Höhere Beiträge, weniger Kassen Chef der BKK Firmus spricht Klartext

Die Beiträge steigen, viele Versicherte fühlen sich überfordert – und eine Krankenkasse gerät besonders ins Visier. Doch ihr Chef hält dagegen und fordert Veränderungen.
Die gesetzliche Krankenversicherung steht unter Druck. Steigende Gesundheitskosten und milliardenschwere Finanzlöcher zwingen viele Kassen dazu, ihre Zusatzbeiträge zu erhöhen – mitten im Jahr. Für Versicherte bedeutet das: mehr Belastung.
Eine repräsentative Umfrage von "Finanztip" zeigt: Schon jetzt fühlt sich mehr als jeder Dritte gesetzlich Versicherte (35 Prozent) durch die höheren Beiträge finanziell überfordert. Der Ruf nach einer umfassenden Reform wird lauter. Zugleich geraten einige Anbieter unter Verdacht, sich durch aggressive Werbung oder unklare Aussagen Vorteile zu verschaffen. Besonders die BKK Firmus steht derzeit im Fokus – zu Recht?
BKK Firmus durch doppelte Erhöhung in der Kritik
Zum Jahreswechsel haben zahlreiche Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge erhöht, darunter auch die BKK Firmus. Mit einem Sprung von 0,9 auf 1,84 Prozent fiel der Anstieg zwar deutlich aus, lag aber weiterhin unter dem Branchendurchschnitt. Dadurch wurde sie zur preisgünstigsten bundesweit geöffneten Kasse und zum Magneten für wechselbereite Versicherte.
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Im April folgte jedoch der nächste Schritt: Die BKK Firmus hob den Beitrag zum 1. Mai 2025 auf 2,18 Prozent an. Zwar bleibt sie damit weiterhin die günstigste Kasse unter den gesetzlichen, doch der Vorsprung auf die Konkurrenz ist fast verschwunden. Die HKK liegt mit 2,19 Prozent Zusatzbeitrag knapp dahinter, auch die Audi BKK (2,40 Prozent) oder die Techniker Krankenkasse (2,45 Prozent) bleiben unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag.
Das rief Mitbewerber auf den Plan. Besonders die AOK Bremen/Bremerhaven kritisierte, die BKK Firmus habe "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" Versicherte abgeworben. Der Vorwurf: Die erste Erhöhung sei bewusst niedrig angesetzt worden, um neue Mitglieder zu gewinnen – und dann rasch nachzuziehen.
Verspätete Krankenhausrechnungen belasten
BKK-Firmus-Chef Dirk Harrer weist die Vorwürfe entschieden zurück. Er verweist auf massive Nachforderungen aus dem Vorjahr: "Erst im Januar und Februar 2025 seien erhöhte Krankenhausrechnungen für das Jahr 2024 eingegangen", erklärt er im Interview mit "Finanztip". Auch die BKK Firmus sei von der außerplanmäßigen Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von mehr als 600 Millionen Euro betroffen gewesen.
Trotz dieser schwierigen Lage sei es gelungen, weiterhin den branchenweit günstigsten Zusatzbeitrag anzubieten. Die Kasse habe sich auf das Wachstum vorbereitet und Prozesse optimiert. "Natürlich belastet ein so starker Anstieg auch die Organisation, aber wir haben in den letzten sechs Wochen über 250 neue Arbeitsverträge abgeschlossen und bauen den Service weiter aus", betont Harrer.
Vielfalt statt Einheitsversicherung
Harrer weist auch auf strukturelle Probleme im System hin. In Deutschland gibt es über 90 gesetzliche Krankenkassen – jede mit eigener Verwaltung, eigenem Apparat und eigenen Kosten. "Ich glaube, dass eine weitere kleine Verdichtung okay wäre, aber eine komplette Einheitsversicherung ist schädlich. Wir brauchen einen Wettbewerb", so Harrer.
Der Versicherungschef ist überzeugt: Würden mehr Menschen ihre Krankenkasse wechseln, käme es automatisch zu mehr Fusionen und Synergieeffekten. Doch die Realität sieht anders aus: "So viele Menschen wechseln die Krankenkassen ja doch nicht", sagt Harrer. Die Treuequote liegt bei rund 90 Prozent – trotz steigender Beiträge und wachsender Unzufriedenheit.
Steigende Krankenkassenbeiträge voraus
Die Kritik an der BKK Firmus verdeutlicht, wie angespannt die Lage im Gesundheitswesen ist – viele Krankenkassen verfügen kaum noch über Rücklagen. Schon jetzt haben etliche Kassen ihre Zusatzbeiträge erhöht, weitere Erhöhungen gelten im Laufe des Jahres als wahrscheinlich. Für Versicherte bedeutet das: Die Belastung dürfte weiter steigen, eine nachhaltige Entlastung ist nicht in Sicht.
- Pressemitteilung von Finanztip: "Wettbewerb statt Einheitskasse" – BKK-Firmus-Chef kontert Kritik und fordert mehr Wechselbereitschaft"
- Mit Material der Nachrichtenagentur afp