Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ĂŒbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Italien macht den BankrÀuber
Italiens neue Regierungspartner stĂŒrzen die Eurozone in Turbulenzen. Das Land ist zu groĂ, um es scheitern zu lassen. Es ist aber auch zu groĂ, um es zu retten.
Heute endlich wird in Italien wohl ein Regierungschef den Auftrag bekommen, die Ministerliste fĂŒr ein Kabinett zusammenzustellen. Das klingt erst einmal wie eine gute Nachricht. SchlieĂlich ist es auch in Italien schon zwei Monate her, dass gewĂ€hlt wurde. Dennoch ist die Botschaft keine gute. Denn was da zusammenkommen soll, passt nicht fĂŒr Italien. Und es passt auch nicht fĂŒr Europa.
Die populistische FĂŒnfsterne-Protest-Partei und die rechtsradikale Lega (das "Nord" hat die kĂŒrzlich aus dem Namen gestrichen) haben nur zusammengefunden, weil sie sich auf eine Politik des groĂen FuĂes verstĂ€ndigt haben. Gemeinsam wollen sie 80 bis 120 Milliarden Euro ausgeben, die sie nicht haben.
Staatsdefizit droht erheblich zu steigen
FĂŒr Europa sind das miserable Nachrichten. Italien, ohnehin schon NachzĂŒgler im europĂ€ischen Aufschwung, koppelt sich von den anderen EurolĂ€ndern ab. Die drittgröĂte Volkswirtschaft der WĂ€hrungsunion weigert sich nicht nur, ihre maroden Banken zu reformieren oder zu schlieĂen. Sie denkt auch nicht daran, den Schuldenstand von enormen 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes herunterzufahren. Im Gegenteil: Macht sie ihre Wahlversprechen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen und Steuerentlastungen fĂŒr alle wahr, wird das Staatsdefizit schon im kommenden Jahr wieder die Drei-Prozent-Marke ĂŒberschreiten.
Umgekehrt aber verlangt Italien von den anderen MitgliedslÀndern der Eurozone und der EuropÀischen Zentralbank, dass sie beim Reduzieren der Schulden behilflich sind und einem Schuldenschnitt zustimmen.
Das Programm erinnert an die Strategie, mit der der griechische MinisterprĂ€sident Alexis Tsipras im Jahr 2015 seine Amtskollegen an den Rand des Nervenzusammenbruchs fĂŒhrte. Auch er weigerte sich, MaĂnahmen einzuleiten, die die WettbewerbsfĂ€higkeit des Landes verbessern sollten. Stattdessen drohte er, den Euro zu sprengen, wenn die anderen Mitglieder der Eurozone nicht zĂŒgig zur Hilfe eilten. Tsipras musste am Ende einlenken. Griechenland war zu klein, um die anderen EurolĂ€nder dauerhaft unter Druck setzen zu können. In Italien aber liegt der Fall anders. Italien ist zu groĂ, um es scheitern zu lassen. Aber es ist auch zu teuer, um gerettet werden zu können.
NĂ€chste Eurokrise in Reichweite
Die kĂŒnftige italienische Regierungskoalition kalkuliert das ein. Deshalb gebĂ€rdet sie sich jetzt wie ein BankrĂ€uber, der droht, den umgeschnallten SprengstoffgĂŒrtel zu zĂŒnden. Mit seinem eigenen Untergang wĂŒrde er auch alle anderen ins Verderben ziehen. Kein Wunder, dass am Freitag die Zinsen fĂŒr italienische Staatsanleihen hochgingen. Der Zinsabstand zu den deutschen Staatsanleihen wuchs an einem einzigen Tag um 0,22 Prozentpunkte â seit Mitte April ist der Zins fĂŒr zehnjĂ€hrige italienische Staatsanleihen von 1,72 Prozent auf 2,42 Prozent gestiegen. Setzt sich dieser Trend fort, ist die nĂ€chste Eurokrise da.
Vorbereitet ist die Eurozone keineswegs. Zwar wurde ein StabilitĂ€tsmechanismus eingerichtet â doch der tritt nur ein, wenn das betroffene Land weitreichenden Reformen zustimmt. Ăber einen EuropĂ€ischen WĂ€hrungsfonds wird zwar viel geredet, aber es gibt ihn noch nicht. Ob der im Falle Italiens eintreten wĂŒrde, wĂ€re ohnehin unwahrscheinlich. SchlieĂlich hat die neue Regierungskoalition allen Strukturprogrammen eine Absage erteilt.
Viel hĂ€ngt davon ab, wie sich der (vermutliche) neue Regierungschef, Giuseppe Conte verhĂ€lt. Conte ist Technokrat, er gehört dem Parlament nicht an. Der Jura-Professor ist ein akademischer Ăberflieger mit reichlich internationaler Expertise. Doch Politik- und Regierungserfahrung hat der smarte Jurist nicht. Auch wenn es ihm gelingen sollte, die bizarrsten Wahlversprechen aufzuhalten, ist damit noch nichts gewonnen. Italien muss deutliche Fortschritte bei der ProduktivitĂ€t und den Investitionen machen, um wieder wettbewerbsfĂ€hig zu werden.
Wie es geht, weiĂ inzwischen der griechische MinisterprĂ€sident Alexis Tsipras am besten. WĂ€hrend in Rom die Töne schriller werden, hat Tspiras am Wochenende ganz unaufgeregt mit den GlĂ€ubigern das letzte Reformpaket verhandelt. Ende Juni wird der Krisenstaat voraussichtlich aus dem Hilfsprogramm der Eurozone entlassen, Ende August will Griechenland an den Kapitalmarkt zurĂŒckkehren.
Das aber klappt nur, wenn Italien bis dahin zur Vernunft gekommen â oder die neue Regierung in Rom schon gescheitert ist. Lenkt Italien nicht ein, dĂŒrfte das Endspiel um den Euro dann begonnen haben. Auch Griechenland wĂŒrde in die Krise zurĂŒckgestoĂen. Deshalb sitzen in Griechenland heute die hĂ€rtesten Gegner des italienischen Wegs.