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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ökonomen sehen SPD-Plan kritisch Steuerpläne "eine Belastung für mittlere Einkommen"
Die SPD will die meisten Bürger bei der Steuer entlasten. Doch Ökonomen halten das Wahlkampfmanöver für schwer finanzierbar.
Die SPD schaltet in den Wahlkampfmodus: Ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl präsentiert die Partei neue Steuerpläne, mit denen sie möglichst viele Bürger für sich gewinnen will. Das erklärte Ziel: 95 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entlasten.
Großen Zuspruch können die Sozialdemokraten dringend gebrauchen. Denn in aktuellen Umfragen schneiden die SPD und vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz schlecht ab. Mehr dazu lesen Sie hier.
Ob die Steuerpläne dabei helfen können? Das hängt sicherlich auch von der genauen Ausgestaltung ab – also wie viel die meisten Deutschen nach dem Modell tatsächlich mehr in der Tasche hätten. Doch genau das ist bislang nicht genau auszumachen, denn eine Berechnung hat die SPD bisher nicht mitgeliefert. Ökonomen sind angesichts dessen skeptisch.
Schrodi: Gibt breiten Spielraum
Während die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken sagte, der Vorschlag sei zuvor mit Steuerexperten durchgerechnet worden, klingen die Aussagen des finanzpolitischen Sprechers der SPD, Michael Schrodi, noch etwas vager. "Das Konzept ist in Abstimmung mit Steuerexperten erarbeitet worden. Zur Ausgestaltung gibt es einen breiten Spielraum", sagt er t-online. Neben Gerechtigkeit sei auch eine "höhere Kaufkraft für die Mehrheit der Menschen" das Ziel, denn das stärke die Wirtschaft, so Schrodi weiter.
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Auf Nachfrage präzisiert ein SPD-Sprecher: "Die politische Zielstellung einer grundlegenden Einkommenssteuerreform, wie sie im Beschluss des Parteivorstandes formuliert ist, basiert auf den Beschlüssen des SPD-Bundesparteitags im Dezember 2023." Dafür gebe es bereits Berechnungen und verschiedene Modelle. "Über diese wird im Rahmen der Aufstellung des Programms für die Bundestagswahl 2025 entschieden. In diesem Zusammenhang werden dann auch Details geklärt und veröffentlicht."
Aus der Koalition gab es gemischte Reaktionen. FDP-Chef Christian Lindner sagte, bei der Entlastung von Steuerzahlern sei er dabei. Das dürfe aber nicht auf die Kosten von Fachkräften und Mittelstand gehen. Sein Vorschlag: "Wir können das finanzieren durch eine weitere Bürgergeldreform und die Unterbindung irregulärer Einwanderung in den Sozialstaat."
Die Opposition äußerte sich ablehnend. CDU-Chef Friedrich Merz sagte in der ARD, dass die SPD ihre Pläne zur Senkung von Steuern auch in den vergangenen fast 20 Jahren in der Regierung hätte einbringen können. "Wenn das allerdings dann gleichzeitig bedeutet, dass sie die sogenannten Besserverdienenden noch höher belasten wollen, dann ist unsere Antwort klar und deutlich: Nein. Das ist eine Belastung für den Mittelstand", so Merz.
Ökonom: Kann "so nicht funktionieren"
Ökonomen sind unterdessen vor allem bei der Umsetzbarkeit skeptisch. Martin Beznosk vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sagt t-online: "Die Belastung für kleine und mittlere Einkommen ist historisch hoch und die letzte Reform lange her. Ich denke jedoch, dass die Gegenfinanzierung, wie von der SPD vorgeschlagen, so nicht funktionieren kann."
Für eine vollständige Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauchs, also den verhältnismäßigen Mehrbelastungen für mittlere Einkommen, entfielen Schätzungen zufolge jährlich bis zu 50 Milliarden Euro Steuern als Staatseinkommen. Das gegenzufinanzieren sei schwierig, so Beznoska. Aber auch eine teilweise Entlastung könnte "Wirkung auf die Arbeitsanreize für kleine und mittlere Einkommen" haben.
Doch auch dann ist der Ökonom skeptisch, wie das SPD-Modell funktionieren soll. Denn mit einer reinen Gegenfinanzierung über eine hohe Einkommenssteuer für "Reiche" sei das Ziel schwer zu erreichen.
Denn die genannten "oberen ein Prozent" umfassen laut Finanzministerium aktuell Steuerpflichtige mit Einkünften von mehr als 280.000 Euro. Darunter fallen Alleinstehende und Ehepaare, aber eben auch Einzelunternehmer sowie kleine und mittelständische Betriebe, die als Personengesellschaften organisiert sind und deshalb Einkommenssteuer zahlen müssen. Sie zahlen den Reichensteuersatz von 45 Prozent. Zudem zahlen sie weiterhin den Solidaritätszuschlag, der für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft wurde.
Das obere eine Prozent bringt derzeit knapp 25 Prozent des gesamten Lohn- und Einkommensteueraufkommens und 60 Prozent des Solidaritätszuschlags auf. Esken zufolge könnten für den SPD-Vorschlag aber bereits Einkommen ab 180.000 Euro jährlich ins Auge gefasst werden.
Berechnung: Entlastung für Mittelschicht gering
Auch Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht Finanzierungshürden bei den SPD-Plänen: "Das Grundprinzip des modernen Steuerstaates ist: Die Masse füllt die Kasse."
Wenn also die große Masse entlastet werden soll, führe das zu erheblichen Mindereinnahmen. "Um größere Entlastungen von Geringverdienenden und Mittelschichten innerhalb der Einkommensteuer zu finanzieren, bräuchte es deutlich höhere Spitzensteuersätze“, so Bach zu t-online.
Auf der Plattform X rechnet er vor, wie viel Ersparnis tatsächlich für jeden Einzelnen finanzierbar wäre. Er geht dabei von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent ab einem Einkommen von 80.000 Euro aus, wie es der Seeheimer Kreis, der konservative Flügel der SPD, schon früher einmal gefordert hatte. Zudem kalkuliert Bach mit einem Reichensteuersatz von 48 Prozent ab einem jährlichen Einkommen von 150.000 Euro. Damit kommt er auf Mehreinnahmen von 5,5 Milliarden Euro. So wäre wiederum eine Anhebung des Grundfreibetrags möglich.
Doch den Berechnungen von Bach zufolge käme letztlich wenig bei Personen mit geringen und mittleren Einkommen an. Bei einem Einkommen von 30.000 Euro jährlich betrüge die Entlastung gerade einmal 150 Euro im Jahr, also knapp 13 Euro im Monat. Eine umfangreiche Entlastung ist das wohl in den Augen der meisten Deutschen nicht.
"Deutschland ist ein Hochsteuerland für Personen mit niedrigen und mittleren Einkommen"
Dabei kann Bach das Ansinnen der SPD-Politiker durchaus nachvollziehen. "Deutschland ist ein Hochsteuerland für Personen mit niedrigen und mittleren Einkommen und ein Niedrigsteuerland bei Vermögenseinkommen und Vermögen", erläutert der Experte. Deswegen sieht er nicht unbedingt bei der Einkommenssteuer, sondern bei anderen Steuern die größeren Hebel.
"Durch Abbau von Steuerprivilegien bei Erbschaftsteuer und Immobiliensteuern plus eine Superreichen-Vermögensteuer könnte der Staat bis zu 20 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich einnehmen, ohne größere wirtschaftliche Schäden auszulösen." Solche Maßnahmen wären durchaus auch im Sinne zumindest einiger SPD-Politiker.
An dieser Stelle widerspricht Beznoska: "Die Vermögensteuer ist die wirtschaftsfeindlichste Steuer, da sie vor allem das Betriebsvermögen von Mittelständlern treffen würde." Er hält sie deswegen für eine ungeeignete Finanzierungsmöglichkeit. Die Vermögenssteuer bringe hohe Erhebungs- und Befolgungskosten mit sich. "Bereits ein Steuersatz von einem Prozent kann dazu führen, dass Unternehmen über zehn Prozent weniger von ihrem thesaurierten Gewinn für Investitionen zur Verfügung haben", so Beznoska. Er schlägt daher stattdessen Ausgabenkürzungen im Haushalt und eine temporäre Mehrverschuldung vor.
In einer früheren Version des Textes wurde das DIW als gewerkschaftsnah bezeichnet. Das DIW ist ein unabhängiges Forschungsinstitut und wird zu großen Teilen aus öffentlichen Mitteln sowie Projekteinnahmen und Spenden finanziert.
- Anfrage an Michael Schrodi (SPD)
- Anfrage an SPD
- Anfrage an Martin Beznoska (IW)
- Anfrage an Stefan Bach (DIW)
- handelsblatt.com: "56 Prozent Reichensteuer? Finanzministerium berechnet SPD-Pläne" (Bezahlinhalt)