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Putins Aggression: "Dann endet der Krieg vielleicht noch in diesem Jahr"


Putins Aggression
"Dann endet der Krieg vielleicht noch in diesem Jahr"

  • Gerhad Spörl
InterviewVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 26.03.2023Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Besuch in Wolgograd.Vergrößern des Bildes
Wird derzeit per Haftbefehl international gesucht: Kremlchef Wladimir Putin. (Quelle: Getty)

Der Besuch von Xi Jinping bei Wladimir Putin hat hohe Wellen geschlagen. Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger spricht darüber, wie eng das Bündnis zwischen Moskau und Peking wirklich ist.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat Anfang der Woche drei Tage lang Kremlchef Wladimir Putin besucht. China hat den russischen Angriffskrieg bisher nicht verurteilt, beide Staaten praktizieren einen antiwestlichen Kurs.

Doch was verspricht sich China von einem Bündnis mit Russland? Wird Peking Waffen an Moskau liefern? Der frühere deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger erklärt die geopolitische Strategie Chinas und verrät, was der Westen seiner Ansicht nach tun muss, um den Ukraine-Krieg zu beenden.

t-online: Herr Ischinger, lassen Sie uns über Xi Jinping reden, der sein Land gleich zweimal in kurzer Zeit als Vermittler platziert hat. Hat sich damit die Weltordnung schneller als erwartet verschoben?

Wolfgang Ischinger: Ja, da ist ein rumpelndes Stühlerücken in der machtpolitischen Tischordnung im Gange. Aktuell entsteht dadurch allerdings mehr Unordnung als Ordnung, mehr Instabilität und Rivalität. Aber klar ist eines: China rückt an diesem Tisch auf.

Die chinesische Geostrategie ist offensichtlich darauf ausgelegt, Amerika zu schwächen. Hat damit der offene Wettlauf zwischen der alten und der neuen Weltmacht begonnen?

Der Wettlauf im Sinne von machtpolitischer Rivalität ist schon seit einiger Zeit im Gang. Leider findet er als Nullsummenspiel statt: Entweder wir – das heißt die USA – gewinnen oder China gewinnt. Besser wäre es, über eine Formel für die Koexistenz zwischen China und Amerika nachzudenken, so wie es der bald 100-jährige Henry Kissinger seit Langem und immer wieder predigt.

Drei Tage lang war Xi Jinping auf Staatsbesuch in Moskau und nahm sich viel Zeit für Gespräche mit Wladimir Putin. Haben China und Russland eine militärische Allianz geschlossen?

So weit ist es zum Glück nicht gekommen. Aber die Bilder aus Moskau haben es Putin ermöglicht, dass er trotz Kriegsverbrechertribunals keineswegs so isoliert ist, wie wir ihn
uns wünschen.

Das Interesse von Xi dürfte darin liegen, dass Russland am Ende den Krieg gegen die Ukraine irgendwie gewinnt oder jedenfalls nicht verliert. Schließt dieses Ziel Waffenlieferungen ein?

Hoffen wir, dass China dem russischen Drängen nach Waffen nicht nachgibt. Das Vertrauen in Putin ist übrigens nicht grenzenlos. Es wird wohl so sein, dass China kein Interesse an einer vollen militärischen Niederlage Russlands hat. Aber ein abhängiges, schwaches Russland passt sehr wohl in Xis Kalkül.

Präsident Joe Biden warnt China vor Konsequenzen, die vermutlich in einem Wirtschaftskrieg bestünden. Wie weit geht Xi nach Ihrer Einschätzung?

China kann sich keine neuen ökonomischen Belastungen aufhalsen, zumal nach den schweren Pandemie-Jahren, die das Riesenreich tief getroffen haben. Amerikanische Sanktionen wird Xi deshalb unter allen Umständen vermeiden wollen.

Rote Linien sind im letzten Jahr ständig missachtet worden. Der Westen schickte Waffen und Fahrzeuge, die er kurz vorher noch nicht liefern wollte. Wieso sollte sich China anders verhalten?

Es macht schon einen Unterschied, ob man die angegriffene Ukraine oder den Aggressor Russland militärisch unterstützt. Vergessen wir nicht, dass sich mehr als 140 Staaten in den Vereinten Nationen gegen Russland gestellt haben. China kann deshalb kaum gleichzeitig und glaubwürdig Champion des Globalen Südens und Waffenlieferant an Russland sein.

Wolfgang Ischinger (Archivbild): Der Ex-Diplomat warnt zusammen mit internationalen Politikern vor nuklearen Katastrophen.
Wolfgang Ischinger (Archivbild). (Quelle: Metodi Popow/imago-images-bilder)

Wolfgang Ischinger

war bis 2022 Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor war er Diplomat und nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Botschafter in den USA. Ischinger gehört zu den herausragenden deutschen Experten für internationale Politik.

China legte vor Kurzem einen 12-Punkte-Plan zur Lösung der "Ukraine-Krise" vor, wie dort der russische Überfall beschönigend genannt wird. War das mehr als ein billiger Gefallen für Wladimir Putin?

Ja, das war es, denn es wäre keine gute Entscheidung, die 12 Punkte einfach wegzuwischen. China spricht sich darin erneut unzweideutig gegen den Einsatz nuklearer Waffen aus, das ist hilfreich. Und in diesem Papier finden sich auch potenziell interessante Ansatzpunkte für den Tag, an dem die Waffen schweigen.

Spektakulärer als der Friedensplan für die Ukraine ist die chinesisch vermittelte Annäherung zwischen den gerade eben noch Todfeinden Iran und Saudi-Arabien. Wie ordnen Sie diesen Vorgang ein?

China führt uns vor, wie weit sein Arm jetzt schon reicht. Die Vermittlung zwischen den beiden Rivalen im Nahen Osten sah niemand kommen, was natürlich auch eine Schmach für die Geheimdienste bedeutet. Diese Sensation gehört zum Aufrücken Chinas am Tisch.

Was muss passiert sein, wenn religiöse und politische Feinde versucht sind, die Feindschaft beiseitezulegen?

Im Nahen Osten ist schon immer alles im Fluss. Vor 20 Jahren gab es zum Beispiel geheime Beziehungen zwischen Israel und Iran. Heute sind diese beiden Länder wieder Todfeinde. Aber auch das kann sich wieder ändern, weil eben morgen vieles möglich erscheint, was heute noch ausgeschlossen zu sein schien.

Könnte es sich um einen Nukleardeal handeln, den Iran sich vom Westen nicht abhandeln lassen wollte?

Das halte ich für zu viel der Spekulation.

Saudi-Arabien hat öfter schon damit gedroht, seinerseits Atomwaffen zu bauen. Glauben Sie, dass Mohammed Bin Salman jetzt davon absieht?

Saudi-Arabien wird nur dann vom Bau nuklearer Waffen absehen, wenn denn vorneweg Iran darauf verzichtet. Daher hängt viel davon ab, was Iran sich als Nächstes einfallen lässt.

Israel hat erst vor wenigen Jahren Beziehungen zu Bahrain und den Golf-Emiraten aufgenommen und auch Saudi-Arabien schien einer Annäherung nicht abgeneigt zu sein. Richtet sich der Schwenk in erster Linie gegen Israel?

Für Israel kann diese unheilige Allianz nur eine schlechte Nachricht sein, so viel ist klar. Aber warten wir zuerst einmal ab, ob dieses erstaunliche Bündnis sich auch wirklich als stabil erweist.

Die Regierung Netanjahu mit ihren radikalen Koalitionspartnern richtet sich stark nach innen und löst mit ihren Vorhaben Protestwellen aus. Liegt auch darin ein Grund für die Verschiebungen im Nahen Osten?

Ja, das ist wohl so, das muss man so sehen. Alle Freunde Israels verfolgen mit großer Sorge, dass Israel seine Kräfte momentan innenpolitisch aufzehrt und die Regierung Netanjahu an der demokratischen Gewaltenteilung rüttelt.

Zugleich reiste der syrische Präsident nach Abu Dhabi und wurde dort als Bruder empfangen. Gerät Israel jetzt in die Isolation?

Der Vorgang ist eher ein Beweis für den schwindenden Einfluss und das Scheitern der USA und auch der Europäischen Union in der Region.

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Die alte Ordnungsmacht USA schaut den Veränderungen im Nahen Osten eher passiv zu. Zufällig jährt sich der Irakkrieg, mit falschen Behauptungen begründet, zum zwanzigsten Mal. Iran, die Türkei, Russland und Saudi-Arabien füllten die Lücke und ordnen unter chinesischer Beteiligung die Dinge neu. Was davon haben Sie kommen sehen und was überrascht Sie am meisten?

Noch sind die USA im Nahen Osten sehr präsent. Von der EU kann man das leider nicht behaupten. Wir Europäer schauen vom Spielfeldrand zu, was in den Nachbarregionen passiert. Die Europäische Union hatte doch gerade noch den Ehrgeiz, ein geostrategischer Akteur zu werden. Davon ist leider aber nur wenig zu sehen. Wirklich überrascht hat mich das chinesische Auftreten als Vermittler im Nahen Osten. Da erscheint ein selbstbewusster neuer Akteur im Nahen Osten.

Nato und Europa sind auf den Krieg in der Ukraine konzentriert. Dieses Jahr gilt als entscheidend, da 2024 ein neuer Präsident in den USA gewählt wird. Wie optimistisch sind Sie, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert?

Die Ukraine kann und wird nicht verlieren, wenn der Westen seine eigentliche Stärke ausnützt und den Scheinriesen Russland einfach "totrüstet". Wir sollten nicht vergessen, dass die russische Wirtschaftskraft kleiner ist als die italienische. Russland hat keine Chance, wenn der Westen klare Kante zeigt und die Ukraine noch mehr und noch schneller unterstützt und versorgt. Dann endet der Krieg vielleicht doch noch in diesem Jahr.

Herr Ischinger, danke für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Wolfgang Ischinger
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