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"Querdenker" bei Corona-Demo in Leipzig: Keine Toleranz für Gesetzesbrecher!


Was heute wichtig ist
Keine Toleranz für Gesetzesbrecher

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 10.11.2020Lesedauer: 6 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Corona-Verharmloser und Neonazis feindeten in Leipzig Politiker und Journalisten an.Vergrößern des Bildes
Corona-Verharmloser und Neonazis feindeten in Leipzig Politiker und Journalisten an. (Quelle: Sebastian Kahnert/dpa-bilder)

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Und hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Vergleicht man Deutschland mit anderen Staaten, schneidet unser Land ziemlich gut ab. Die meisten Menschen haben genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und ein regelmäßiges Einkommen, allen anderen hilft der Staat. Trotzdem empfinden viele Bürger ein diffuses Unwohlsein, wenn sie die täglichen Nachrichten verfolgen. Die Beklemmung lässt sich schwerlich auf einen gemeinsamen Ursprung zurückverfolgen, doch wenn man einige Schlagzeilen der vergangenen Wochen hintereinander liest, schält sich ein Bild heraus:

In Dresden hat ein Islamist auf offener Straße einen wehrlosen Mann erstochen. Der Täter war den Behörden als Gefährder bekannt.

In den Polizeidienststellen mehrerer Bundesländer haben Beamte rechtsradikale Netzwerke gebildet und menschenverachtende Propaganda verbreitet.

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Im Leipziger Stadtteil Connewitz greifen Linksextremisten immer wieder Polizeidienststellen an und randalieren auf den Straßen.

In Berlin, Essen und anderen Großstädten erpressen arabische Clans Schutzgeld von Gastronomen, waschen ihre Beute in Immobiliengeschäften und verhöhnen Polizisten.

In München hat der Dax-Konzern Wirecard jahrelang Geschäftspartner und Anleger betrogen, ohne dass die Finanzaufsicht einschritt.

Und auf der sogenannten "Querdenker"-Demo durften am Wochenende Aufwiegler, Verschwörer und Neonazis stundenlang durch Leipzig marschieren, Polizisten und Journalisten angreifen und die Hygieneregeln brechen. "Es waren vor allem Rechtsextreme, die den 'Querdenkern' den erhofften Durchmarsch ermöglichten", schreiben meine Kollegen Lars Wienand und Jonas Mueller-Töwe, die den Ablauf rekonstruiert haben.

Sechs Ereignisse, die auf den ersten Blick nichts verbindet. Auf den zweiten aber doch. Es ist der Eindruck, den mir auch viele Leserinnen und Leser des Tagesanbruchs schildern: das Gefühl, dass der Staat nicht genug tut, um Recht und Ordnung jederzeit und überall durchzusetzen. Wegschauen hier, herunterspielen da, überfordert sein dort. Diese Entwicklung ist gefährlich. Deutschland soll ein tolerantes und vielfältiges Land sein. Aber das funktioniert nur, wenn alle sich an die Regeln halten – und zwar ausnahmslos. Unterschiedliche Lebensentwürfe verdienen Toleranz, Gesetzesbrüche nicht. Erwecken Polizei und Verfassungsschutz den Eindruck, sie hätten die Sicherheitslage nicht im Griff, schüren sie Verunsicherung. Dann erodiert das Vertrauen in den Staat. Dann muss man sich nicht wundern, wenn manche Leute den Populisten hinterherlaufen und meinen, die würden es besser machen. Ich meine: Die Bundes- und Landesregierungen sollten mehr dafür tun, Recht und Ordnung durchzusetzen – immer und überall.


Viele Menschen bewundern Robert Lewandowski, denn er kann viele Tore schießen. Manche Leute verehren Helene Fischer, denn sie kann turnen und dabei auch noch singen. Viele schwärmen für die Schauspielerin Scarlett Johansson, andere eher für den "Tatort"-Boerne Jan-Josef Liefers. Zigtausende jubeln Greta Thunberg zu, und Hunderttausende feiern den Wahlsieg Joe Bidens. All diese Persönlichkeiten haben fraglos Bedeutendes geleistet. Aber sind sie auch Helden? Man darf diese Frage stellen, ohne den Genannten oder ihren Fans zu nahe zu treten. Denn manchmal sind die wahren Helden eben nicht jene, die Tag für Tag im Rampenlicht stehen, sondern jene, die tagein, tagaus ihren Job machen, ohne dass die Öffentlichkeit Notiz davon nimmt. Die mit dem Rad statt mit der Limousine zur Arbeit fahren und sogar am Tag ihrer standesamtlichen Hochzeit im Labor stehen, um weiterzuarbeiten. Emsig, uneitel, gewissenhaft.

So wie Uğur Şahin und Özlem Türeci, die bis vor kurzem kaum jemand kannte, die nun aber drauf und dran sind, die größte Heldentat des Jahres zu vollbringen. Dabei kommen sie ganz ohne Starrummel aus. Herr Şahin kam im Alter von vier Jahren aus der Türkei nach Deutschland, als sein Vater als Gastarbeiter bei Ford in Köln anheuerte. Später studierte er Medizin, promovierte und habilitierte sich. Frau Türeci wuchs bei ihrem Großvater in Istanbul auf und kam ebenfalls als Vierjährige nach Cloppenburg, wo ihr Vater als Arzt arbeitete. Sie promovierte in Medizin und verschrieb sich der Forschung; von sich selbst hat sie einmal gesagt: "Ich bin eine preußische Türkin."

Jahrelang hat das Ehepaar neue Behandlungsmethoden gegen Krebs und andere Krankheiten erforscht. Herr Şahin meldete zahlreiche Patente an, heute gilt er als Milliardär. Gemeinsam mit seiner Frau gründete er das Biotechnologie-Startup Biontec, das nun in aller Munde ist: Dem Mainzer Unternehmen ist ein spektakulärer Durchbruch bei der Erforschung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus geglückt. Im Durchschnitt soll die Substanz bei neun von zehn Probanden angeschlagen haben: eine enorm hohe Quote. Die Firma hat angekündigt, noch in diesem Monat die Zulassung zu beantragen – als weltweit erstes Unternehmen, das mit der neuen RNA-Methode arbeitet (meine Kollegin Nicole Sagener erklärt sie hier). Biontech und der amerikanische Pharmariese Pfizer wollen bis Ende des Jahres bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen produzieren, im kommenden Jahr sollen es 1,3 Milliarden weitere sein.

So, und nun schließen Sie bitte für ein paar Sekunden die Augen und vergegenwärtigen Sie sich noch einmal, was wir in der Corona-Krise seit März durchgemacht haben. Falls Sie spicken wollen, erinnere ich Sie gern: Der erste Lockdown im Frühjahr. Die Unsicherheit. Mehr als 11.000 Tote allein hierzulande. Die wirtschaftlichen Schäden. Die Milliardenschulden. Zigtausende Arbeitslose. Die aufgezehrten Ersparnisse. Der zweite Lockdown seit Anfang November. Der gesellschaftliche Aufruhr. Der fehlende Kontakt zu Verwandten, Freunden, Kollegen. Der Frust und die Depressionen, die das Leben vieler Menschen trüben.

So, und nun öffnen Sie bitte Ihre Augen wieder und schauen Sie sich das Bild von Uğur Şahin und Özlem Türeci an. Dieses Ehepaar hat uns einen riesigen Schritt vorangebracht, damit wir endlich auf ein baldiges Ende des Corona-Schlamassels hoffen dürfen. Ich weiß nicht, wie Sie die beiden nennen würden, aber für mich sind sie Helden.

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WAS STEHT AN?

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) will heute erklären, warum seine Polizei nicht in der Lage war, die Gesetzesbrüche der "Querdenker"-Chaoten in Leipzig zu verhindern.

In Köln beginnt der Prozess gegen einen Polizisten, der auf Facebook volksverhetzende Kommentare gepostet und zu Straftaten aufgerufen haben soll. Es wird künftig wohl mehr solcher Verfahren brauchen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel berät mit Frankreichs Präsident Macron, Österreichs Kanzler Kurz, EU-Kommissionschefin von der Leyen und EU-Ratschef Michel, wie sie den islamistischen Terror effektiver bekämpfen können. Zeit wird’s. Die Koordination zwischen den EU-Staaten ist mit "holprig" noch freundlich beschrieben.

In Stuttgart beginnt der erste öffentliche Prozess um die Krawallnacht Ende Juni. Angeklagt ist ein 18-Jähriger, der die Scheiben eines Polizeiautos zertrümmert haben soll.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht mit fünf Menschen, die von Covid-19 genesen sind, aber immer noch unter den Langzeitfolgen leiden: ein Oberarzt, ein Popsänger, eine Yogalehrerin, ein Journalist und eine junge Frau aus Heinsberg.

Die Deutsche Islamkonferenz unter der Leitung von Innenminister Horst Seehofer (CSU) diskutiert die Frage, wie Imame ausgebildet werden können, ohne dass autoritäre Staaten wie Saudi-Arabien oder die Türkei hineinfunken. Eine wichtige Emanzipation.


WAS LESEN?

Ist ein neuer Präsident gewählt worden, hilft der bisherige Amtsinhaber ihm dabei, die Staatsgeschäfte zu übernehmen: So war es bisher in den USA – doch Donald Trump macht alles anders: Er torpediert Joe Bidens Machtübernahme. Unser Reporter Johannes Bebermeier berichtet aus Washington.


Was ist von Joe Biden zu erwarten? Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, kennt Donald Trumps Nachfolger gut. Im Interview mit meinem Kollegen Gerhard Spörl erklärt er, worauf wir uns jetzt einstellen müssen.


Vieles, was in Russland geschieht, erscheint uns gefährlich. Das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau ist eiskalt. Was bezweckt Putin wirklich und wie sollte sich Deutschland klug verhalten? Der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, erklärt es im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Ich habe bei der Lektüre einiges gelernt.


Schon bald könnte es den ersten Corona-Impfstoff geben – aber zunächst nur für wenige. Welche Gruppen zuerst gegen Covid-19 geimpft werden sollen, erklärt Ihnen meine Kollegin Melanie Weiner.


Eine Leserin fragte mich, ob man sich womöglich mit Corona anstecken könne, wenn man beim Herbstspaziergang einem keuchenden Jogger begegnet. Meine Kollegin Sandra Simonsen beantwortet die Frage.


WAS AMÜSIERT MICH?

Ach ja, der Donald, nun muss er weichen. Dabei kann er so schön singen! Glauben Sie nicht? Dann schauen Sie bitte mal hier hinein und klicken dann auf dem Bild rechts unten den Ton an).

Ich wünsche Ihnen einen stimmungsvollen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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