Die Sparer sitzen in der Falle
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ΓΌbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was tun, wenn das Geld beim Sparen schmilzt? Von der Empfehlung, sich vom Sparbuch zu lΓΆsen und in Aktien zu investieren, profitieren nur die, die ohnehin schon viel haben.
Bisher waren die niedrigen Zinsen fΓΌr die meisten Anleger nur Γ€rgerlich β jetzt beginnt die Sache richtig weh zu tun: Viele private Anleger mΓΌssen in diesem Herbst mit Negativzinsen rechnen, rund 140 Banken und Sparkassen berechnen ihren Kunden bereits "VerwahrgebΓΌhren". Noch gelten zwar FreibetrΓ€ge von 100.000 Euro aufwΓ€rts, doch wenn die EZB ihre Politik des lockeren Geldes fortsetzt, werden diese Grenzen wohl bald schrittweise nach unten korrigiert. Die Sparer sitzen in der Falle β es sei denn, sie entschlieΓen sich, ihr VermΓΆgen anders anzulegen. Das fΓ€llt vor allem den Deutschen schwer.
Sparen belastet Konjunktur und Banken
Jetzt wird auch fΓΌr die letzten Traditionalisten deutlich, wie sehr sich die Welt in den vergangenen zehn Jahren gewandelt hat. Sparen ist keine Tugend mehr, im Gegenteil: es belastet Konjunktur und Banken. Die Geldschwemme verstopft die GeldhΓ€user, sie flieΓt in Unternehmen, von denen einige sonst lΓ€ngst vom Markt verschwunden wΓ€ren, sie entlastet den Staat und die Schuldner. Nur diejenigen, die ganz konservativ fΓΌr ihr Alter vorgesorgt haben, haben nichts davon.
Vor allem die Deutschen sind im Visier der Zentralbanker und Finanzminister der europΓ€ischen Nachbarstaaten. Die BundesbΓΌrger sparen zu viel, das ist die Γberzeugung der EuropΓ€ischen Zentralbank. Sie hat die Statistik auf ihrer Seite: Die Sparquote ist im vergangenen Jahr wieder auf 10,4 Prozent der verfΓΌgbaren Einkommens gestiegen, das ist der hΓΆchste Wert seit der Finanzkrise. Γber 200 Milliarden Euro haben die BundesbΓΌrger 2018 zurΓΌckgelegt, obwohl sie auch im vergangenen Jahr schon dafΓΌr keine Belohnung mehr erwarten durften.
Nur jeder sechste Deutsche hat Aktien oder Aktienfonds
Gerade einmal 10,3 Millionen Deutsche hatten im vergangenen Jahr Aktien oder Aktienfonds, das ist jeder sechste der ΓΌber 14-JΓ€hrigen. In der Schweiz, in Skandinavien, England oder den USA hat jeder zweite BΓΌrger ein Depot. Die Zahl steigt zwar auch in Deutschland leicht, doch in einigen Regionen Nordrhein-Westfalens, in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in allen ostdeutschen BundeslΓ€ndern gibt es praktisch keine AktionΓ€re.
Die Botschaft ist doppelt fatal: Um Aktien zu kaufen, muss man VermΓΆgen haben. Das VermΓΆgen aber wΓ€chst nur, wenn man es nicht auf dem Sparbuch versauern lΓ€sst. Im Ergebnis profitieren diejenigen, die schon wohlhabend sind. Die anderen dagegen verlieren.
Es ist eine Mischung aus Vorsicht, Unsicherheit und Unwissen, die weniger BegΓΌterte davon abhΓ€lt, ihr Geld in Aktien und Wertpapieren, Immobilien und anderen lukrativen Investments anzulegen. Vorsicht, weil man zuletzt mit der sogenannten "Volksaktie" Telekom schlechte Erfahrungen gemacht hat. Das Telekom-Papier wurde 1996 auf den Markt gebracht, tatsΓ€chlich kauften fast zwei Millionen BΓΌrger das Papier zum Preis von damals 28,50 D-Mark. Nach zwei weiteren Emissionen zu deutlich hΓΆheren Preisen und einem Zwischenhoch von ΓΌber 100 Euro im Jahr 2000 dΓΌmpelt die Aktie bis heute unter oder um den ursprΓΌnglichen Ausgabekurs herum. Von Wohlstandszuwachs keine Spur.
Schwankungen der AktienmΓ€rkte sorgen fΓΌr Unsicherheit
Unsicherheit ist das zweite Element. AktienmΓ€rkte schwanken stark. Wer sicher gehen wollte, war in der Vergangenheit mit dem Sparkonto gut bedient β auch wenn in Zeiten hoher Inflationsraten die Renditen immer schon einmal negativ waren.
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Dazu kommt Unwissen. Anders als private Anleger in GroΓbritannien und den USA konnten sich die Deutschen bisher auf eine gut ausgestattete staatliche Rentenversicherung verlassen. Mit dem Thema privater Geldanlage mussten sie sich nur beschΓ€ftigten, wenn sie entweder selbststΓ€ndig, oder ohnehin reich, oder beides waren. Die anderen mussten sich nicht in Gefahr begeben.
Das Γ€ndert sich jetzt. WΓ€hrend die Reichen lΓ€ngst versuchen, dem Anlagenotstand mit Oldtimern, Uhren, Wein und Kunst zu begegnen, denken die verunsicherten Sparer darΓΌber nach, ihr Geld mit nachhause zu nehmen, oder es in einem BankschlieΓfach zu lagern.
Γkonomen empfehlen Abschaffung des Bargelds
FΓΌr die Zentralbanken ist das eine Horrorvorstellung. Ihre Geldpolitik wirkt nur bei Guthaben, auf die die Niedrigzinsen direkt durchwirken. Das KalkΓΌl: Nur, wer Jahr fΓΌr Jahr weniger Geld auf seinem Konto sieht, wird es irgendwann investieren oder ausgeben und damit die Konjunktur auf Trab bringen. Γber hohe BargeldbestΓ€nde dagegen haben die Notenbanken keinerlei Kontrolle.
Deshalb empfehlen nun einige Γkonomen β zum Beispiel beim Internationalen WΓ€hrungsfonds β, Bargeld nach MΓΆglichkeit ganz abzuschaffen. FΓΌr Deutschland und Europa ist das zwar keine Option β doch das Ende fΓΌr den 500-Euro-Schein in diesem Jahr ist zumindest ein Signal, dass groΓe Bargeldmengen nicht erwΓΌnscht sind. Und zwar nicht nur, weil Drogen- und TerrorgeschΓ€fte gerne bar abgewickelt werden.
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Was jetzt zu tun ist? Wer noch genug Zeit hat, muss sich vom Sparbuch lΓΆsen: Bargeld, deutsche und vor allem internationale Aktienfonds, Immobilienwerte, ein paar Anleihen und etwas Gold gehΓΆren in den richtigen Mix. Und wenn man den in den nΓ€chsten 20 Jahren nicht auflΓΆsen muss, stehen die Chancen ganz gut, auch den nΓ€chsten Crash und die nΓ€chste Finanzkrise zu ΓΌberleben.
Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leinbniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast βTonspur Wissenβ.