkommen, wenn Anzeigen im Sande verlaufen oder Richter mit den Schultern zucken. Der geschätzte Kollege Hasnain Kazim hat in der "Zeit" aufgeschrieben, was der permanente Hass aus dem Internet mit ihm macht.


Hierzulande fällt es vielen schwer, Begeisterung für Basketball zu entwickeln. Dabei ist es ein faszinierendes Spiel. Und wenn eine Ikone des Sports plötzlich stirbt, hat dies eine besondere Tragik. In Erinnerung an den großen Kobe Bryant: Hier sind seine besten Szenen.

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WAS AMÜSIERT MICH?

So, so, der Siggi geht nun also zur Deutschen Bank. Eine dringende Frage muss allerdings noch geklärt werden:




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