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Ukraine-Konflikt: Putin destabilisiert die Ukraine weiter – und nun?


Tagesanbruch
Und nun?

MeinungVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 21.02.2022Lesedauer: 6 Min.
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Wladimir Putin (Archivbild): Ist er überhaupt noch an einer diplomatischen Lösung interessiert?Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin (Archivbild): Ist er überhaupt noch an einer diplomatischen Lösung interessiert? (Quelle: Adam Berry/getty-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es war ein turbulentes Wochenende in Europa. Vielleicht denken Sie dabei als Erstes an den Sturm, der über den Kontinent hinweggefegt ist. Während "Zeynep" viele Menschen in Atem gehalten hat, haben sich auch die Ereignisse in der Russland-Ukraine-Krise überschlagen.

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Denn während bei der Sicherheitskonferenz in München über die Gefahr eines Krieges und diplomatische Wege gesprochen wurde, setzte Russlands Präsident Wladimir Putin vor allem auf militärische Machtdemonstration.

Nicht nur schickte er zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren keine Delegation auf die Sicherheitskonferenz und schlug damit eine wichtige Gesprächsgelegenheit aus. Mit den folgenden vier Schritten eskalierte er die Situation auch weiter:

Putin traf sich mit Lukaschenko

Erstens: Der Kreml-Chef traf sich stattdessen mit seinem Verbündeten, dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko. Öffentlichkeitswirksam beobachteten beide am Samstag zusammen, wie ihre Armeen atomwaffenfähige Raketen zu Übungszwecken abfeuerten. Ferngesteuert aus dem Kreml.

Zweitens: Am Sonntag verkündete Russland dann, dass die Truppen doch nicht – wie angekündigt – aus Belarus abgezogen werden. Sie bleiben erst einmal für weitere Übungen in dem Nachbarstaat der EU – wer weiß, wie lange.

Drittens: Groß hatte Russland vergangene Woche verkündet, Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Bis heute allerdings gibt es keine Hinweise, dass es wirklich passiert. Im Gegenteil: Bis zu 150.000 Soldaten stehen dort laut westlichen Angaben bereit.

Viertens: Bewegung gibt es dafür bei den von Russland unterstützten Separatisten im Osten der Ukraine. Sie mobilisieren Reservisten, es gibt gegenseitigen Beschuss mit der Regierungsarmee. Zwei ukrainische Soldaten wurden nach Militärangaben getötet.

Nach ukrainischen Informationen befinden sich auch russische Geheimdiensteinheiten in den selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk. Zivilisten werden evakuiert und mit Bussen über die russische Grenze gebracht – angeblich, weil ein ukrainischer Angriff droht.

Es ist eine von vielen Propaganda-Erzählungen, die in den russischen Staatsmedien verbreitet werden: Die Ukraine plane, die Volksrepubliken anzugreifen. Die Ukraine verübe einen Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung. Die Ukraine greife Ziele auf russischem Staatsgebiet an. Für nichts davon gibt es Beweise. Russland könnte sie dennoch als Grund nehmen, einzumarschieren.

Ist Putin an einer diplomatischen Lösung interessiert?

Spätestens nach diesem Wochenende sind Zweifel angebracht, ob Putin überhaupt noch an einer diplomatischen Lösung interessiert ist, wie mein Kollege Patrick Diekmann schreibt. Hier finden Sie seine lesenswerte Analyse. Der Kreml-Chef behauptet das eine, macht aber das Gegenteil. Er schiebt Truppen an der Außengrenze der Ukraine hin und her, präsentiert sein Waffenarsenal.

Einen Funken Hoffnung gab es in der vergangenen Nacht dann aber doch noch: Putin telefonierte mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron und erklärte sich bereit, an einem Zweier-Gipfel mit US-Präsident Joe Biden teilzunehmen.

Auch das Weiße Haus teilte mit, Biden habe "im Prinzip" einem Treffen mit Putin zugestimmt. Bedingung sei allerdings, dass Russland vorher nicht in die Ukraine einmarschiere.

Ob Russland nun angreift und die Situation in der Ostukraine weiter eskalieren lässt, das weiß wohl nur Putin selbst. Die USA und Nato warnten am Wochenende aber erneut und berichteten, dass sie konkrete Angriffspläne sehen. Das Drohszenario ist schon jetzt immens und destabilisiert die Ukraine Stück für Stück.

Fluglinien stellen Verbindungen ein

Immer mehr Staaten fordern ihre Bürger zur Ausreise auf. Fluglinien stellen ihre Verbindungen in das Land ein. Die Preise für die Versicherungen von Handelsgütern schnellen in die Höhe. Das schadet der ukrainischen Wirtschaft. Die Privatuniversität Kiew School of Economics schätzt, dass die vergangenen Wochen die Ukraine mehrere Milliarden Euro gekostet haben.

"Man bekommt entweder eine Invasion oder die Wirtschaft leidet", sagte deren Präsident Tymofij Mylowanow der "New York Times". Zwar schickt der Westen Hilfszahlungen – eine nachhaltige Lösung ist das aber nicht. Man darf sich nicht vertun: Zwar hat Russland bislang nicht angegriffen. Gewalt aber übt Putin längst aus.

Und nun? In München bewiesen die westlichen Staaten Einigkeit. Sie betonten nochmals, dass nach einem Angriff harte Sanktionen drohen, man aber den diplomatischen Weg bevorzuge. Sollte Putin das beeindrucken, so zeigt er das zumindest kaum – und destabilisiert die Ukraine fleißig weiter.

Das darf nicht länger folgenlos bleiben. Die westlichen Staaten täten gut daran, Russland Grenzen aufzuzeigen. Heißt: Wenn der Kreml nicht schnellstens deeskaliert – und dazu zählen keine Absichtserklärungen –, sollte eine erste Sanktionsstufe gezündet werden.

Das forderten gestern Abend auch Lettland und Litauen: Dass die russischen Truppen in Belarus verbleiben, sei ein "Gamechanger", twitterte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis. Schnelle Sanktionen würden auch Putin beweisen, dass der Westen nicht nur geeint redet, sondern auch geschlossen handelt.

Diese Krise bringt eine weitere Erkenntnis: Das militärische Abschreckungspotenzial gewinnt wieder an Bedeutung. Kanzler Olaf Scholz wurde bei der Münchner Sicherheitskonferenz dazu auffallend klar: "Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen können, Soldatinnen und Soldaten, die optimal ausgerüstet sind für ihre gefährlichen Aufgaben – das muss ein Land unserer Größe, das ganz besondere Verantwortung trägt in Europa, sich leisten können."

Die EU und die Nato müssten sich nun auf ihre Rolle in einer Welt vorbereiten, in der nicht nur ein oder zwei Staaten die Geschicke lenken. "Wir brauchen Klarheit über das Ambitionsniveau der Europäischen Union in Fragen der eigenen Sicherheit und darüber hinaus", sagte er und fügte gleich hinzu, was er damit meint: gemeinsame strategische Ziele, militärische Zusammenarbeit bei Terrorismusbekämpfung, eine aktive europäische Diplomatie.

EU sollte konkret handeln

Die EU täte gut daran, ihre viel beschworene Einheit schnell in konkrete Schritte umzuwandeln. Denn seit Jahren versucht Putin, die EU mit gezielter Propaganda und der Unterstützung EU-kritischer Parteien zu untergraben.

Dass die EU sich in den vergangenen Jahren in Streitigkeiten etwa über Migration oder Finanzpolitik verlor, dürfte ihn gefreut haben. In dieser Krise aber tritt sie auf einmal geschlossen auf. Das dürfte Putin mehr ärgern als Sanktionen.

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Auch das Wetter bleibt stürmisch

Erst "Ylenia", dann "Zeynep" und nun "Antonia": Die Serie schwerer Stürme hat am Wochenende in Deutschland für mindestens sechs Todesopfer und immensen Schaden gesorgt, der Zugverkehr war in weiten Teilen Deutschlands gestört. Am Sonntagabend stellte die Bahn den Verkehr in Nordrhein-Westfalen erneut ein und warnte bundesweit vor Einschränkungen. Die neuesten Nachrichten dazu finden Sie hier. Mit einer Entspannung rechnet der Deutsche Wetterdienst erst am Montagabend. Bleiben Sie vorsichtig!


Die weiteren Termine

Die Außenminister der EU treffen sich mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba. Es geht natürlich um die Spannungen mit Russland.

Polen hat für heute eine Sondersitzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einberufen. Die OSZE versucht seit Langem, in dem Konflikt zu vermitteln. Russland hat dies bisher aber strikt abgelehnt und zuletzt an einigen Sitzungen gar nicht mehr teilgenommen.

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Was lesen?

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Das amüsiert mich

Es gibt sicher für alles eine logische Erklärung.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Start in die Woche. Morgen lesen Sie an dieser Stelle wieder von Florian Harms.

Ihre

Camilla Kohrs
Redakteurin Politik/Panorama
Twitter: @cckohrs

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Mit Material von dpa.

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