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Donald Trump verkürzt Ultimatum an Putin: Kehrtwende in Russland-Politik?


Kehrtwende in der Russland-Politik?
Trumps Plan scheint nicht gut durchdacht zu sein

MeinungEin Gastbeitrag von Andreas Umland

29.07.2025 - 09:06 UhrLesedauer: 7 Min.
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Trump steht anlässlich eines Treffens mit dem britischen Premier Keir Starmer in seinem schottischen Golfressort in Aberdeenshire: Der US-Präsident hat sein Ultimatum an Putin verkürzt. (Quelle: Jane Barlow/ap)
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Donald Trump verschärft seine Rhetorik gegenüber Russland. Im Umgang mit Putin deutet sich bei ihm offenbar ein Kurswechsel an. Doch noch ist das mit Vorsicht zu genießen, kommentiert Analyst Andreas Umland.

Nachdem US-Präsident Donald Trump vor einigen Monaten noch damit gedroht hatte, die Militärhilfe für die Ukraine einzustellen, scheint er nun einen Sinneswandel vollzogen zu haben. Die neue US-Regierung war ursprünglich davon ausgegangen, dass ihre prorussischen Signale, Rhetorik sowie Diplomatie auf fruchtbaren Boden in Moskau stoßen und einen Weg zur Beendigung des russisch-ukrainischen Krieges eröffnen würden.

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Nun erkennen Trump und seine Berater offenbar zumindest teilweise, dass dieser Ansatz nicht nur eine Sackgasse ist, sondern das Gegenteil bewirkt hat. Die russischen Luftangriffe auf ukrainische Städte und Dörfer haben in den letzten Monaten eher zugenommen als nachgelassen.

Die meisten Amerikaner – darunter auch viele Mitglieder der Republikanischen Partei, konservative Wähler und sogar MAGA-Anhänger – befürworten nach wie vor eine Unterstützung der Ukraine. Trump scheint nun zu erkennen, dass die politischen Kosten seiner bislang pro-russischen Haltung steigen. Sein jüngster Kurswechsel ist daher eher ein Zugeständnis an die vorherrschende anti-putinistische und pro-ukrainische Stimmung im Land als das Ergebnis eines grundlegenden Erkenntniszuwachses hinsichtlich der russischen Außenpolitik.

(Quelle: imago stock&people/imago-images-bilder)

Zur Person

Andreas Umland (*1967) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und Publizist. Er arbeitet von Kiew aus als Analyst beim Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien des Schwedischen Instituts für Internationale Angelegenheiten. Umland gründete die Buchreihe "Soviet and Post-Soviet Politics and Society" ("Sowjetische und postsowjetische Politik und Gesellschaft").

Trumps mündliche Äußerungen sind mit Vorsicht zu genießen

Am 14. Juli drohte Trump Moskaus Handelspartnern öffentlich mit sekundären Sanktionen, sollte der Kreml nicht bald einem Waffenstillstand in der Ukraine zustimmen. Ist dies als eine Kehrtwende in Trumps Russland-Politik zu bewerten? Eher noch nicht. Oder sogar überhaupt nicht.

Bislang bleiben diese und ähnliche offizielle Äußerungen von Trump und seiner Regierung bloße Lippenbekenntnisse über ungewisse künftige Maßnahmen. Um es milde auszudrücken: Trumps mündliche Äußerungen sind mit Vorsicht zu genießen.

Die Reaktionen in der Ukraine auf die neue Rhetorik in Washington waren daher gemischt. Ukrainische Kommentatoren erkennen an, dass Trump nun einen anderen Ton anschlägt, nachdem er sich monatelang öffentlich um Wladimir Putin bemüht hat. Dennoch bleiben die meisten Ukrainer skeptisch, wie nachhaltig der offenbare Sinneswandel sein wird.

Trumps Ultimatum ist ein kompliziertes Spiel

Trump hat Putin Mitte Juli zum ersten Mal ein Ultimatum gestellt. Damit besteht möglicherweise die Chance auf einen Fortgang der Angelegenheit. Wenn der Kreml innerhalb von 50 Tagen keinem Friedensabkommen zustimmt, würden die USA Strafzölle von 100 Prozent auf die Handelspartner Russlands verhängen. Mit diesem Plan, der konkreter ist als frühere Ankündigungen, hat Washington ein kompliziertes Spiel begonnen.

Der Druck, den Trump auf Moskau aufbauen will, wird nicht direkt von den USA ausgehen. Stattdessen muss er von Drittländern wie China, Indien und Brasilien ausgeübt werden, die Öl und/oder andere Güter aus Russland kaufen.

Es ist unklar, ob und inwieweit diese und weitere Länder sich dem amerikanischen Druck beugen werden. Reicht ein US-Zoll von 100 Prozent aus, um beispielsweise Indien zu motivieren, den Handel mit Russland einzustellen? Sollte die Ankündigung von Trumps Plan nicht zu Einschnitten im nicht-westlichen Russlandhandel führen und Washington tatsächlich Zölle gegen Länder verhängen, die weiterhin Geschäfte mit Moskau machen, werden diese mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren.

Sind dann die einfachen Amerikaner bereit, für die Ukraine zu leiden?

Die USA hätten einen wirksameren Ansatz ergreifen können

Trumps Plan scheint nicht gut durchdacht zu sein und war möglicherweise nie zur Umsetzung gedacht. Ein wirksamerer Ansatz wäre gewesen, Russlands Handelspartnern mit sehr hohen Zöllen zu drohen, wie den vom US-Senat vorgeschlagenen 500 Prozent. Das hätte signalisiert, dass eine Abkopplung dieser Staaten von Russland unabdingbar ist. Wie sich Trumps derzeitiger inkonsistenter Ansatz zur Eindämmung der russischen Aggression letztlich auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Kurzfristig bewirken die neuen Sanktionspläne der USA das Gegenteil ihrer Absicht. Trumps Ankündigung hat zur Verschärfung der russischen Angriffe auf die Ukraine geführt. Der Kreml erhielt einen quasi-offiziellen Zeitplan, innerhalb dessen er die Bombardierungen ohne unmittelbare wirtschaftliche Konsequenzen fortsetzen kann. Die 50-Tage-Frist Washingtons ließ den Verdacht aufkommen, dass Putin bewusst eine weitere Gelegenheit gegeben wird, vor der Wiederaufnahme der Verhandlungen weitere Gebiete zu besetzen und militärische Erfolge zu erzielen.

Die Verkürzung von Trumps Ultimatum lässt Hoffnung aufkommen

Am Montag trat Trump – womöglich in Reaktion auf vielfache Kritik – von seiner dubiosen 50-Tage-Frist zurück und verkündete, dass er die Schonperiode für Putin verkürzen wolle. Dieses Signal ist als solches zu begrüßen und lässt Hoffnung aufkommen, dass das Weiße Haus es nun – aus welchen Gründen auch immer – womöglich ernst meint. Sollte Trumps Plan tatsächlich umgesetzt werden, könnte ein teilweiser Verlust nicht-westlicher Handelspartner Putins Kriegsmaschinerie schaden.

Wenn etliche Länder und insbesondere Indien unter dem Druck von US-Sanktionen Russland den Rücken kehren, wäre das ein Problem für den Kreml. Die größte – wenn auch nicht einzige – Schwäche der direkten internationalen Sanktionen gegen Russland bestand und besteht immer noch darin, dass Moskau bislang auf alternative Märkte, ausländische sowie nichtwestliche Käufer und Zwischenhändler beziehungsweise Transportwege ausweichen und so die Auswirkungen der Strafmaßnahmen des Westens kompensieren kann. Sollten Trumps Strafzölle wirklich in Kraft treten, würde diese Umstellung beziehungsweise Umgehung für Moskau schwieriger werden.

Waffen aus den USA sind realistischer als Sekundärsanktionen

Neben dem Zollultimatum kündigte Washington Mitte Juli auch "massive" Lieferungen von US-Waffen an die Ukraine an. Dies betrifft vor allem (aber nicht nur) mobile Boden-Luft-Raketensysteme des Typs Patriot. Mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, sollen diese von den USA kaufen und dann an die Ukraine weitergeben. Auch dies ist ein kompliziertes Vorhaben, aber doch realistischer als Washingtons Pläne für sekundäre Sanktionen. Die dritten Parteien sind hier die westlichen Partner der USA und nicht weniger kooperative oder sogar feindlich gesinnte nicht-westliche Regierungen.

Die Patriot-Systeme haben sich als eine der wirksamsten Abfangwaffen gegen die verschiedenen Raketen und Marschflugkörper Russlands erwiesen. Daher besteht in Kyjiw eine hohe Nachfrage nach ihnen und die Hoffnung, dass die ukrainische Luftabwehr bald über mehr Patriot-Systeme verfügen wird. Wie viele davon und welche anderen US-Waffen tatsächlich in die Ukraine geliefert werden, scheint weitgehend von ihren hauptsächlich westeuropäischen Käufern abzuhängen.

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Video | So funktioniert das Patriot-Luftabwehrsystem
Video lädt
Videografik: So funktioniert das Patriot-Luftabwehrsystem.
Quelle: Glomex

Welche Waffen in welcher Menge überhaupt in der Ukraine eintreffen werden, lässt sich daher bislang nur schwer vorhersagen. Die Bundesregierung hat zudem beschlossen, keine detaillierten Vorabinformationen zu deutschen Waffenlieferungen mehr zu geben.

Trump verfolgt innenpolitische Ziele

Der unorthodoxe Charakter der neuen US-Pläne hat viel damit zu tun, dass sie in erster Linie innen- und wahlpolitischen Prioritäten Trumps geschuldet sind. Insbesondere seine Zustimmung zu bezahlten Waffenlieferungen an die Ukraine ist in erster Linie eine "America First"-Politik und keine neue geopolitische Strategie. Schlimmer noch: Trumps Transaktionalismus in Sicherheitsfragen untergräbt die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Vereinigten Staaten als internationalen Partner.

Die Vorgeschichte der ins Stocken geratenen amerikanischen Militärhilfe für die Ukraine ist aufschlussreich. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre waren die USA stark an der strategischen Abrüstung der Ukraine beteiligt. Aus rein nationalen Sicherheitsinteressen drängte Washington Kiew nicht nur zur Abgabe seiner Atomwaffensprengköpfe, die der neu unabhängige ukrainische Staat von der UdSSR geerbt hatte.

Die damals von den USA betriebene Vereinbarung, die vor allem mit dem mittlerweile berüchtigten Budapester Memorandum über Sicherheitszusagen von 1994 in Verbindung gebracht wird, betraf auch bestimmte Trägersysteme dieser Sprengköpfe. Die Ukraine gab ihre aus der Sowjetzeit übernommenen Bomber, Marschflugkörper und verschiedene Raketen ab, also konventionelle Waffen, für die die Ukraine heute gute Verwendung hätte.

Die USA versuchen, aus der Lage der Ukraine Profit zu schlagen

Diese und andere internationale Vereinbarungen früherer US-Regierungen sind für Trump und Co. nun Schnee von gestern. Heute versucht Washington stattdessen, aus der traurigen Lage der Ukraine und den wachsenden Ängsten Europas Profit zu schlagen. Dass Trump nun darauf besteht, dass US-Militärhilfe für den ukrainischen Überlebenskampf bezahlt werden muss, ist mehr als ein Verrat der USA an den Ukrainern, die 1994 die Sicherheitszusagen der USA im Austausch für ihre Abrüstung ernst genommen haben.

Die neue Strategie der Trump-Regierung widerspricht auch der Logik des weltweiten Systems zur Nichtverbreitung von Kernwaffen. Insbesondere widerspricht sie der besonderen Verantwortung, die die fünf offiziellen Atomwaffenstaaten – die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich – für die Wahrung der internationalen Ordnung haben. Trumps transaktionaler Ansatz hinsichtlich grundlegender Regeln der zwischenstaatlichen Beziehungen, wie der Unverletzlichkeit von Grenzen und der Unzulässigkeit von Völkermord, schwächt ein internationales System, das die USA einst selbst geschaffen haben und von dem sie seit 80 Jahren profitieren.

Auf den ersten Blick mag es clever erscheinen, andere für die tägliche Schwächung eines Erzfeindes der USA durch die Ukraine bezahlen zu lassen. Im Verhältnis zum gesamten Verteidigungsbudget der USA waren die Ausgaben für die militärische Unterstützung der Ukraine, die für Kiew bisher kostenlos war, jedoch gering.

Auch der Ton macht die Musik

Im Gegensatz dazu waren und sind die zerstörerischen Auswirkungen der US-Waffen in ukrainischer Hand auf die Streitkräfte und Kriegswirtschaft Russlands hoch. Sie haben die Fähigkeit Moskaus, einen Nato-Mitgliedstaat anzugreifen, den die USA gemäß Artikel 5 des Washingtoner Vertrags von 1949 unterstützen müssten, kontinuierlich eingeschränkt. Washington tritt nun freiwillig von diesem strategischen Schnäppchen und seinen vorteilhaften Auswirkungen auf die Sicherheit der USA zurück.

Trumps rhetorische Kehrtwende gegenüber Putin seit Mitte Juli ist trotz allem als solche zu begrüßen. Denn auch der Ton macht die Musik. Es bleibt unklar, ob Washington tatsächlich bereit ist beziehungsweise auch wirklich die Absicht hat, seinen neuen Worten materiell relevante und nicht nur symbolische Taten folgen zu lassen.

Bislang hat die Trump-Administration ihre kurzsichtige Interpretation der nationalen Interessen der USA und Bereitschaft, diese mittels populistischer, wenn nicht demagogischer Parolen zu definieren, nicht abgelegt. Die neue US-Regierung ignoriert weiterhin die umfassenderen Auswirkungen der amerikanischen Haltung zum russisch-ukrainischen Krieg auf die künftige Weltordnung, um deren Stabilität und Legitimität sich die Amerikaner ebenso sorgen sollten wie andere Nationen.

Hinweis: Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinungen der jeweiligen Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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