t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenBörsen-News

Kollaps der Türkischen Lira: So geht die Bevölkerung mit dem Lira-Untergang um


Absturz der Lira
Die Wut auf Erdoğan steigt

Von Buesra Delikaya, Nele Behrens

Aktualisiert am 18.12.2021Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Demo in Istanbul gegen die Lira-Inflation: Seit Wochen häufen sich die Demonstrationen in Großstädten wie Istanbul gegen die türkische Zinspolitik und die hohe Inflation im Land.Vergrößern des Bildes
Demo in Istanbul gegen die Lira-Inflation: Seit Wochen häufen sich die Demonstrationen in Großstädten wie Istanbul gegen die türkische Zinspolitik und die hohe Inflation im Land. (Quelle: Hakan Akgun/imago-images-bilder)

Die türkische Notenbank lässt den Leitzins weiter sinken. Das hat schwerwiegende Folgen. Das Vertrauen in die Lira ist zerstört, sagen Experten. Die Türken reagieren vor allem mit einer Emotion: Wut.

Das Geld rinnt der türkischen Bevölkerung durch die Finger. Mit ihrer jüngsten Zinssenkung vom Donnerstag hat die Notenbank die Lira noch weiter in den Abgrund befördert. Am Freitag setzte sich der Niedergang fort. Für einen Euro müssen Türken nun mittlerweile einen Rekordwert von 18 Lira bezahlen.

Ein Ende dieser Abwärtsspirale ist nicht in Sicht: "Das hat das Vertrauen in die Notenbank erschüttert," sagt Thomas Altmann von QC Partners zur Zinssenkung. "Entsprechend gering ist jetzt das Vertrauen in die türkische Währung."

Während der internationale Markt zunehmend den Glauben an die türkischen Finanzpolitik verliert, ist die Bevölkerung in der Türkei vor allem wütend.

Zwar kündigte Recep Tayyip Erdoğan einige Änderungen an, mit denen die Inflationsfolgen aufgefangen werden sollen. Doch der türkische Präsident konnte viele Türken mit seiner Ansprache nicht mehr überzeugen.

Die geplante Anhebung des Mindestlohns um 50 Prozent auf 4.253 Lira (234,33 Euro) netto zum Jahresbeginn sehen in den sozialen Medien viele nur als überfälligen Schritt an. Seit Monaten entflammt immer wieder die Diskussion, wie die Menschen angesichts der rasend ansteigenden Inflation überhaupt noch ihre alltäglichen Lebenshaltungskosten stemmen sollen.

In der Bevölkerung macht sich Unmut breit

Mit dem aktuellen Mindestlohn können sich viele Türken kaum noch alltägliche Waren wie etwa Sonnenblumenöl leisten. In den sozialen Netzwerken dominiert daher der Frust: Die steigenden Löhne würden angesichts der hohen Inflationsrate ohnehin nichts bringen, meinen einige Nutzer. "Die Gehälter verpuffen in einigen Tagen sowieso", macht einer seinem Unmut Luft. Ein anderer schimpft, dass sich niemand zu freuen braucht – das Geld werde vorne und hinten nicht reichen.

Vor allem die junge Generation scheint einen zynischen, hoffnungslosen Umgang mit der Krise entwickelt zu haben. Sie teilen unter dem Hashtag #LiramiziYedirmezsekIyi (auf Deutsch: Es wäre gut, wenn wir unsere Lira nicht verfüttern) zynische Witze und Karikaturen zu der wirtschaftlichen Lage in ihrem Land. So schreibt eine Nutzerin: "Wir sollten uns nur noch gegenseitig nach Hause einladen. Treffen in Lokalen sind ein abgeschlossenes Kapitel – wir haben eh kein Geld."

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Die Lira steckt in einer tiefen Währungskrise

Oppositionsmedien in der Türkei kritisieren die Zinskürzungen der türkischen Notenbank, mit der sie die Währungskrise der Lira stetig verschärft. Sie sprechen von einem "historischen Wertverlust". Für Türkinnen und Türken heißt das vor allem: Tiefer in die Tasche greifen.

Türkischen Ökonomen zufolge kann in den kommenden Monaten mit einem Anstieg der Inflationsrate um bis zu 30 Prozent gerechnet werden. Zusätzlich zu den steigenden Preisen verliert die Lira immer mehr an Wert. Seit Anfang des Jahres hat sich der Wert der Landeswährung mehr als halbiert.

Seit der Ankündigung der Zinssenkungen vonseiten der türkischen Notenbank im September hangelt sich die Währung von einem Rekordtief zum nächsten. Der bezeichnende Wertverlust ist vor allem in den zurückliegenden anderthalb Monaten entstanden.

Wird die Zinssenkung bis in das neue Jahr hinein fortgesetzt?

Die Frage, die sich viele Experten stellen, ist: Kann die türkische Zentralbank diese anhaltenden Negativrekorde auf Dauer verkraften? Die Institution flüchtet sich in nebulöse Ankündigungen. Man werde im ersten Quartal des neuen Jahres die Auswirkungen der neuen Beschlüsse intensiv verfolgen, um die Preisstabilität in einem politischen Rahmen nachhaltig neu zu gestalten, heißt es von der Notenbank.

Die befragten Ökonomen deuten das Statement als eine vorerst ausbleibende Zinssenkung. Stattdessen sei es besonders in den ersten Monaten des Jahres möglich, dass die Notenbank mit anderen Maßnahmen, etwa Interventionen am Devisenmarkt, versuchen könnte, die Lira zu stabilisieren.

Das hat die Notenbank in den vergangenen Wochen bereits versucht. Bisher allerdings mit kaum nennenswerten Erfolgen. Um das Vertrauen der Türken und der internationalen Märkte zurückzugewinnen, bräuchte es deutlichere Ankündigungen. Bis dahin dürfte die Lira weiter in Bedrängnis geraten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • "Hürriyet": Asgari ücretle neler değişti?
  • "Bigpara.Hürriyet": Cumhurbaskani Erdoğan 2022 Asgari ücreti açıkladı
  • "Cumhuriyet": Bankacilardan 2022 tahmini: Merkez bankasi ne yapacak?
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website