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Russland-Krise | Münchner Sicherheitskonferenz: Es herrscht Kriegsangst – Was macht Putin?


Putin sorgt für Kriegspanik

Von Patrick Diekmann

20.02.2022Lesedauer: 5 Min.
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Karte zeigt Veränderung der Nato: Die Ausweitung ist dem russischen Präsidenten ein Dorn im Auge. (Quelle: t-online)

Der Westen steht in der Russland-Krise geschlossen zusammen, doch in der Ukraine wird die Lage dramatischer. Nur Wladimir Putin entscheidet darüber, ob die Lage eskaliert. Kann ein Krieg noch verhindert werden?

Der Schatten von Wladimir Putin fiel an diesem Wochenende auf München. Die Russland-Krise war bei der diesjährigen Sicherheitskonferenz das bestimmende Thema. In Abwesenheit des Kremls suchte die internationale Gemeinschaft nach einem Weg, das Schlimmste zu verhindern: Einen Angriff der russischen Armee auf die Ukraine, einen neuen Krieg mitten in Europa.

Doch die Zeichen stehen nicht gut, denn die Welt ist momentan in zwei Teile geteilt. Der eine traf sich in München, um die diplomatischen Möglichkeiten in der Krise auszuloten. Der andere – Russland – nahm an diesen Gesprächen nicht teil, hielt stattdessen Übungen mit seinen Atomstreitkräften ab und lässt die Kämpfe in der Ostukraine zunehmend eskalieren.

Diplomatie kann allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn beide Seiten mitarbeiten. Doch momentan redet der Westen, während der russische Präsident Wladimir Putin schießen lässt. Es ist also am Ende ein beängstigendes Signal, das von der Münchner Sicherheitskonferenz ausgeht – vor allem für die ukrainische Bevölkerung.

Diplomatie ist noch nicht gescheitert

Eines ist aber klar: Solange russische Panzer die Grenze zur Ukraine nicht überfahren haben, kann eine Eskalation noch verhindert werden. US-Präsident Joe Biden und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gehen zwar davon aus, dass Putin sich schon für die Option der militärischen Gewalt entschieden hat, aber mit hundertprozentiger Gewissheit kann das eigentlich niemand sagen.

Die internationale Gemeinschaft sieht die russischen Truppen, Putins TV-Propaganda und den zunehmenden Artilleriebeschuss der prorussischen Separatisten auf ukrainische Ziele im Donbas. All das spricht für einen russischen Angriff. Doch auch wenn die Diplomatie in einer Sackgasse scheint, ist sie noch nicht gescheitert.

In München zeigt sich allerdings, dass die internationale Gemeinschaft und insbesondere der Westen nicht viele Handlungsoptionen haben: Sie können nur zusehen, abwarten und hoffen, dass sich Putin doch noch für Frieden und den Weg der Vernunft entscheidet.

Zugeständnisse des Westens

Auf der Seite des Westens liegt alles auf dem Tisch. Immer wieder betonten Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock oder auch der britische Premierminister Boris Johnson die scharfen Sanktionen, die Russland bei einem Angriff zu erwarten habe. Die Botschaft an Moskau lautet, dass Europa bereit sei, selbst einen hohen Preis zu zahlen.

Das muss Putin nach den vergangenen Wochen jedoch schon längst klar sein und kam für Moskau sicherlich nicht überraschend. Der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte kürzlich im Interview mit t-online, dass Russland Sanktionen als "Großmachtsteuer" sieht – und momentan sei es nicht unwahrscheinlich, dass Putin bereit sei, diese zu zahlen, um seinen Einfluss auf die Sicherheitsarchitektur in Osteuropa auszubauen.

Die Angebote, welche der Westen Russland machen kann, liegen längst auf dem Tisch: Die USA haben Moskau angeboten, über Truppenreduzierung in Osteuropa, über beidseitige Abrüstung und über Transparenz bei militärischen Manövern reden zu können. Kanzler Scholz betonte an diesem Wochenende erneut, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine nicht zur Debatte stünde.

Taten Russlands sprechen für Krieg

Diese Zugeständnisse haben einen hohen sicherheitspolitischen Wert und sind mehr, als Putin mit seiner Politik der militärischen Drohgebärden erwarten konnte. Dass die Nato dagegen nicht die baltischen Staaten aus dem Verteidigungsbündnis werfen wird, so wie Putin fordert, weiß auch der Kreml-Chef. Es ist eines der Grundprinzipien des Verteidigungsbündnisses: Jedem dieser Länder steht das Recht zu, eine eigene Armee zu haben und seine Partner zu wählen.

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Ist Putin also überhaupt noch an einer diplomatischen Lösung interessiert? Zweifel daran sind nach diesem Wochenende auf jeden Fall berechtigt. Ein Krieg wäre teuer für Russland und der Kreml beteuerte mehrfach, dass er keinen Krieg will.

Die Taten sprechen eine andere Sprache:

  • Ein Täuschungsmanöver: Russland hat nicht, wie zugesagt, Truppen von der ukrainischen Grenze abgezogen, auch nicht aus Belarus. Momentan bedrohen bis zu 150.000 Soldaten die Ukraine.
  • Russland schlägt das Gesprächsangebot auf der Sicherheitskonferenz aus, die prorussischen Separatisten möchten auch nicht mit der ukrainischen Regierung sprechen.
  • Keinerlei Deeskalation: Mitten in der Krise testet Russland Raketen, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können. Selbst über das Mittelmeer flogen die russischen Bomber bei dem Manöver.
  • Die prorussischen Separatisten evakuieren Zivilisten nach Russland und rufen die Generalmobilmachung aus.
  • Der Artilleriebeschuss auf ukrainische Stellungen nahm in den vergangenen Tagen extrem zu, zwei ukrainische Soldaten starben.
  • Die russische Kriegspropaganda verbreitet Geschichten über ukrainischen Angriffe und einen versuchten Genozid der russischstämmigen Bevölkerung in der Ukraine. Belege dafür gibt es allerdings nicht.
  • Die Ukraine spricht von zunehmenden Provokationen, um einen Kriegsvorwand zu schaffen.

Selenskyj berichtet von russischen Provokationen

Das alles spricht für eine russische Invasion. Russland aber wirft der Ukraine vor, dass sie ihre verlorenen Gebiete im Osten mit militärischer Gewalt zurückgewinnen wolle. Bei der Sicherheitskonferenz in München wird erneut deutlich, dass diese Darstellung keinen Sinn ergibt. Wäre die Ukraine wirklich so lebensmüde, die militärisch überlegene Atommacht anzugreifen? Die Antwort auf diese Frage lautet wahrscheinlich: nein.

Etwas überraschend war es, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trotz dieser Bedrohungslage nach München reiste. "Die Ukraine sehnt sich nach Frieden und Russland sagt, dass es keinen Krieg möchte. Irgendjemand lügt hier", sagte Selenskyj mit Blick auf russische Berichte über angebliche ukrainische Angriffe auf Russlands Staatsgebiet. "Wir kennen diese Strategie: Die Russen jagen selbst auf ihrer Seite etwas in die Luft." Der ukrainische Präsident forderte am Samstag sofortige Sanktionen gegen Russland, denn wenn der Krieg ausgebrochen ist, sei es laut Selenskyj zu spät.

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Die ukrainische Regierung hätte in den vergangenen Wochen die Kriegsgefahr verbal heruntergespielt, um Panik zu vermeiden und um Schaden für die eigene Wirtschaft und die Währung zu minimieren. Andernfalls hätte der russische Präsident Wladimir Putin sein Ziel erreicht: die Destabilisierung der Ukraine. "Das Risiko für einen Krieg ist sehr hoch, aber wir dürfen nicht panisch werden und müssen ruhig bleiben", sagte der Präsident. "Ich muss mir immer Gedanken darüber machen, was meine Worte auslösen können."

Ein Hoffnungsschimmer

Trotz der Kriegsgefahr, der Machtlosigkeit und der Verunsicherung der internationalen Gemeinschaft in der Russland-Krise gibt es jedoch auch einen Hoffnungsschimmer, der von der Sicherheitskonferenz in München ausgeht. Putin scheint international isoliert, politisch springt ihm nur Alexander Lukaschenko zur Seite – und der belarussische Diktator ist hochgradig abhängig vom Kreml.

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Die Europäische Union und die Nato agieren im Angesicht dieses Konfliktes geschlossen wie selten. Mit Russland verhandeln die USA und mit Abstrichen auch Frankreich und Deutschland – das haben auch die kleineren Staaten akzeptiert. Bislang gibt es eine einheitliche Linie in den Bündnissen, auch was Sanktionen angeht. Das ist ein wichtiges Zeichen an Putin, der stets vieles versucht, um Europa zu teilen. So schrieb sein Außenminister Sergej Lawrow in dem Konflikt 27 Briefe an EU-Mitgliedstaaten – er bekam eine gemeinsame Antwort von der EU.

Vielleicht ist es für Russland aber noch wichtiger, dass Moskau auch keine Rückendeckung aus China bekommt. Die zweitgrößte Supermacht nahm im Gegensatz zu Russland an der Sicherheitskonferenz teil. "Die Sicherheit eines Landes sollte niemals auf Kosten eines anderen Landes gehen", sagte der chinesische Außenminister Wang Yi. "Die Integrität eines jeden Landes sollte geschützt werden. Die Ukraine ist dabei keine Ausnahme."

Die fehlende Unterstützung aus Peking zeigt Putin, wie isoliert er international ist – ein Krieg würde das weiter verschärfen. Doch wenn der Westen etwas in den vergangenen Wochen gelernt hat, dann Folgendes: Wir können nicht in den Kopf Putins schauen, unsere rationalen Abwägungen haben in Russland keine Geltung. Deswegen bleibt nur das Prinzip Hoffnung, dass die Diplomatie noch eine Chance hat. Wie Helmut Schmidt einst sagte: "Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen". Die Frage bleibt offen, ob Wladimir Putin das genauso sieht.

Verwendete Quellen
  • Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz
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