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Gesprengter Kachowka-Staudamm in der Ukraine: "Eindeutig ein Kriegsverbrechen"


Reaktionen auf Dammbruch
"Der russische Terrorismus hat gerade ein neues Ausmaß erreicht"

Von t-online, lw, mam

Aktualisiert am 07.06.2023Lesedauer: 3 Min.
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Animationen zeigen, wohin sich die Wassermassen in den kommenden Stunden ausbreiten könnten. (Quelle: t-online)
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Der mutmaßliche Angriff auf den Staudamm in Cherson ruft international Kritik hervor. Die gilt besonders dem russischen Aggressor.

Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine zieht schwere Folgen nach sich: Wassermassen fluten die Oblast Cherson und bedrohen Tausende Menschen und Tiere. Die Ukraine und Russland weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Experten wie Carlo Masala gehen jedoch davon aus, dass der Kriegstreiber für die Explosion verantwortlich ist.

Die Armee von Kremlchef Wladimir Putin hat in den vergangenen Monaten immer wieder verheerende Angriffe verübt – und Kriegsverbrechen begangen. Deshalb lösen die jüngsten Entwicklungen in der Südukraine international Besorgnis und Wut aus.

"Dies ist eine ungeheuerliche Tat"

So verurteilte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Zerstörung des wichtigen Staudamms. Der Vorfall gefährde Tausende Zivilisten und verursache schwere Umweltschäden, schrieb Stoltenberg am Dienstag auf Twitter. "Dies ist eine ungeheuerliche Tat, die einmal mehr die Brutalität von Russlands Krieg gegen die Ukraine demonstriert."

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich angesichts der schweren Explosion bestürzt. "Schockiert über den beispiellosen Angriff auf den Nowa-Kachowka-Staudamm", schrieb er am Dienstag auf Twitter. "Die Zerstörung ziviler Infrastruktur gilt eindeutig als Kriegsverbrechen – und wir werden Russland und seine Stellvertreter zur Rechenschaft ziehen." Er werde das Thema beim EU-Gipfel Ende Juni ansprechen und mehr Hilfe für die überfluteten Gebiete vorschlagen, kündigte er an. "Meine Gedanken sind bei allen von der Katastrophe betroffenen Familien in der Ukraine."

Auch der britische Außenminister James Cleverly sprach von einem Kriegsverbrechen. "Ein absichtlicher Angriff auf ausschließlich zivile Infrastruktur ist ein Kriegsverbrechen", schrieb Cleverly am Dienstag in den Onlinenetzwerken. Er sprach von einer "abscheulichen Tat" und sicherte Kiew sowie den Betroffenen Unterstützung zu.

Scholz: "Neue Dimension" des Ukraine-Kriegs

Der lettische Präsident Egils Levits zeigte sich ebenfalls solidarisch mit der Ukraine. "Der russische Terrorismus hat gerade ein neues Ausmaß erreicht", schrieb er auf Twitter. "Die Sprengung von Staudämmen führt zu Massenvernichtung und Todesfällen." Ein Ad-hoc-Sondertribunal werde Russland zur Rechenschaft ziehen. Die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen, so Levits.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht in der teilweisen Zerstörung des Kachowka-Staudamms eine "neue Dimension" des Ukraine-Kriegs. Die Beschädigung des Damms sei etwas, "das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt", sagte Scholz am Dienstag beim "Europaforum" des WDR in Berlin. Es sei eine Entwicklung, "die wir mit Sorgfalt und mit Sorge betrachten".

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Baerbock: "Es gibt nur einen Verantwortlichen"

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Russland für die Überflutungen nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms verantwortlich gemacht. "Für diese menschengemachte Umweltkatastrophe gibt es nur einen Verantwortlichen: den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine", sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei ihrer Lateinamerika-Reise im brasilianischen São Paulo. "Mit dem Kachowka-Damm wird ein ziviler Staudamm in Nähe eines Kernkraftwerks als Kriegswaffe missbraucht und das Leben der Menschen in der Umgebung in höchste Gefahr gebracht."

Baerbock versicherte, dass die Bundesregierung "mit Hochdruck" an einem genauen Lagebild arbeite. Dies geschehe in enger Abstimmung mit der Ukraine, den anderen Staaten der Siebener-Gruppe der großen westlichen Industrienationen (G7) und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).

"Vergleichbar mit dem Einsatz einer Atombombe"

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, stufte den Vorfall als ein "weiteres Kriegsverbrechen" ein. "Russland will Infrastruktur, Kultur und Natur zerstören", twitterte die Grünen-Politikerin. "Putin und seine Schergen müssen für die Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden." Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul sagte der "Stuttgarter Zeitung": "Die jetzt absehbaren katastrophalen Auswirkungen auf Mensch und Natur im Unterlauf des Dnjepr sind vergleichbar mit dem Einsatz einer Atombombe."

Auch Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, warf Russland eine weitere Eskalation des Kriegs vor. Mit Blick auf Behauptungen von russischer Seite, die Ukraine habe den Damm selbst zerstört, sagte der SPD-Politiker, er sehe keinen Grund, weshalb die Ukraine ihre eigene Infrastruktur zerstören sollte.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, warf Russland mit der Sprengung des Staudamms ebenfalls "ein weiteres unvorstellbar grauenhaftes Kriegsverbrechen" vor. "Es zeigt einmal mehr, zu welch brutalem Vorgehen Putin bereit ist", kommentierte die FDP-Politikerin, die am Dienstag in New York weilte. Zu Forderungen nach Friedensverhandlungen sagte sie, die Sprengung des Damms beweise auch: "Dieses Regime will niemals verhandeln. Mit Putins Russland wird es keinen Frieden geben."

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Im von Russland besetzten Teil der südukrainischen Region Cherson ist der wichtige Kachowka-Staudamm zerstört worden. Die Lage ist kritisch, Tausende Menschen sind bedroht.
Kiew und Moskau machten sich am Dienstagmorgen gegenseitig für den Vorfall mit potenziell verheerenden Folgen verantwortlich.
Diese Animation zeigt, wohin sich die Wassermassen in den kommenden Stunden ausbreiten könnten. Bis zu 80 Ortschaften sollen einer akuten Überschwemmungsgefahr ausgesetzt sein. Nach Angaben der örtlichen Behörden dürften etwa 22.000 Menschen betroffen sein, rund 16.000 seien in der “kritischen Zone” zu Hause. Die Evakuierungen laufen.
Der Wasserstand am Staudamm ist örtlichen Behörden zufolge bereits um mehr als zehn Meter angestiegen. Das sollen auch diese Aufnahmen belegen.
Experten zufolge dürften in 15 bis 20 Stunden der Hafen und die Docks von Cherson von einer vier bis fünf Meter hohen Flutwelle getroffen werden.
Auf Twitter verbreiteten sich am frühen Dienstagmorgen Videos des gesprengten Staudamms und der überfluteten Gebiete entlang des Dnipro.

Als Kriegsverbrechen gelten schwere Verstöße gegen Regelungen des humanitären Völkerrechts. Beispiele dafür sind unter anderem die Tötung, Geiselnahme, Folter und Vergewaltigung von Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen sowie Angriffe auf die Zivilbevölkerung und Infrastruktur. Die russischen Streitkräfte haben seit Beginn des Krieges bereits zahlreiche Kriegsverbrechen begangen. So richteten sie etwa in der ukrainischen Stadt Butscha im vergangenen Jahr Dutzende Bürgerinnen und Bürger hin.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
  • twitter.com: Beiträge von @GoeringEckardt, @valstsgriba
  • bmj.de: "Definition: Was sind Kriegsverbrechen?"
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