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Kolumne: Endspiel um den Euro – Italien macht den Bankräuber


Endspiel um den Euro
Italien macht den Bankräuber

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 22.05.2018Lesedauer: 3 Min.
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Fünf-Sterne-Chef Di Maio mit Giuseppe Conte (r.): Wie wird sich der neue Ministerpräsident verhalten?Vergrößern des Bildes
Fünf-Sterne-Chef Di Maio mit Giuseppe Conte (r.): Wie wird sich der neue Ministerpräsident verhalten? (Quelle: Remo Casilli/reuters)

Italiens neue Regierungspartner stürzen die Eurozone in Turbulenzen. Das Land ist zu groß, um es scheitern zu lassen. Es ist aber auch zu groß, um es zu retten.

Heute endlich wird in Italien wohl ein Regierungschef den Auftrag bekommen, die Ministerliste für ein Kabinett zusammenzustellen. Das klingt erst einmal wie eine gute Nachricht. Schließlich ist es auch in Italien schon zwei Monate her, dass gewählt wurde. Dennoch ist die Botschaft keine gute. Denn was da zusammenkommen soll, passt nicht für Italien. Und es passt auch nicht für Europa.

Die populistische Fünfsterne-Protest-Partei und die rechtsradikale Lega (das "Nord" hat die kürzlich aus dem Namen gestrichen) haben nur zusammengefunden, weil sie sich auf eine Politik des großen Fußes verständigt haben. Gemeinsam wollen sie 80 bis 120 Milliarden Euro ausgeben, die sie nicht haben.

Staatsdefizit droht erheblich zu steigen

Für Europa sind das miserable Nachrichten. Italien, ohnehin schon Nachzügler im europäischen Aufschwung, koppelt sich von den anderen Euroländern ab. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion weigert sich nicht nur, ihre maroden Banken zu reformieren oder zu schließen. Sie denkt auch nicht daran, den Schuldenstand von enormen 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes herunterzufahren. Im Gegenteil: Macht sie ihre Wahlversprechen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen und Steuerentlastungen für alle wahr, wird das Staatsdefizit schon im kommenden Jahr wieder die Drei-Prozent-Marke überschreiten.

Umgekehrt aber verlangt Italien von den anderen Mitgliedsländern der Eurozone und der Europäischen Zentralbank, dass sie beim Reduzieren der Schulden behilflich sind und einem Schuldenschnitt zustimmen.

Das Programm erinnert an die Strategie, mit der der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras im Jahr 2015 seine Amtskollegen an den Rand des Nervenzusammenbruchs führte. Auch er weigerte sich, Maßnahmen einzuleiten, die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern sollten. Stattdessen drohte er, den Euro zu sprengen, wenn die anderen Mitglieder der Eurozone nicht zügig zur Hilfe eilten. Tsipras musste am Ende einlenken. Griechenland war zu klein, um die anderen Euroländer dauerhaft unter Druck setzen zu können. In Italien aber liegt der Fall anders. Italien ist zu groß, um es scheitern zu lassen. Aber es ist auch zu teuer, um gerettet werden zu können.

Nächste Eurokrise in Reichweite

Die künftige italienische Regierungskoalition kalkuliert das ein. Deshalb gebärdet sie sich jetzt wie ein Bankräuber, der droht, den umgeschnallten Sprengstoffgürtel zu zünden. Mit seinem eigenen Untergang würde er auch alle anderen ins Verderben ziehen. Kein Wunder, dass am Freitag die Zinsen für italienische Staatsanleihen hochgingen. Der Zinsabstand zu den deutschen Staatsanleihen wuchs an einem einzigen Tag um 0,22 Prozentpunkte – seit Mitte April ist der Zins für zehnjährige italienische Staatsanleihen von 1,72 Prozent auf 2,42 Prozent gestiegen. Setzt sich dieser Trend fort, ist die nächste Eurokrise da.

Vorbereitet ist die Eurozone keineswegs. Zwar wurde ein Stabilitätsmechanismus eingerichtet – doch der tritt nur ein, wenn das betroffene Land weitreichenden Reformen zustimmt. Über einen Europäischen Währungsfonds wird zwar viel geredet, aber es gibt ihn noch nicht. Ob der im Falle Italiens eintreten würde, wäre ohnehin unwahrscheinlich. Schließlich hat die neue Regierungskoalition allen Strukturprogrammen eine Absage erteilt.

Viel hängt davon ab, wie sich der (vermutliche) neue Regierungschef, Giuseppe Conte verhält. Conte ist Technokrat, er gehört dem Parlament nicht an. Der Jura-Professor ist ein akademischer Überflieger mit reichlich internationaler Expertise. Doch Politik- und Regierungserfahrung hat der smarte Jurist nicht. Auch wenn es ihm gelingen sollte, die bizarrsten Wahlversprechen aufzuhalten, ist damit noch nichts gewonnen. Italien muss deutliche Fortschritte bei der Produktivität und den Investitionen machen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.

Wie es geht, weiß inzwischen der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am besten. Während in Rom die Töne schriller werden, hat Tspiras am Wochenende ganz unaufgeregt mit den Gläubigern das letzte Reformpaket verhandelt. Ende Juni wird der Krisenstaat voraussichtlich aus dem Hilfsprogramm der Eurozone entlassen, Ende August will Griechenland an den Kapitalmarkt zurückkehren.

Das aber klappt nur, wenn Italien bis dahin zur Vernunft gekommen – oder die neue Regierung in Rom schon gescheitert ist. Lenkt Italien nicht ein, dürfte das Endspiel um den Euro dann begonnen haben. Auch Griechenland würde in die Krise zurückgestoßen. Deshalb sitzen in Griechenland heute die härtesten Gegner des italienischen Wegs.

Verwendete Quellen
  • Ursula Weidenfeld arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt "Regierung ohne Volk".
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