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Tech-Konzerne im Vorteil? Deutsche Firmen müssen handeln statt jammern


Wirtschaft abgehängt
Deutschlands Firmen müssen jetzt handeln statt jammern


Aktualisiert am 25.02.2020Lesedauer: 3 Min.
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Konkurrenz aus dem Internet: Die Versandapotheke DocMorris setzt herkömmliche Apotheken unter Druck.Vergrößern des Bildes
Konkurrenz aus dem Internet: Die Versandapotheke DocMorris setzt herkömmliche Apotheken unter Druck. (Quelle: Schöning/imago-images-bilder)

Immer öfter fordert die Wirtschaft Gesetze gegen unfairen Wettbewerb. Das ist der falsche Weg. Statt zu jammern, sollten sich die Unternehmen den neuen digitalen Märkten öffnen. Denn jetzt geht es um die Daten.

Zuerst waren es nur riskante Wetten, jetzt wird es richtig ernst. Wenn Deutschlands Unternehmen den neuen Schub der Digitalisierung überleben wollen, müssen sie aufhören, über unfaire Wettbewerbsbedingungen zu jammern und immer neue Gesetze dagegen zu fordern.

Noch haben sie eine Chance, selbst am Steuerrad zu sitzen, wenn in der Mobilität, im Maschinenbau, im Finanzwesen, bei den Rechtsanwälten und Apothekern die Märkte der Zukunft besetzt werden. Sie müssen sie nutzen. Im Moment aber sieht es nicht überall danach aus.

Als Airbnb, Uber und Amazon den Weltmarkt erobern wollten, ging es ihnen erst einmal um die Endkunden. Wenn man den Verbraucher in der Tasche hat, ist der Rest nicht mehr schwer, kalkulierten sie. Dann wird der Gesetzgeber ein Einsehen haben, dann muss auch die Konkurrenz klein beigeben.

Daten sind die neue Währung

So ist es auch gekommen. Jetzt aber geht es nicht mehr um das klassische Geschäft. Heute läuft eine viel größere Wette. Denn jetzt geht es um die Daten. Wem es gelingt, zur Plattform für die Geschäfte seiner Branche zu werden, gewinnt zumindest für die kommenden Jahre die Macht.

DocMorrisist ein Unternehmen, das das verstanden hat. Der niederländische Billig-Fiesling aus dem Medikamentenhandel macht den deutschen Apothekern seit dem Jahr 2000 Angst. Er liefert rezeptpflichtige Pillen online und beschenkt seine Kunden mit saftigen Rabatten.

Dagegen haben die deutschen Apotheker in den vergangenen Jahren die Gerichte bemüht. Sie haben Politiker in Stellung gebracht, Berufsordnungen verteidigt und die alten Damen, die bei ihnen Hustenbonbons und Blutdrucksenker kaufen, mobilisiert.

Das war nicht klug. Denn die Digitalisierung macht keine Gefangenen. Sie funktioniert nach dem Winner-takes-all-Prinzip. Der Gewinner bekommt den Markt. Die anderen verschwinden oder werden degradiert. Selbst die Zweit- und Drittplatzierten bekommen in diesem Wettbewerb nur noch die Brösel ab.

Die eigentliche Ware wird uninteressant

Am Wochenende hat DocMorris den Apothekern überraschend ein Friedensangebot gemacht. Einem Bericht des "Handelsblatts" zufolge will die Firma künftig auf die berüchtigten Rabatte verzichten und stattdessen die bisher bekämpften stationären Apotheker als Partner gewinnen.

Niemand sollte glauben, dass das ein Friedensangebot ist. In Wahrheit verlagert sich gerade das Geschäft: Statt die lästigen Touren zu den Patienten vor Ort selbst zu besorgen, sollen das künftig die Apotheken machen. DocMorris bekäme die Provision fürs vermittelte Geschäft – und die Daten. Der Billigheimer will die Plattform werden, auf der Gesundheitsdaten zusammengeführt, ausgewertet und verkauft werden.

Wenn das funktioniert, werden die Wettbewerber und Lieferanten radikal deklassiert. Ob Google für die Suchmaschinen, Amazon im Warenhausbereich, Airbnb im Individualtourismus oder Uber in der Chauffeurbranche: Sie sind die Marktführer. Die eigentliche Ware ist nicht mehr so interessant.

Für Tesla beispielsweise ist ein Auto kaum mehr als eine batteriebetriebene Blechkiste, die um einen Hochleistungscomputer herumgebaut wird. Auf diesen Computer kommt es an. Er soll den Rohstoff liefern, mit dem Tesla schon in wenigen Jahren den gesamten Markt für Mobilitätsdaten beherrschen will.

"Gesetzgeber sollte jetzt handeln"

Es ist höchste Zeit, sich diesen Tatsachen zu stellen. Statt weiterzujammern und zu klagen, neue Regulierungen zu verlangen und alte zu verteidigen, müssen sich Industrie und Apotheker, Banken und Rechtsanwälte (und ja, auch Journalisten) den Gesetzen der digitalen Märkte stellen.

DocMorris versucht das jetzt, genauso wie es Wirecard im Bankenbereich tut, oder Zalando für die Mode. Für Apotheker, Banken und Boutiquen sind das schlechte Nachrichten, für Europa aber sind es gute: Diese Firmen wurden in Deutschland und in den Niederlanden gegründet.

Und der Gesetzgeber? Der müsste jetzt handeln, überkommene Regulierungen verwerfen und neue, sinnvolle finden. Doch die Aussichten dafür sind noch trüber als die Chance, dass aus deutschen und europäischen Firmen erfolgreiche Plattformen werden, die die Märkte der Zukunft gewinnen können. Das ist das größte Risiko für die Digitalisierung, made in Europe.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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