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Geldpolitik der EZB: Die ehrlichen Sparer sitzen in der Falle


Die Sparer sitzen in der Falle

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 12.11.2019Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Sparbuch mit Geld: Negativzinsen lassen das Vermâgen von Sparern schmelzen.Vergrâßern des Bildes
Sparbuch mit Geld: Negativzinsen lassen das VermΓΆgen von Sparern schmelzen. (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)

Was tun, wenn das Geld beim Sparen schmilzt? Von der Empfehlung, sich vom Sparbuch zu lΓΆsen und in Aktien zu investieren, profitieren nur die, die ohnehin schon viel haben.

Bisher waren die niedrigen Zinsen fΓΌr die meisten Anleger nur Γ€rgerlich – jetzt beginnt die Sache richtig weh zu tun: Viele private Anleger mΓΌssen in diesem Herbst mit Negativzinsen rechnen, rund 140 Banken und Sparkassen berechnen ihren Kunden bereits "VerwahrgebΓΌhren". Noch gelten zwar FreibetrΓ€ge von 100.000 Euro aufwΓ€rts, doch wenn die EZB ihre Politik des lockeren Geldes fortsetzt, werden diese Grenzen wohl bald schrittweise nach unten korrigiert. Die Sparer sitzen in der Falle – es sei denn, sie entschließen sich, ihr VermΓΆgen anders anzulegen. Das fΓ€llt vor allem den Deutschen schwer.

Sparen belastet Konjunktur und Banken

Jetzt wird auch für die letzten Traditionalisten deutlich, wie sehr sich die Welt in den vergangenen zehn Jahren gewandelt hat. Sparen ist keine Tugend mehr, im Gegenteil: es belastet Konjunktur und Banken. Die Geldschwemme verstopft die GeldhÀuser, sie fließt in Unternehmen, von denen einige sonst lÀngst vom Markt verschwunden wÀren, sie entlastet den Staat und die Schuldner. Nur diejenigen, die ganz konservativ für ihr Alter vorgesorgt haben, haben nichts davon.

Vor allem die Deutschen sind im Visier der Zentralbanker und Finanzminister der europÀischen Nachbarstaaten. Die Bundesbürger sparen zu viel, das ist die Überzeugung der EuropÀischen Zentralbank. Sie hat die Statistik auf ihrer Seite: Die Sparquote ist im vergangenen Jahr wieder auf 10,4 Prozent der verfügbaren Einkommens gestiegen, das ist der hâchste Wert seit der Finanzkrise. Über 200 Milliarden Euro haben die Bundesbürger 2018 zurückgelegt, obwohl sie auch im vergangenen Jahr schon dafür keine Belohnung mehr erwarten durften.

Nur jeder sechste Deutsche hat Aktien oder Aktienfonds

Gerade einmal 10,3 Millionen Deutsche hatten im vergangenen Jahr Aktien oder Aktienfonds, das ist jeder sechste der ΓΌber 14-JΓ€hrigen. In der Schweiz, in Skandinavien, England oder den USA hat jeder zweite BΓΌrger ein Depot. Die Zahl steigt zwar auch in Deutschland leicht, doch in einigen Regionen Nordrhein-Westfalens, in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in allen ostdeutschen BundeslΓ€ndern gibt es praktisch keine AktionΓ€re.

Die Botschaft ist doppelt fatal: Um Aktien zu kaufen, muss man VermΓΆgen haben. Das VermΓΆgen aber wΓ€chst nur, wenn man es nicht auf dem Sparbuch versauern lΓ€sst. Im Ergebnis profitieren diejenigen, die schon wohlhabend sind. Die anderen dagegen verlieren.

Es ist eine Mischung aus Vorsicht, Unsicherheit und Unwissen, die weniger BegΓΌterte davon abhΓ€lt, ihr Geld in Aktien und Wertpapieren, Immobilien und anderen lukrativen Investments anzulegen. Vorsicht, weil man zuletzt mit der sogenannten "Volksaktie" Telekom schlechte Erfahrungen gemacht hat. Das Telekom-Papier wurde 1996 auf den Markt gebracht, tatsΓ€chlich kauften fast zwei Millionen BΓΌrger das Papier zum Preis von damals 28,50 D-Mark. Nach zwei weiteren Emissionen zu deutlich hΓΆheren Preisen und einem Zwischenhoch von ΓΌber 100 Euro im Jahr 2000 dΓΌmpelt die Aktie bis heute unter oder um den ursprΓΌnglichen Ausgabekurs herum. Von Wohlstandszuwachs keine Spur.

Schwankungen der AktienmΓ€rkte sorgen fΓΌr Unsicherheit

Unsicherheit ist das zweite Element. AktienmΓ€rkte schwanken stark. Wer sicher gehen wollte, war in der Vergangenheit mit dem Sparkonto gut bedient – auch wenn in Zeiten hoher Inflationsraten die Renditen immer schon einmal negativ waren.

Dazu kommt Unwissen. Anders als private Anleger in Großbritannien und den USA konnten sich die Deutschen bisher auf eine gut ausgestattete staatliche Rentenversicherung verlassen. Mit dem Thema privater Geldanlage mussten sie sich nur beschÀftigten, wenn sie entweder selbststÀndig, oder ohnehin reich, oder beides waren. Die anderen mussten sich nicht in Gefahr begeben.

Das Àndert sich jetzt. WÀhrend die Reichen lÀngst versuchen, dem Anlagenotstand mit Oldtimern, Uhren, Wein und Kunst zu begegnen, denken die verunsicherten Sparer darüber nach, ihr Geld mit nachhause zu nehmen, oder es in einem Bankschließfach zu lagern.

Γ–konomen empfehlen Abschaffung des Bargelds

Für die Zentralbanken ist das eine Horrorvorstellung. Ihre Geldpolitik wirkt nur bei Guthaben, auf die die Niedrigzinsen direkt durchwirken. Das Kalkül: Nur, wer Jahr für Jahr weniger Geld auf seinem Konto sieht, wird es irgendwann investieren oder ausgeben und damit die Konjunktur auf Trab bringen. Über hohe BargeldbestÀnde dagegen haben die Notenbanken keinerlei Kontrolle.

Deshalb empfehlen nun einige Γ–konomen – zum Beispiel beim Internationalen WΓ€hrungsfonds –, Bargeld nach MΓΆglichkeit ganz abzuschaffen. FΓΌr Deutschland und Europa ist das zwar keine Option – doch das Ende fΓΌr den 500-Euro-Schein in diesem Jahr ist zumindest ein Signal, dass große Bargeldmengen nicht erwΓΌnscht sind. Und zwar nicht nur, weil Drogen- und TerrorgeschΓ€fte gerne bar abgewickelt werden.


Was jetzt zu tun ist? Wer noch genug Zeit hat, muss sich vom Sparbuch lΓΆsen: Bargeld, deutsche und vor allem internationale Aktienfonds, Immobilienwerte, ein paar Anleihen und etwas Gold gehΓΆren in den richtigen Mix. Und wenn man den in den nΓ€chsten 20 Jahren nicht auflΓΆsen muss, stehen die Chancen ganz gut, auch den nΓ€chsten Crash und die nΓ€chste Finanzkrise zu ΓΌberleben.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leinbniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast β€žTonspur Wissenβ€œ.

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