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Bargeld: Bundesbank-Vorstand erklärt, warum es nicht verschwinden wird


Bundesbank-Vorstand
"Hier zeigt sich der wahre Wert des Bargelds"


06.07.2025 - 11:42 UhrLesedauer: 7 Min.
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Burkhard Balz: "Grundsätzlich sind wir als Bundesbank für Wahlfreiheit beim Bezahlen." (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON/imago)
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"Bargeld ist gelebte Freiheit", sagt Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz. Welche Rolle Bargeld in Krisen spielt und wie er Deutschlands Goldreserven schützt, erklärt er im Interview.

Mit Münzen zahlen, Kleingeld zählen, den Geldautomaten suchen – das ist manchmal nervig. Für viele bedeutet Bargeld aber auch ein Stück Freiheit: anonym, unabhängig, zuverlässig, gerade in Krisenzeiten. Doch wie lange wird es das noch geben, wenn Bezahlen per Handy, Karte oder App immer bequemer wird?

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Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz über Bargeld als Freiheitsversprechen, den digitalen Euro – und warum Deutschlands Goldreserven auch in den USA trotz Donald Trump sicher sind.

t-online: Herr Balz, wie viel Bargeld haben Sie gerade im Portemonnaie?

Burkhard Balz: Etwa 150 Euro. Ich bin nach wie vor mit Bargeld unterwegs, zahle aber meistens mit dem Handy.

Damit reihen Sie sich im deutschen Durchschnitt ein. Viele Deutsche gelten als bargeldaffin. Woran liegt das?

Bargeld ist gelebte Freiheit. Man kann im gesamten Euroraum damit bezahlen und ist auch in unvorhergesehenen Situationen liquide. Manchmal nutzt man Bargeld auch für Zahlungen, die nicht auf der Kreditkartenabrechnung auftauchen sollen – etwa bei Geschenken.

Ein valides Argument. Aber das bringt uns auch zum kritischen Punkt: Mit Bargeld lassen sich Geschäfte verschleiern.

Das stimmt. Gerade beim Thema Geldwäsche wurde in Europa viel unternommen. In Frankfurt hat die europäische Geldwäschebehörde AMLA gerade ihre Arbeit aufgenommen. Und dennoch begleiten uns solche Diskussionen ständig. Beschränkungen bei Bargeldzahlungen sind sinnvoll – ab 10.000 Euro muss man offenlegen, wer zahlt und woher das Geld stammt. Und ab 2027 gilt eine 10.000-Euro-Obergrenze für Bargeldgeschäfte in der gesamten EU. Ein guter Kompromiss zwischen Freiheit und Kontrolle. Ich bin und bleibe ein Freund des Bargelds – das überrascht sicher nicht, da ich im Vorstand der Bundesbank auch für das Bargeld zuständig bin.

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Burkhard Balz (Quelle: Reiner Zensen/imago)

Zur Person

Burkhard Balz (geboren 1969) ist seit September 2018 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Dort verantwortet er unter anderem Zahlungsverkehr, Bargeld und die Goldreserven. Zuvor war Balz langjähriges Mitglied des Europäischen Parlaments für die EVP und arbeitete schwerpunktmäßig im Wirtschafts- und Währungsausschuss. Balz absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann, studierte anschließend Rechts- und Staatswissenschaften und begann seine Karriere bei der Commerzbank.

Lassen Sie uns auf die Bargeldversorgung schauen: In einer Studie hat die Bundesbank drei Szenarien entworfen – eine hyperdigitale Welt ohne Bargeld, eine digitale Welt mit Bargeldrenaissance und ein Szenario mit schwindender Bargeldverfügbarkeit. Wo steht Deutschland heute?

Wir haben eine funktionierende Bargeldwelt. Im Jahr 2023 wurden hierzulande etwas mehr als 50 Prozent aller Transaktionen an der Ladenkasse bar bezahlt. Allerdings sehen wir über die Jahre eine abnehmende Bargeldnutzung. Trotzdem glauben wir, dass Bargeld in zehn, 15 Jahren noch eine zentrale Rolle spielen wird. Bargeld wird nicht verschwinden.

Allerdings wird es schon jetzt deutlich schwieriger, an Bargeld zu kommen. Zuletzt hat Shell die Kooperation mit der Cash Group beendet. Ist die Bargeldversorgung noch flächendeckend gesichert?

Insgesamt stehen wir im europäischen Vergleich gut da – mit mehr als 50.000 Geldausgabeautomaten in Deutschland. Zuletzt ging die Anzahl der Geldautomaten und Bankstellen bei uns im Land jedoch deutlich zurück. In einigen Regionen könnte es zukünftig schwieriger werden, an Bargeld zu kommen. Deshalb braucht es mehr Kooperation, etwa beim Betrieb von Geldautomaten. Die Niederlande machen es vor: Dort betreiben die Banken ihre Geldautomaten gemeinsam über eine zentrale Gesellschaft. Das könnte auch ein Modell für Deutschland sein. Politik und Kreditwirtschaft sind hier gemeinsam gefragt. Wir als Bundesbank können nur Anstöße geben – am Ende müssen sich die anderen Bargeldakteure und die Politik dafür einsetzen.

Warum ist Bargeld ein deutsches Phänomen?

Das ist nicht nur in Deutschland so – in Österreich, Italien oder anderen Ländern ist Bargeld ähnlich beliebt wie bei uns. Bargeld bedeutet Freiheit, Sicherheit und Verlässlichkeit – besonders in Krisenzeiten wie etwa zu Beginn der Pandemie.

Aber ist die Sicherheit des Bargelds in Krisen nicht auch nur ein Gefühl?

Es gibt objektive Gründe. Bei einem großflächigen Stromausfall – wie zuletzt in Spanien, Portugal und Südfrankreich – funktionierte vieles nicht mehr. Elektronisches Zahlen fiel aus. Mit Bargeld kann in so einer Situation weiterhin bezahlt werden.

Spielt Bargeld auch eine Rolle in Bezug auf hybride Angriffe, zum Beispiel aus Russland oder China?

Ja, Cyberattacken, auch staatlich gelenkte, haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Abwehrsysteme werden zwar besser, die Bedrohungslage ist jedoch real und bleibt hoch. Genau deshalb rückt die Resilienz unserer Zahlungsinfrastruktur immer stärker in den Fokus. Und hier zeigt sich der wahre Wert des Bargelds: Es ist unabhängig von Strom, Netzwerken und digitalen Schnittstellen. Bargeld lässt sich nicht hacken. In Krisenfällen kann Bargeld entscheidend sein, um weiterhin bezahlen zu können. Darum bleibt es ein unverzichtbarer Bestandteil einer robusten und widerstandsfähigen Infrastruktur.

Man könnte also sagen: Ohne Bargeld geht es nicht.

Wir wollen nicht ohne Bargeld sein. Das Eurosystem plant eine neue Banknotenserie. In Deutschland optimieren wir stetig die Bargeld-Infrastruktur – 31 Filialen der Bundesbank versorgen das Land mit Bargeld. Zudem haben wir das Nationale Bargeldforum gegründet, wo alle Beteiligten des Bargeldkreislaufs gemeinsam diskutieren, wie wir das Bargeld stärken können.

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Dort wurde auch der Vorschlag zur Abschaffung von 1- und 2-Cent-Münzen gemacht.

Ja, mithilfe einer Rundungsregel. Sechs Länder im Euroraum machen das bereits. Es ist sinnvoll, 1- und 2-Cent-Münzen abzuschaffen – die Produktion der Münzen dürfte inzwischen teurer sein als ihr Nennwert. Hinzu kommen Transport- und Sortierkosten. Es wäre nachhaltiger und effizienter, darauf zu verzichten. Der Vorschlag liegt nun bei Bundesfinanzminister Lars Klingbeil.

Die schwarz-rote Regierung will mit einem Gesetz die Möglichkeit zum Zahlen mit Girocard, der früheren EC-Karte, verpflichtend machen. Ist das der richtige Weg?

Grundsätzlich sind wir als Bundesbank für Wahlfreiheit beim Bezahlen – also dafür, dass Verbraucher selbst entscheiden können, ob sie bar, mit Girocard oder anderen digitalen Mitteln zahlen möchten. Wenn die Politik sagt, Händler sollen neben Bargeld auch die Girocard akzeptieren, habe ich dafür Sympathie – denn es erweitert die Wahlmöglichkeiten der Kundinnen und Kunden. Wie detailliert der Staat vorschreiben sollte, welche Zahlungsmittel ein Geschäft akzeptieren muss, ist eine andere Frage. Das ist eine ordnungspolitische Debatte.

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Die Bundesbank unterstützt die Einführung eines digitalen Euro. Ist das eine Konkurrenz für das Bargeld?

Nein, der digitale Euro ist eine extrem sinnvolle Ergänzung zum Bargeld. Bargeld ist bisher die einzige Form von Zentralbankgeld für Bürger. Aber wie vieles andere wird auch das Bezahlen immer digitaler. Und hier sind wir bei fast allen grenzüberschreitenden Zahlungen aktuell abhängig von außereuropäischen Anbietern – es fehlen echte europäische und europaweite Lösungen. Der digitale Euro soll deshalb eine Art digitaler Zwilling des Bargelds werden – aber der digitale Euro wird den analogen nie ersetzen.

Und wie hebt er sich von Wero ab, einer europäischen Paypal-Alternative der Sparkassen, Genossenschaftsbanken und der Deutschen Bank?

Ich finde es sehr gut, dass endlich europäische Zahlungsdienste wie Wero entstehen. Die Privatwirtschaft hat das lange nicht geschafft. Daher kommt solchen Projekten jetzt besondere Bedeutung zu. Denn solche Zahlungsdienstleister, vor allem Banken, haben die direkte Kundenbeziehung. Als Zentralbank sind wir darauf angewiesen, dass sie den digitalen Euro für ihre Kundinnen und Kunden einfach zugänglich machen. Wir haben weder die Kapazität noch ein Mandat dafür, Konten für Millionen von Privatkunden zu führen.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Kreditwirtschaft aus?

Der digitale Euro soll in die bestehenden Bank-Apps integriert werden – etwa bei etablierten Banken, den Neobanken und eben über Wero. Kurz gesagt: Wero ist aus unserer Sicht eine wichtige Kooperationsmöglichkeit für den digitalen Euro. Die Systeme ergänzen sich – Wero als europäische Zahlungsplattform, der digitale Euro als digitales Zentralbankgeld.

Wann kommt denn der digitale Euro?

Das Projekt startete Ende 2021. Der Gesetzgebungsprozess in Brüssel läuft. Sollte er 2026 abgeschlossen sein, bräuchte es noch zwei bis drei Jahre Testphase. Realistisch wäre eine Einführung nicht vor 2029. Entscheidend ist, dass der digitale Euro technisch einwandfrei läuft. Sollte es nach der Einführung des digitalen Euro zum Beispiel zu einem erfolgreichen Hackerangriff kommen, würde dies das ganze Projekt in Frage stellen.

Als Reaktion auf einen US-Präsidenten Trump und seine erratische Politik gab es in Deutschland immer wieder Forderungen, sämtliches Gold nach Hause zu holen. Wäre das ein sinnvoller Schritt?

Grundsätzlich äußern wir uns zurückhaltend, was unsere Goldreserven betrifft. Aber ich will ein wenig zur Erhellung der Sachlage beitragen.

Gerne.

Wir haben – das ist kein Geheimnis – drei Goldlagerstellen.

In Frankfurt, London und New York.

Korrekt. Insgesamt besitzt die Bundesbank 3.352 Tonnen Gold. Etwas mehr als die Hälfte davon lagert in Frankfurt – in den eigenen Tresoren in der Zentrale der Bundesbank. Rund 37 Prozent befinden sich in New York bei der US-Notenbank Federal Reserve, das entspricht 1.236 Tonnen. Und etwa 12 Prozent liegen bei der Bank of England in London.

Warum genau an diesen Orten?

Entscheidend dafür war vor allem die Sicherheit der Verwahrung, die Handelbarkeit des Goldes am jeweiligen Ort – und natürlich die Kosten, die mit Lagerung, Transport und Verwaltung verbunden sind. Man könnte an dieser Stelle natürlich fragen: Sind die Reserven in den USA weiterhin sicher?

Und?

Wir überprüfen die Verteilung regelmäßig – bei Bedarf auch kurzfristig. Zum jetzigen Zeitpunkt fühlen wir uns mit dieser Verteilung gut aufgestellt. Die Bundesbank hat volles Vertrauen in ihre Partner – sowohl in London als auch in New York. Die Bank of England und die Federal Reserve sind ebenso unabhängige Zentralbanken wie die Bundesbank oder die EZB.

Noch muss man wohl sagen. Denn Donald Trump setzt die Fed und Jerome Powell enorm unter Druck. Wie fatal ist das für unsere Goldreserven?

Präsident Trump macht in erster Linie beim Thema Geldpolitik Druck auf die Führung der Fed. Er möchte den Leitzins senken. Andere Themen stehen bislang weder für den Präsidenten noch seine Administration im Fokus.

Wenn eines klar ist bei Donald Trump: dass es sich jederzeit ändern kann.

Darüber spekuliere ich nicht. Sie müssen die Gründe für die Wahl unserer ausländischen Lagerstellen sehen.

Die da sind?

Auch wenn die Bundesbank keine Pläne hat, am Goldmarkt aktiv zu sein, muss man wissen: Wenn man zum Beispiel Gold verkaufen möchte, muss man imstande sein, es physisch liefern zu können. Wir bewahren uns also ein Stück weit die Flexibilität, zügig an den beiden größten Finanzzentren, nämlich in New York und London, mit unseren dort lagernden Goldbeständen agieren zu können. Daher werden wir dort auch künftig Gold lagern.

Jetzt haben Sie doch spekuliert.

Nein. Sie sehen mich sehr entspannt, was die Goldreserven betrifft. Gehen Sie davon aus, dass ich regelmäßig nach dem deutschen Gold sehe und darauf achte, dass alles noch an seinem Platz ist.

Wann zuletzt?

Die Bundesbank prüft ihre im Ausland liegenden Goldreserven in regelmäßigen Zeitabständen mit eigenen Inspektionsteams. Ich muss nicht selbst jeden der gut 130.000 Barren, die in New York und London liegen, zählen. Aber ich weiß genau, wo das Gold liegt und wie es aufbewahrt wird.

Welches Gefühl haben Sie im Goldkeller?

Das erste Mal im Goldtresor der Bundesbank in Frankfurt war mein persönlicher Dagobert-Duck-Moment: ein Raum voller Goldbarren. Das erschlägt einen dann schon. Es geht hier um unglaubliche Werte. Da kann man schon nachvollziehen, warum Gold so eine unfassbare Faszination auslöst.

Herr Balz, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Burkhard Balz
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